Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.ein Gefühl, wofür das östreichische Gouvernement freilich kein Verständniß hat, Die sonstigen Ereignisse des verflossenen Monats sind kaum von Bedeutung. ^Mlzbvtm. IV. 1349. !"
ein Gefühl, wofür das östreichische Gouvernement freilich kein Verständniß hat, Die sonstigen Ereignisse des verflossenen Monats sind kaum von Bedeutung. ^Mlzbvtm. IV. 1349. !»
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ein Gefühl, wofür das östreichische Gouvernement freilich kein Verständniß hat,
dagegen hat es wieder Gelegenheit, drohende Noten zu schicken. — Gegen Preu¬
ßen haben sich diese Noten bereits in Bajonnette verwandelt, die man an der
böhmischen Grenze unter Commando des Erzherzog Albrecht ausstellt, der im März
1848 Feuer gegen das Volk commandirte. Die Politik des Fürsten Schwarzen¬
berg gegen Deutschland erinnert allzusehr an die komischen Darsteller in den Kuust-
bude»; sie schwingen die Arme, sie puhsten in die Hände, sie heben das eine
Bein, sie machen tausend Gesten--und bringen es doch nicht zu einer Aus¬
führung oder pnrzeln auf der andern Seite des Pferdes herab. Was man nicht
will, wurde oft wiederholt, und die im verflossenen Monate publicirten Aktenstücke
sind östreichisch-bairische Negationen gegen preußische volksverleugnende Oberhaupts-
octroyirung. Der ehemalige deutsche Reichs- und nunmehrige Justizminister
Schmerling hat dem Fürsten Schwarzenberg den Wahn genommen, daß die deutsche
Revolution ein Werk demokratischer Lumpen und kommunistischer Diebe sei, und
er denkt bereits an eine definitive Entscheidung. Ein Entwurf ist in der Arbeit,
der dem Dreikönigsentwnrs ein dreihäuptiges Deutschland entgegenstellt, und zur
Unterstützung dieser Idee wird das Armeecorps in Böhmen mobil gemacht. Einen
Krieg wagt Oestreich nicht, das die eigene Provinz nur mit Beistand der Kosaken
bewältigen konnte, und dessen gekränkie Nationen nicht beruhigt und beschwichtigt
find. Die Zusammenkunft der Fürsten in Toplitz, wobei wahrscheinlich die Ver¬
mählung des Kaisers mit einer sächsischen Prinzessin besprochen wurde, hat auf
den Tang der Politik keinen Einfluß geübt; vou der Reise nach Pillnitz aber wur¬
den die Minister erst in der Nacht unterrichtet, ohne daß Einer den Kaiser be¬
gleiten durfte. Vielleicht daß am Namenstag des Monarchen (4. October) die
Verlobung gefeiert, und zugleich die ersehnte Amnestie für politische Vergehen er¬
theilt wird. So spät auch diese käme, so würde sie doch hinlänglich das Volk
gewinnen, um entschieden Front gegen Preußen zu machen, dessen Regierung und
Kammern den ganzen vollen Haß der deutschen Oestreicher auf sich luden. Man
benutzt diese Stimmung gegen ein Land, welches sonst in Humanität und Intel¬
ligenz als Muster dargestellt wurde! —
Die sonstigen Ereignisse des verflossenen Monats sind kaum von Bedeutung.
Man hat wenige gehenkt und erschossen, Einige geprügelt, Frauen gepeischt und
sehr viele in den Kerker geschickt, darunter Bischöfe, Pastoren und Rabbiner. Un¬
garische Magnaten und Honveds wurden als Gemeine rekrutirt, und Juden müssen
gemeindeweise Strafen zahlen. — In Wien werden die Generäle fttirt, besonders
Radetzky. Bei dem Gastmahl, das der Gemeinderath (das Couvert 20 Fi. C.--M.)
Zu Ehren des Helden veranstaltete, erschien keiner der katholischen Würdenträger,
weil es an einem Fasttage stattfand. Der Wiener Witz aber sagte: „wo Haynau
'se, kann nicht Milde sein." (Der Erzbischof von Wien heißt Milde.)
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