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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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llnweit Thorda liegt am ArauyoS, dem siebenbürgischen PaktoluS, ein an-
muthiges herrschaftliches Landgut. Jetzt ist das Herrenhaus zerstört, der
Wind pfeift dnrch die Säle, und im Erdgeschoße treiben sich Hasen herum.
Rings an das Haus zieht sich ein weiter Garten, gegen den Fluß hin reichlich
mit schattigen Bäumen, nützlichen und zur Zierde dienenden, geschmückt. Aus
einer Bank unter einer Akazie saßen Anfangs October zwei junge Leute
und plauderten vom Bergbau des Landes, von der Gegend und von den
Frauen. Der jüngere, ein großer schlanker Mann mit mächtigem Barte und
blitzenden, orientalisch geschlitzten Angen und frischen Wangen, war ein Ungar aus
Nagy Euyed, Bergmann seines Berufes, ein Gast des Andern, der einem
weit entfernten Volke angehörte und der Verfasser dieser Mittheilungen ist.

Endlich erhob sich der Bergmann und sagte: "Es will Abend werdeu, und
ich möchte heute noch Euyed erreiche", meine Braut begrüßen, und dann wie¬
der uach Zalathua zurückzukehren, und dort die Einrichtungen zu meiner Heirath
mit Ilona zu treffen. In zwei Wochen hole ich sie ab, und Sie, lieber Freund,
siud zur Hochzeit geladen."

"Wenn ich nicht vorher von den Walachen hier erschlagen werde, so will ich
kommen, und einmal Ihren alten Jgener Wein versuchen, vou dem Sie mir so¬
viel Preisliches gesagt haben." --

"Haben Sie kein anderes Hinderniß als die Walachen zu befürchten, so sehe
ich Sie schon im Geiste mit verklärten Augen eine Ode an meinen Jgener rich¬
ten. Die Bauern werden sich hüten, ehrliche Leute, die mit Doppelfliutcu und
Säbel umzugehen wissen, anzugreifen."

Ich schüttelte den Kops. "Die Lage des Landes ist gefährlich. Mau spricht
schon von Aufständen in den nördlichen Comitaten. In Kövar haben die Wa-
lachen die magyarischen Autoritäten verjagt. Gras Alexander T. hat mit Mühe
sein Leben auf der Flucht gerettet. Oberst Urban beruft alle Walachen deö
Greuzbezirks nach NaSzod, um ihm den Eid der Treue zu leisten, und mehre
Hundert Dörfer sollen bereits dorthin Abgeordnete gesendet haben. Denken Sie
an den Tag bei Lona hier in der Nähe, an die Erbitterung, die seit jenem Ge¬
fechte unter den Bauern der ganzen Gegenden herrscht. Sind wir doch hier
selbst nicht ganz sicher, trotz der Husaren in unserer Nähe. Alles deutet aus
allgemeinen bevorstehenden Aufstand, und ist mehr als bloße Unzufriedenheit."

"Wenn sie es wage", sich offen gegen den König und das Ministerium zu
empören, so werdeu einige Compagnien Freiwillige und etliche Schwadronen Hu¬
saren -- Sie haben ja selbst die Szekler eiuhauen gesehen -- hinreichen, um das
Gesindel auseinander zu jagen."


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llnweit Thorda liegt am ArauyoS, dem siebenbürgischen PaktoluS, ein an-
muthiges herrschaftliches Landgut. Jetzt ist das Herrenhaus zerstört, der
Wind pfeift dnrch die Säle, und im Erdgeschoße treiben sich Hasen herum.
Rings an das Haus zieht sich ein weiter Garten, gegen den Fluß hin reichlich
mit schattigen Bäumen, nützlichen und zur Zierde dienenden, geschmückt. Aus
einer Bank unter einer Akazie saßen Anfangs October zwei junge Leute
und plauderten vom Bergbau des Landes, von der Gegend und von den
Frauen. Der jüngere, ein großer schlanker Mann mit mächtigem Barte und
blitzenden, orientalisch geschlitzten Angen und frischen Wangen, war ein Ungar aus
Nagy Euyed, Bergmann seines Berufes, ein Gast des Andern, der einem
weit entfernten Volke angehörte und der Verfasser dieser Mittheilungen ist.

Endlich erhob sich der Bergmann und sagte: „Es will Abend werdeu, und
ich möchte heute noch Euyed erreiche», meine Braut begrüßen, und dann wie¬
der uach Zalathua zurückzukehren, und dort die Einrichtungen zu meiner Heirath
mit Ilona zu treffen. In zwei Wochen hole ich sie ab, und Sie, lieber Freund,
siud zur Hochzeit geladen."

„Wenn ich nicht vorher von den Walachen hier erschlagen werde, so will ich
kommen, und einmal Ihren alten Jgener Wein versuchen, vou dem Sie mir so¬
viel Preisliches gesagt haben." —

„Haben Sie kein anderes Hinderniß als die Walachen zu befürchten, so sehe
ich Sie schon im Geiste mit verklärten Augen eine Ode an meinen Jgener rich¬
ten. Die Bauern werden sich hüten, ehrliche Leute, die mit Doppelfliutcu und
Säbel umzugehen wissen, anzugreifen."

Ich schüttelte den Kops. „Die Lage des Landes ist gefährlich. Mau spricht
schon von Aufständen in den nördlichen Comitaten. In Kövar haben die Wa-
lachen die magyarischen Autoritäten verjagt. Gras Alexander T. hat mit Mühe
sein Leben auf der Flucht gerettet. Oberst Urban beruft alle Walachen deö
Greuzbezirks nach NaSzod, um ihm den Eid der Treue zu leisten, und mehre
Hundert Dörfer sollen bereits dorthin Abgeordnete gesendet haben. Denken Sie
an den Tag bei Lona hier in der Nähe, an die Erbitterung, die seit jenem Ge¬
fechte unter den Bauern der ganzen Gegenden herrscht. Sind wir doch hier
selbst nicht ganz sicher, trotz der Husaren in unserer Nähe. Alles deutet aus
allgemeinen bevorstehenden Aufstand, und ist mehr als bloße Unzufriedenheit."

„Wenn sie es wage», sich offen gegen den König und das Ministerium zu
empören, so werdeu einige Compagnien Freiwillige und etliche Schwadronen Hu¬
saren — Sie haben ja selbst die Szekler eiuhauen gesehen — hinreichen, um das
Gesindel auseinander zu jagen."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/199>, abgerufen am 22.07.2024.