Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.mit seinem Blut seine Ueberzeugung besiegelte. Viele Sachsen stehen zunächst in Aber trotzdem daß in Bern, der Stadt, allein jetzt nahe an 600 Exilirte mit seinem Blut seine Ueberzeugung besiegelte. Viele Sachsen stehen zunächst in Aber trotzdem daß in Bern, der Stadt, allein jetzt nahe an 600 Exilirte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0075" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279623"/> <p xml:id="ID_239" prev="#ID_238"> mit seinem Blut seine Ueberzeugung besiegelte. Viele Sachsen stehen zunächst in<lb/> einer Gruppe beisammen; darunter Hansner, Reinhardt, und der Posener Schrift¬<lb/> setzer Born, welcher den Andern die Deutsche Allgemeine, nicht ohne kräftige Rand¬<lb/> glossen vorliest. Auch Eichfeld, Willich, Fickler, Werner, Thielemann, Löwen¬<lb/> fels, Doll, Reff, und eine Menge anderer Revolutionöhelden sind täglich im Cas«<lb/> Milano zu finden. Aber diese unschuldigen Kläffer intereisiren uns weniger, als<lb/> ein Paar, welches abgesondert an einem Marmortisch beim Kaffee sitzt. Das ist<lb/> der Oberst Blenker mit seiner Fran; er ein großer, stattlicher, bärtiger Mann,<lb/> mit strengen Zügen, sie nicht minder kräftig und männlich. Beide sind jetzt ein¬<lb/> fach bürgerlich gekleidet, aber die Zeit liegt gar nicht fern, wo der „Oberst" im<lb/> idealen Frcischaarcostüm, die schwarzrvthgolde Schärpe breit umgethan, neben seiner<lb/> Frau einherflog, die in Mannskleidern, den demokratischen FederlM auf den<lb/> Zöpfen, gleich ihm aus requirirtem, — gestohlenen wenn Sie wollen, Pferde saß.<lb/> Und gar wohl erinnere ich mich wiederum im Hotel de Pologne der guten Stadt<lb/> Leipzig den Herrn Weinreisenden Blenker aus Worms gesehen zu haben. Damals<lb/> war er weder Oberst noch Demokrat, sondern freute sich außerordentlich, wenn<lb/> die gesinnungslosen Aristokraten eine Viertelohm Liebfrauenmilch oder Oppenheimer<lb/> Goldberg bei ihm bestellten, und sein Costüm war das allbekannte, abenteuerlich<lb/> moderne aller Gesandten „von verschiedenen Häusern." Neben dem heldenmütigen<lb/> Ehepaar sitzt dessen Adjutant, Herr Faßbender, ans Dürkheim, ein langer Enaks-<lb/> sohn vom Hardtgebirg, der den vielen dummen Streichen seines Lebens endlich<lb/> die Krone aufgesetzt hat und jetzt gar trübselig an die kurze Lust des Adjutanten-<lb/> thums und das lauge Leid der Verbannung von den Fleischtöpfen der gesegneten<lb/> Pfalz nachdenkt. Hätten wir das im Voraus gewußt! das ist der Refrain aller<lb/> lauten und leisen Phantasten der deutschen Flüchtlinge. — tu voulu,<lb/> KeorAv Diuiclin!</p><lb/> <p xml:id="ID_240" next="#ID_241"> Aber trotzdem daß in Bern, der Stadt, allein jetzt nahe an 600 Exilirte<lb/> wohnen, ist das noch bei Weitem nicht das Gros der flüchtigen Armeen. Auch<lb/> sind die gefürchtetsten Häuptlinge nicht unter Jenen. Lassen Sie uns einen Herbst--<lb/> ciusflug nach den ewig schönen und entzückenden Gestaden des Lemar unterneh¬<lb/> men. Wir durchwandern die reiche Waal, in Lausanne erblicken wir zum ersten¬<lb/> mal den glänzenden Spiegel des piemivr lap ein morale und darüber hinweg die<lb/> weißen Firsten des Montblanc. Am Ufer des Hafens von Ouchy wandelt ein<lb/> Mann einher mit verschränkten Armen; sein braunes Gesicht ist von wilden,<lb/> schwarzgrauen Ringellocken umflogen, er beißt fortwährend auf den Bart der Un¬<lb/> terlippe und seine runden Augen rollen wild in ihren Höhlen. Aus dem Kopf<lb/> trägt er den Calabreser, am Leib einen verschossenen Sammetrock und weite<lb/> Schifferhosen. Nadel ihm nicht, dem Manne des Unglücks, der Alles, was er<lb/> unternimmt, dem Verderben entgegenführt, der Alle, welche sich ihm jemals ange¬<lb/> schlossen, in den Abgrund gestürzt; nahet ihm nicht —- es ist Giuseppe Mazzini,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0075]
mit seinem Blut seine Ueberzeugung besiegelte. Viele Sachsen stehen zunächst in
einer Gruppe beisammen; darunter Hansner, Reinhardt, und der Posener Schrift¬
setzer Born, welcher den Andern die Deutsche Allgemeine, nicht ohne kräftige Rand¬
glossen vorliest. Auch Eichfeld, Willich, Fickler, Werner, Thielemann, Löwen¬
fels, Doll, Reff, und eine Menge anderer Revolutionöhelden sind täglich im Cas«
Milano zu finden. Aber diese unschuldigen Kläffer intereisiren uns weniger, als
ein Paar, welches abgesondert an einem Marmortisch beim Kaffee sitzt. Das ist
der Oberst Blenker mit seiner Fran; er ein großer, stattlicher, bärtiger Mann,
mit strengen Zügen, sie nicht minder kräftig und männlich. Beide sind jetzt ein¬
fach bürgerlich gekleidet, aber die Zeit liegt gar nicht fern, wo der „Oberst" im
idealen Frcischaarcostüm, die schwarzrvthgolde Schärpe breit umgethan, neben seiner
Frau einherflog, die in Mannskleidern, den demokratischen FederlM auf den
Zöpfen, gleich ihm aus requirirtem, — gestohlenen wenn Sie wollen, Pferde saß.
Und gar wohl erinnere ich mich wiederum im Hotel de Pologne der guten Stadt
Leipzig den Herrn Weinreisenden Blenker aus Worms gesehen zu haben. Damals
war er weder Oberst noch Demokrat, sondern freute sich außerordentlich, wenn
die gesinnungslosen Aristokraten eine Viertelohm Liebfrauenmilch oder Oppenheimer
Goldberg bei ihm bestellten, und sein Costüm war das allbekannte, abenteuerlich
moderne aller Gesandten „von verschiedenen Häusern." Neben dem heldenmütigen
Ehepaar sitzt dessen Adjutant, Herr Faßbender, ans Dürkheim, ein langer Enaks-
sohn vom Hardtgebirg, der den vielen dummen Streichen seines Lebens endlich
die Krone aufgesetzt hat und jetzt gar trübselig an die kurze Lust des Adjutanten-
thums und das lauge Leid der Verbannung von den Fleischtöpfen der gesegneten
Pfalz nachdenkt. Hätten wir das im Voraus gewußt! das ist der Refrain aller
lauten und leisen Phantasten der deutschen Flüchtlinge. — tu voulu,
KeorAv Diuiclin!
Aber trotzdem daß in Bern, der Stadt, allein jetzt nahe an 600 Exilirte
wohnen, ist das noch bei Weitem nicht das Gros der flüchtigen Armeen. Auch
sind die gefürchtetsten Häuptlinge nicht unter Jenen. Lassen Sie uns einen Herbst--
ciusflug nach den ewig schönen und entzückenden Gestaden des Lemar unterneh¬
men. Wir durchwandern die reiche Waal, in Lausanne erblicken wir zum ersten¬
mal den glänzenden Spiegel des piemivr lap ein morale und darüber hinweg die
weißen Firsten des Montblanc. Am Ufer des Hafens von Ouchy wandelt ein
Mann einher mit verschränkten Armen; sein braunes Gesicht ist von wilden,
schwarzgrauen Ringellocken umflogen, er beißt fortwährend auf den Bart der Un¬
terlippe und seine runden Augen rollen wild in ihren Höhlen. Aus dem Kopf
trägt er den Calabreser, am Leib einen verschossenen Sammetrock und weite
Schifferhosen. Nadel ihm nicht, dem Manne des Unglücks, der Alles, was er
unternimmt, dem Verderben entgegenführt, der Alle, welche sich ihm jemals ange¬
schlossen, in den Abgrund gestürzt; nahet ihm nicht —- es ist Giuseppe Mazzini,
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