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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Erfurt nicht, aber das nutzt bei einem solchen Feinde wenig. Die Hauptsache ist,
daß man ihnen die Schmach und den Hohn, die sie uns anzuthun suchen, zehnfach
ins Gesicht zurückschleudert. Wenn man aus der berühmten Rede, mit der Vincke
in Erfurt debütirt hat, einen gedrängten Auszug geben wollte, so würde er laute":
Ihr Lumpe! -- Das genügt. Die Rede hat eine viel größere Wirkung gemacht,
als selbst die Heinrichs von Magern, obgleich in der letzteren der Unterschied zwi¬
schen dem Neupreußischen Vuudesstaatsprvject und dein der Gothaer Partei viel
präciser und eleganter bestimmt war. Die Neupreußen wollen die Union, um in
den kleinen Staaten, die sich aus eigner Kraft gegen den Geist der Freiheit uicht
schlitzen können, mit eiserner Hand das System der heiligen Allianz, die Herrschaft
Oestreichs durchzuführen; sie betrachten die Union als dienstbar dem deutschen
Bunde. Wir wollen die Union als eine Verstärkung des freien Preußens, das
berufen ist, sich dem Knäuel jeuer siuuwidrigeu Verwickelung zu entreißen und der
Träger des nationalen Geistes zu werden. Das wissen aber Jene so gut als wir,
und wenn die Männer unserer Partei sich zuweilen den Anschein geben, als glaubte"
sie, wir ginge" i" unserem Ziel mit den Nadowitz und Manteuffel Hand in Hand,
so ist das nicht würdig, denn sie setzen sich eineni verächtlichen Dementi aus, das
sie nicht zurückweisen können.

Die Sache steht in Erfurt jetzt so, daß das Parlament erklärt, es wolle den
Bundesstaat um jeden Preis, die Fürsten mögen erkläre", was sie eigentlich wolle",
eS solle Alles angenommen werden. Die Organe der Fürsten antworten darauf:
was wir wollen, sagen wir euch nicht, wir wissen es auch selber noch nicht; vor
allen Dingen wollen wir nicht, daß ihr raisonnirt. -- An diesem Verhalten der
Fürsten, namentlich der preußischen Regierung, ist zum Theil freilich die -- --
Scheu Schuld, welche mau vor Ostreich, Baiern n. s. w. hat, die so weit gebt,
daß man sich von kleinen Staaten, wie Würtemberg und Hannover, ungestraft den
bittersten Höh" anthun läßt, zum Theil aber auch der Wunsch, die liberale Partei,
die sich doch für Preußen aufgeopfert hat, um jeden Preis zu demüthigen.

Für das erstere ist kein Heilmittel vorhanden. Muth läßt sich nicht äußerlich
einflößen. Aber dein zweite" entgehen wir, wenn a" unserer Spitze Mäuner stehe",
die diesen Namen verdiene", von denen man nicht sagen kann, wie Hamlet von sich:


^un Um" Ani Ulk'ion Mit! "n icsokuiou
1" "i^IUicxl. "'öl- >vUU >I>e erst ol' ilivugM.

Ob wir noch einmal in die Lage kommen, die wir im Sommer -48 verscherzt
haben, unsere Prineipie" als Leiter des S!aatcs durchzuführen; ob dann Vincke
der Man" sei" wird, der dieser Aufgabe gewachst" ist, läßt sich noch nicht voraus¬
sagen. So lange wir aber uns in der Nothwendigkeit befinde", de" Unwürdig-
keiten uuserer siegreichen Feinde im ungleichen Kampfe zu begegnen, können wir
keinen bessern Führer finden.




Erfurt nicht, aber das nutzt bei einem solchen Feinde wenig. Die Hauptsache ist,
daß man ihnen die Schmach und den Hohn, die sie uns anzuthun suchen, zehnfach
ins Gesicht zurückschleudert. Wenn man aus der berühmten Rede, mit der Vincke
in Erfurt debütirt hat, einen gedrängten Auszug geben wollte, so würde er laute»:
Ihr Lumpe! — Das genügt. Die Rede hat eine viel größere Wirkung gemacht,
als selbst die Heinrichs von Magern, obgleich in der letzteren der Unterschied zwi¬
schen dem Neupreußischen Vuudesstaatsprvject und dein der Gothaer Partei viel
präciser und eleganter bestimmt war. Die Neupreußen wollen die Union, um in
den kleinen Staaten, die sich aus eigner Kraft gegen den Geist der Freiheit uicht
schlitzen können, mit eiserner Hand das System der heiligen Allianz, die Herrschaft
Oestreichs durchzuführen; sie betrachten die Union als dienstbar dem deutschen
Bunde. Wir wollen die Union als eine Verstärkung des freien Preußens, das
berufen ist, sich dem Knäuel jeuer siuuwidrigeu Verwickelung zu entreißen und der
Träger des nationalen Geistes zu werden. Das wissen aber Jene so gut als wir,
und wenn die Männer unserer Partei sich zuweilen den Anschein geben, als glaubte»
sie, wir ginge» i» unserem Ziel mit den Nadowitz und Manteuffel Hand in Hand,
so ist das nicht würdig, denn sie setzen sich eineni verächtlichen Dementi aus, das
sie nicht zurückweisen können.

Die Sache steht in Erfurt jetzt so, daß das Parlament erklärt, es wolle den
Bundesstaat um jeden Preis, die Fürsten mögen erkläre», was sie eigentlich wolle»,
eS solle Alles angenommen werden. Die Organe der Fürsten antworten darauf:
was wir wollen, sagen wir euch nicht, wir wissen es auch selber noch nicht; vor
allen Dingen wollen wir nicht, daß ihr raisonnirt. — An diesem Verhalten der
Fürsten, namentlich der preußischen Regierung, ist zum Theil freilich die — —
Scheu Schuld, welche mau vor Ostreich, Baiern n. s. w. hat, die so weit gebt,
daß man sich von kleinen Staaten, wie Würtemberg und Hannover, ungestraft den
bittersten Höh» anthun läßt, zum Theil aber auch der Wunsch, die liberale Partei,
die sich doch für Preußen aufgeopfert hat, um jeden Preis zu demüthigen.

Für das erstere ist kein Heilmittel vorhanden. Muth läßt sich nicht äußerlich
einflößen. Aber dein zweite» entgehen wir, wenn a» unserer Spitze Mäuner stehe»,
die diesen Namen verdiene», von denen man nicht sagen kann, wie Hamlet von sich:


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Ob wir noch einmal in die Lage kommen, die wir im Sommer -48 verscherzt
haben, unsere Prineipie» als Leiter des S!aatcs durchzuführen; ob dann Vincke
der Man» sei» wird, der dieser Aufgabe gewachst» ist, läßt sich noch nicht voraus¬
sagen. So lange wir aber uns in der Nothwendigkeit befinde», de» Unwürdig-
keiten uuserer siegreichen Feinde im ungleichen Kampfe zu begegnen, können wir
keinen bessern Führer finden.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/183>, abgerufen am 01.07.2024.