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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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fesseln, beugt sie sich vor der früher so verachteten Kirche in den Staub und gibt
ihre Jugend den Jesuiten in die Hände. An den Gehorsam soll die neue Geue-
ration gewöhnt werden, das ist die Hauptsache, wenn es auch durch die Lüge ge¬
schieht. Der Zweck heiligt die Mittel.

Der blutige König von Neapel, der Abscheu, aller Nationen, wird als der
frommste Sohn der Kirche begrüßt. Der Soldat, der Spanien mit seinem Säbel
in Ordnung gebracht hat, läßt ihn um der Kirche weihen, obgleich die Kirche
sich als der Todtseiud seiner Partei bewährt hat. Am rücksichtslosesten aber nimmt
derjenige Staat, der Deutschland und Italien mit gemeinschaftlichen Fesseln an
das Mittelalter kettet, die katholische Sache in seine Hände.

In einem der letzten Hefte schrieb uns ein Wiener Korrespondent, der im
Uebrigen die Maßregeln seiner Regierung mit vieler Schärfe angriff, daß sie in
einem Puukt wenigstens zu loben sei: sie sei nicht bigott und lasse sich von der
Geistlichkeit nicht beherrschen. Einige Tage darauf kam uus die erste Nachricht
vou der Aufhebung des Meetmn r^imm, mit der Motivirung desselben von Seiten
der Bischöfe und der kaiserlichen Minister.

Der östreichische Staat ist immer gut katholisch gewesen, stets der mächtigste
Schirmherr der Kirche. Aber seit Maria Theresia ist es ihm nicht eingefallen,
sich der Kirche unterzuordnen; er hat sie gehegt und gepflegt, sie bereichert und
in allen weltlichen Angelegenheiten gefördert; er hat ihr die Schulen übergeben,
weil sie die Unterthanen zum Gehorsam erzog, er hat ihre Klöster beschützt und
vermehrt, er hat es sich sogar Mühe kosten lassen, Schriftsteller zu kaufen, die im
Protestantismus aufgewachsen waren, und die nun mit den Formen protestantischer
Gelehrsamkeit und protestantischer, Philosophie nachweise" mußten, es sei nichts
mit der Philosophie und der Gelehrsamkeit, und es gebe nur eine Macht auf
Erden, welche der himmlischen Weisheit theilhaftig sei, der Papst mit seineu Aposteln.

Aber wenn der Staat die Kirche beschützte und förderte, weil sie seinen
Zwecken diente, so gab er darum das Schwert und Scepter uicht aus der Hand.
Nur mit tiefen Seufzern und inneren Gewissenssernpeln gaben sich die Gläubigen
vom reinsten Wasser dazu her, ihm zu dienen, denn er ließ sie den Dienst fühlen.

Die Aushebnttg des zMecMm ro^wen hat dieser Knechtschaft der Kirche ein
Ende gemacht. Sie ist frei, und der Staat hat sein Haupt uuter ihren Fuß
gelegt. Sie faßt mit souveräner Machtvollkommenheit, ohne irgend eine Anflicht
von Seiten des Staats, ihre Beschlüsse, und der Staat gibt sich zum Schergen
dieser Beschlüsse her. Sie wird in ihrer Inquisition die Ketzer in den Bann
thun, und er wird die weltliche Polizei aufbieten, um diesem Bann Geltung zu
verschaffen, d. h. er wird sie entweder hängen, oder wenn dieses Mittel zu sehr
deu modernen 'Manieren widerstreben sollte, sie uuter die Soldaten stecken. --
Die Excommunication des Professor Smetaua in Prag ist der erste Vorläufer
der Ketzergerichte, die wir nun zu gewärtige" haben.


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fesseln, beugt sie sich vor der früher so verachteten Kirche in den Staub und gibt
ihre Jugend den Jesuiten in die Hände. An den Gehorsam soll die neue Geue-
ration gewöhnt werden, das ist die Hauptsache, wenn es auch durch die Lüge ge¬
schieht. Der Zweck heiligt die Mittel.

Der blutige König von Neapel, der Abscheu, aller Nationen, wird als der
frommste Sohn der Kirche begrüßt. Der Soldat, der Spanien mit seinem Säbel
in Ordnung gebracht hat, läßt ihn um der Kirche weihen, obgleich die Kirche
sich als der Todtseiud seiner Partei bewährt hat. Am rücksichtslosesten aber nimmt
derjenige Staat, der Deutschland und Italien mit gemeinschaftlichen Fesseln an
das Mittelalter kettet, die katholische Sache in seine Hände.

In einem der letzten Hefte schrieb uns ein Wiener Korrespondent, der im
Uebrigen die Maßregeln seiner Regierung mit vieler Schärfe angriff, daß sie in
einem Puukt wenigstens zu loben sei: sie sei nicht bigott und lasse sich von der
Geistlichkeit nicht beherrschen. Einige Tage darauf kam uus die erste Nachricht
vou der Aufhebung des Meetmn r^imm, mit der Motivirung desselben von Seiten
der Bischöfe und der kaiserlichen Minister.

Der östreichische Staat ist immer gut katholisch gewesen, stets der mächtigste
Schirmherr der Kirche. Aber seit Maria Theresia ist es ihm nicht eingefallen,
sich der Kirche unterzuordnen; er hat sie gehegt und gepflegt, sie bereichert und
in allen weltlichen Angelegenheiten gefördert; er hat ihr die Schulen übergeben,
weil sie die Unterthanen zum Gehorsam erzog, er hat ihre Klöster beschützt und
vermehrt, er hat es sich sogar Mühe kosten lassen, Schriftsteller zu kaufen, die im
Protestantismus aufgewachsen waren, und die nun mit den Formen protestantischer
Gelehrsamkeit und protestantischer, Philosophie nachweise» mußten, es sei nichts
mit der Philosophie und der Gelehrsamkeit, und es gebe nur eine Macht auf
Erden, welche der himmlischen Weisheit theilhaftig sei, der Papst mit seineu Aposteln.

Aber wenn der Staat die Kirche beschützte und förderte, weil sie seinen
Zwecken diente, so gab er darum das Schwert und Scepter uicht aus der Hand.
Nur mit tiefen Seufzern und inneren Gewissenssernpeln gaben sich die Gläubigen
vom reinsten Wasser dazu her, ihm zu dienen, denn er ließ sie den Dienst fühlen.

Die Aushebnttg des zMecMm ro^wen hat dieser Knechtschaft der Kirche ein
Ende gemacht. Sie ist frei, und der Staat hat sein Haupt uuter ihren Fuß
gelegt. Sie faßt mit souveräner Machtvollkommenheit, ohne irgend eine Anflicht
von Seiten des Staats, ihre Beschlüsse, und der Staat gibt sich zum Schergen
dieser Beschlüsse her. Sie wird in ihrer Inquisition die Ketzer in den Bann
thun, und er wird die weltliche Polizei aufbieten, um diesem Bann Geltung zu
verschaffen, d. h. er wird sie entweder hängen, oder wenn dieses Mittel zu sehr
deu modernen 'Manieren widerstreben sollte, sie uuter die Soldaten stecken. —
Die Excommunication des Professor Smetaua in Prag ist der erste Vorläufer
der Ketzergerichte, die wir nun zu gewärtige» haben.


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[0219] fesseln, beugt sie sich vor der früher so verachteten Kirche in den Staub und gibt ihre Jugend den Jesuiten in die Hände. An den Gehorsam soll die neue Geue- ration gewöhnt werden, das ist die Hauptsache, wenn es auch durch die Lüge ge¬ schieht. Der Zweck heiligt die Mittel. Der blutige König von Neapel, der Abscheu, aller Nationen, wird als der frommste Sohn der Kirche begrüßt. Der Soldat, der Spanien mit seinem Säbel in Ordnung gebracht hat, läßt ihn um der Kirche weihen, obgleich die Kirche sich als der Todtseiud seiner Partei bewährt hat. Am rücksichtslosesten aber nimmt derjenige Staat, der Deutschland und Italien mit gemeinschaftlichen Fesseln an das Mittelalter kettet, die katholische Sache in seine Hände. In einem der letzten Hefte schrieb uns ein Wiener Korrespondent, der im Uebrigen die Maßregeln seiner Regierung mit vieler Schärfe angriff, daß sie in einem Puukt wenigstens zu loben sei: sie sei nicht bigott und lasse sich von der Geistlichkeit nicht beherrschen. Einige Tage darauf kam uus die erste Nachricht vou der Aufhebung des Meetmn r^imm, mit der Motivirung desselben von Seiten der Bischöfe und der kaiserlichen Minister. Der östreichische Staat ist immer gut katholisch gewesen, stets der mächtigste Schirmherr der Kirche. Aber seit Maria Theresia ist es ihm nicht eingefallen, sich der Kirche unterzuordnen; er hat sie gehegt und gepflegt, sie bereichert und in allen weltlichen Angelegenheiten gefördert; er hat ihr die Schulen übergeben, weil sie die Unterthanen zum Gehorsam erzog, er hat ihre Klöster beschützt und vermehrt, er hat es sich sogar Mühe kosten lassen, Schriftsteller zu kaufen, die im Protestantismus aufgewachsen waren, und die nun mit den Formen protestantischer Gelehrsamkeit und protestantischer, Philosophie nachweise» mußten, es sei nichts mit der Philosophie und der Gelehrsamkeit, und es gebe nur eine Macht auf Erden, welche der himmlischen Weisheit theilhaftig sei, der Papst mit seineu Aposteln. Aber wenn der Staat die Kirche beschützte und förderte, weil sie seinen Zwecken diente, so gab er darum das Schwert und Scepter uicht aus der Hand. Nur mit tiefen Seufzern und inneren Gewissenssernpeln gaben sich die Gläubigen vom reinsten Wasser dazu her, ihm zu dienen, denn er ließ sie den Dienst fühlen. Die Aushebnttg des zMecMm ro^wen hat dieser Knechtschaft der Kirche ein Ende gemacht. Sie ist frei, und der Staat hat sein Haupt uuter ihren Fuß gelegt. Sie faßt mit souveräner Machtvollkommenheit, ohne irgend eine Anflicht von Seiten des Staats, ihre Beschlüsse, und der Staat gibt sich zum Schergen dieser Beschlüsse her. Sie wird in ihrer Inquisition die Ketzer in den Bann thun, und er wird die weltliche Polizei aufbieten, um diesem Bann Geltung zu verschaffen, d. h. er wird sie entweder hängen, oder wenn dieses Mittel zu sehr deu modernen 'Manieren widerstreben sollte, sie uuter die Soldaten stecken. — Die Excommunication des Professor Smetaua in Prag ist der erste Vorläufer der Ketzergerichte, die wir nun zu gewärtige» haben. 27*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/219>, abgerufen am 01.07.2024.