Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.nur verfälscht zu selner Kunde gelangen konnten. Der Hauptgrund lag aber in Nach allem Recht ist die Staatserbfolge in Schleswig und Holstein nach den Die dem Schleswig-Holsteinischen Volke nach dem Grundgesetze von 1460 Mit dem offenen Brief war also eine schwere Rechtsverletzung eingetreten. nur verfälscht zu selner Kunde gelangen konnten. Der Hauptgrund lag aber in Nach allem Recht ist die Staatserbfolge in Schleswig und Holstein nach den Die dem Schleswig-Holsteinischen Volke nach dem Grundgesetze von 1460 Mit dem offenen Brief war also eine schwere Rechtsverletzung eingetreten. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0098" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279646"/> <p xml:id="ID_318" prev="#ID_317"> nur verfälscht zu selner Kunde gelangen konnten. Der Hauptgrund lag aber in<lb/> dem Mangel einer guten Schleswig-Holsteinischen Landesverfassung; denn die alte<lb/> Landesverfassung von 1460 war in Verfall und Vergessenheit gerathen, eine neue<lb/> nicht an ihre Stelle getreten. Daher war schon lange der Wunsch des Landes<lb/> laut geworden, daß eine neue Landesverfassung eingeführt, namentlich eine Tren-<lb/> nung der Schleswig-Holsteinischen Staatskasse von der dänischen in's Werk gesetzt<lb/> werden möge. Aber alle Bitten und Beschwerden, welche in dieser Beziehung von<lb/> den Landständen vorgetragen worden waren, ohne Erfolg blieben.</p><lb/> <p xml:id="ID_319"> Nach allem Recht ist die Staatserbfolge in Schleswig und Holstein nach den<lb/> hier geltenden Gesetzen von der Erbfolge in dem Königreiche Dänemark verschie¬<lb/> den. König Christian VIII. erklärte auf den Wunsch der Dänen in dem offenen<lb/> Briefe vom 8. Juli 1846, daß das dänische Erbfolgerecht anch in Schleswig<lb/> gelten solle, und daß er sich bemühen werde, dieselbe Erbfolge anch in Holstein<lb/> zur Geltung zu . bringen. Darin lag der Versuch eines schweren Unrechts gegen<lb/> die Herzogthümer, denn ein Landesherr, wie mächtig und unbeschränkt er sei, kann<lb/> nicht einseitig und willkürlich die Erbfolge abändern.</p><lb/> <p xml:id="ID_320"> Die dem Schleswig-Holsteinischen Volke nach dem Grundgesetze von 1460<lb/> zustehenden Rechte sind in vielfacher Hinsicht von den Landesherren verletzt wor¬<lb/> den; doch habe» alle Landesherren nach ihrem Regierungsantritte diese Rechte<lb/> bestätigt. Das Hauptrecht des Landes, das Recht auf feste und unzer-<lb/> trennliche Vereinigung beider Herzogtümer ist aber bis zum Jahre<lb/> 1848 unangefochten geblieben, von allen Landesherren heilig gehalten worden.<lb/> Diese Vereinigung ist in allen Verhältnissen des Landes auf das Deutlichste aus¬<lb/> geprägt. Der Landesherr nennt sich König von Dänemark, Herzog von<lb/> Schleswig-Holstein. Die Gesetzgebung für Schleswig-Holstein ist von<lb/> der des Königreichs getrennt geblieben. An der Spitze der Verwaltung in<lb/> den Herzogtümern standen der Statthalter und die Schleswig-Holstei¬<lb/> nische Regierung. Schleswig und Holstein haben einen gemeinschaftlichen<lb/> höchsten Gerichtshof in Kiel. In Kiel ist eine Schleswig-Holsteinische Landes¬<lb/> universität, ein Schleswig-Holsteinisches Sanitätscollegium; hier hält<lb/> die Schleswig-Holsteinische Ritterschaft ihre Versammlungen. Schleswig-Hol¬<lb/> stein hat sein eigenes von Dänemark gänzlich getrenntes Zollwesen. Die bei¬<lb/> den Herzogthümer sind so fest an einander gewachsen, daß eine Trennung dersel¬<lb/> ben jedes Herzogthum tödtlich verletzen würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_321"> Mit dem offenen Brief war also eine schwere Rechtsverletzung eingetreten.<lb/> Dennoch kündigten die Schleswig-Holsteiner ihrem Landesherrn die Treue nicht<lb/> aus, haben sich uicht von ihm losgesagt; weil sie annahmen, daß Friedrich VII<lb/> nicht freiwillig , sondern nur von den Dänen gezwungen, sein Wort und seine<lb/> Verpflichtung gebrochen; daher wurde der Krieg nur gegen Dänemark gerichtet,<lb/> nicht gegen Friedrich VII., als Herzog von Schleswig und Holstein.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0098]
nur verfälscht zu selner Kunde gelangen konnten. Der Hauptgrund lag aber in
dem Mangel einer guten Schleswig-Holsteinischen Landesverfassung; denn die alte
Landesverfassung von 1460 war in Verfall und Vergessenheit gerathen, eine neue
nicht an ihre Stelle getreten. Daher war schon lange der Wunsch des Landes
laut geworden, daß eine neue Landesverfassung eingeführt, namentlich eine Tren-
nung der Schleswig-Holsteinischen Staatskasse von der dänischen in's Werk gesetzt
werden möge. Aber alle Bitten und Beschwerden, welche in dieser Beziehung von
den Landständen vorgetragen worden waren, ohne Erfolg blieben.
Nach allem Recht ist die Staatserbfolge in Schleswig und Holstein nach den
hier geltenden Gesetzen von der Erbfolge in dem Königreiche Dänemark verschie¬
den. König Christian VIII. erklärte auf den Wunsch der Dänen in dem offenen
Briefe vom 8. Juli 1846, daß das dänische Erbfolgerecht anch in Schleswig
gelten solle, und daß er sich bemühen werde, dieselbe Erbfolge anch in Holstein
zur Geltung zu . bringen. Darin lag der Versuch eines schweren Unrechts gegen
die Herzogthümer, denn ein Landesherr, wie mächtig und unbeschränkt er sei, kann
nicht einseitig und willkürlich die Erbfolge abändern.
Die dem Schleswig-Holsteinischen Volke nach dem Grundgesetze von 1460
zustehenden Rechte sind in vielfacher Hinsicht von den Landesherren verletzt wor¬
den; doch habe» alle Landesherren nach ihrem Regierungsantritte diese Rechte
bestätigt. Das Hauptrecht des Landes, das Recht auf feste und unzer-
trennliche Vereinigung beider Herzogtümer ist aber bis zum Jahre
1848 unangefochten geblieben, von allen Landesherren heilig gehalten worden.
Diese Vereinigung ist in allen Verhältnissen des Landes auf das Deutlichste aus¬
geprägt. Der Landesherr nennt sich König von Dänemark, Herzog von
Schleswig-Holstein. Die Gesetzgebung für Schleswig-Holstein ist von
der des Königreichs getrennt geblieben. An der Spitze der Verwaltung in
den Herzogtümern standen der Statthalter und die Schleswig-Holstei¬
nische Regierung. Schleswig und Holstein haben einen gemeinschaftlichen
höchsten Gerichtshof in Kiel. In Kiel ist eine Schleswig-Holsteinische Landes¬
universität, ein Schleswig-Holsteinisches Sanitätscollegium; hier hält
die Schleswig-Holsteinische Ritterschaft ihre Versammlungen. Schleswig-Hol¬
stein hat sein eigenes von Dänemark gänzlich getrenntes Zollwesen. Die bei¬
den Herzogthümer sind so fest an einander gewachsen, daß eine Trennung dersel¬
ben jedes Herzogthum tödtlich verletzen würde.
Mit dem offenen Brief war also eine schwere Rechtsverletzung eingetreten.
Dennoch kündigten die Schleswig-Holsteiner ihrem Landesherrn die Treue nicht
aus, haben sich uicht von ihm losgesagt; weil sie annahmen, daß Friedrich VII
nicht freiwillig , sondern nur von den Dänen gezwungen, sein Wort und seine
Verpflichtung gebrochen; daher wurde der Krieg nur gegen Dänemark gerichtet,
nicht gegen Friedrich VII., als Herzog von Schleswig und Holstein.
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