Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Bildung und Interessen ein seinem Nationalwesen eigen werden, und er wird sich
sicherlich dem Adel, von dem er sich als Diener losgerissen, als Genosse an¬
schließen.




Mouatsrechmmg für Wien.



Vom März bis September 1848 war die Erhebung Oestreichs eine unblu¬
tige; die ersten Opfer auf dem Hos in Wien sind mehr dem ungeahnten Schau¬
spiel zuzuschreiben und die Revolution in Italien kann man so wenig der östrei¬
chischen Erhebung zuschreiben, so wenig dieses Land trotz glorreichen Siegen zu
Oestreich gehört. Erst im October 1848 begann die blutige Revolution mit einer
Schandthat der erhitzten führerlosen Masse, und hente lM.) schließen wir den letz¬
ten Monat dieses verhängnißvollen Jahres. Komorn ist der Schlußpunkt des
schauerlichen Dramas, welche Festung, während diese Zeilen gedruckt werden, den
kaiserlichen Truppen die Thore öffnet und die schwarzgelbe Fahne aus ihre Thürme
aufpflanzen läßt.

Ueberblicken wir was sich in den letzten vier Wochen im großen Kaiserstaate
ereignete.

Die Thätigkeit der Regierung muß anerkannt werden. Die Minister sitzen
lange nach Mitternacht noch in ihren Bureaux, und namentlich Bach gönnt sich
kaum vier Stunden Ruhe, um wieder an den Schreibtisch zu eilen. Die Geschäfte
drängen. Das große weite Reich ist in seinem Verwaltuugsbau erschüttert wor¬
den, und jeder Stein der gerückt, macht das Gerölle nachfallen. Das Cabinet
ist (und dazu hat die deutsche Presse nicht wenig beigetragen) zu der Ueberzeugung
gekommen, daß uicht Alles gut gethan ist, was es thut, und daß hinter den Ber¬
gen der Aktenstücke auch Menschen sind, die einen Staat zu organisiren verstehen.
Das östreichische Ministerium! bereut schon Manches, worauf es noch vor kurzem
stolz und herrisch pochte, ja es sieht sich sogar schon um, seine frühern Freunde
und Lobredner in guter Manier loszuwerden.

Die Thätigkeit des Ministeriums äußerte sich im verflossene" Monate in einem
Fiuanzpatente, in mehrern Erlassen über Nobvtentschädiguug und Grundentla¬
stung, in einer provisorischen Verfügung zur Bildung der Preßjnry, in einem
Entwurf für den Unterricht in den Gymnasien, in einem neuen Postregulativ nach
englischem System und mehrern minderwichtigen Edicten.

Die Preßjury ist ein verkümmertes Institut, da Schmerling die Wahl der
Geschworenen aus der Urliste in die Hände des betreffenden Kreishauptmanns


Bildung und Interessen ein seinem Nationalwesen eigen werden, und er wird sich
sicherlich dem Adel, von dem er sich als Diener losgerissen, als Genosse an¬
schließen.




Mouatsrechmmg für Wien.



Vom März bis September 1848 war die Erhebung Oestreichs eine unblu¬
tige; die ersten Opfer auf dem Hos in Wien sind mehr dem ungeahnten Schau¬
spiel zuzuschreiben und die Revolution in Italien kann man so wenig der östrei¬
chischen Erhebung zuschreiben, so wenig dieses Land trotz glorreichen Siegen zu
Oestreich gehört. Erst im October 1848 begann die blutige Revolution mit einer
Schandthat der erhitzten führerlosen Masse, und hente lM.) schließen wir den letz¬
ten Monat dieses verhängnißvollen Jahres. Komorn ist der Schlußpunkt des
schauerlichen Dramas, welche Festung, während diese Zeilen gedruckt werden, den
kaiserlichen Truppen die Thore öffnet und die schwarzgelbe Fahne aus ihre Thürme
aufpflanzen läßt.

Ueberblicken wir was sich in den letzten vier Wochen im großen Kaiserstaate
ereignete.

Die Thätigkeit der Regierung muß anerkannt werden. Die Minister sitzen
lange nach Mitternacht noch in ihren Bureaux, und namentlich Bach gönnt sich
kaum vier Stunden Ruhe, um wieder an den Schreibtisch zu eilen. Die Geschäfte
drängen. Das große weite Reich ist in seinem Verwaltuugsbau erschüttert wor¬
den, und jeder Stein der gerückt, macht das Gerölle nachfallen. Das Cabinet
ist (und dazu hat die deutsche Presse nicht wenig beigetragen) zu der Ueberzeugung
gekommen, daß uicht Alles gut gethan ist, was es thut, und daß hinter den Ber¬
gen der Aktenstücke auch Menschen sind, die einen Staat zu organisiren verstehen.
Das östreichische Ministerium! bereut schon Manches, worauf es noch vor kurzem
stolz und herrisch pochte, ja es sieht sich sogar schon um, seine frühern Freunde
und Lobredner in guter Manier loszuwerden.

Die Thätigkeit des Ministeriums äußerte sich im verflossene» Monate in einem
Fiuanzpatente, in mehrern Erlassen über Nobvtentschädiguug und Grundentla¬
stung, in einer provisorischen Verfügung zur Bildung der Preßjnry, in einem
Entwurf für den Unterricht in den Gymnasien, in einem neuen Postregulativ nach
englischem System und mehrern minderwichtigen Edicten.

Die Preßjury ist ein verkümmertes Institut, da Schmerling die Wahl der
Geschworenen aus der Urliste in die Hände des betreffenden Kreishauptmanns


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0066" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279614"/>
          <p xml:id="ID_213" prev="#ID_212"> Bildung und Interessen ein seinem Nationalwesen eigen werden, und er wird sich<lb/>
sicherlich dem Adel, von dem er sich als Diener losgerissen, als Genosse an¬<lb/>
schließen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Mouatsrechmmg für Wien.<lb/></head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_214"> Vom März bis September 1848 war die Erhebung Oestreichs eine unblu¬<lb/>
tige; die ersten Opfer auf dem Hos in Wien sind mehr dem ungeahnten Schau¬<lb/>
spiel zuzuschreiben und die Revolution in Italien kann man so wenig der östrei¬<lb/>
chischen Erhebung zuschreiben, so wenig dieses Land trotz glorreichen Siegen zu<lb/>
Oestreich gehört. Erst im October 1848 begann die blutige Revolution mit einer<lb/>
Schandthat der erhitzten führerlosen Masse, und hente lM.) schließen wir den letz¬<lb/>
ten Monat dieses verhängnißvollen Jahres. Komorn ist der Schlußpunkt des<lb/>
schauerlichen Dramas, welche Festung, während diese Zeilen gedruckt werden, den<lb/>
kaiserlichen Truppen die Thore öffnet und die schwarzgelbe Fahne aus ihre Thürme<lb/>
aufpflanzen läßt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_215"> Ueberblicken wir was sich in den letzten vier Wochen im großen Kaiserstaate<lb/>
ereignete.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_216"> Die Thätigkeit der Regierung muß anerkannt werden. Die Minister sitzen<lb/>
lange nach Mitternacht noch in ihren Bureaux, und namentlich Bach gönnt sich<lb/>
kaum vier Stunden Ruhe, um wieder an den Schreibtisch zu eilen. Die Geschäfte<lb/>
drängen. Das große weite Reich ist in seinem Verwaltuugsbau erschüttert wor¬<lb/>
den, und jeder Stein der gerückt, macht das Gerölle nachfallen. Das Cabinet<lb/>
ist (und dazu hat die deutsche Presse nicht wenig beigetragen) zu der Ueberzeugung<lb/>
gekommen, daß uicht Alles gut gethan ist, was es thut, und daß hinter den Ber¬<lb/>
gen der Aktenstücke auch Menschen sind, die einen Staat zu organisiren verstehen.<lb/>
Das östreichische Ministerium! bereut schon Manches, worauf es noch vor kurzem<lb/>
stolz und herrisch pochte, ja es sieht sich sogar schon um, seine frühern Freunde<lb/>
und Lobredner in guter Manier loszuwerden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_217"> Die Thätigkeit des Ministeriums äußerte sich im verflossene» Monate in einem<lb/>
Fiuanzpatente, in mehrern Erlassen über Nobvtentschädiguug und Grundentla¬<lb/>
stung, in einer provisorischen Verfügung zur Bildung der Preßjnry, in einem<lb/>
Entwurf für den Unterricht in den Gymnasien, in einem neuen Postregulativ nach<lb/>
englischem System und mehrern minderwichtigen Edicten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_218" next="#ID_219"> Die Preßjury ist ein verkümmertes Institut, da Schmerling die Wahl der<lb/>
Geschworenen aus der Urliste in die Hände des betreffenden Kreishauptmanns</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0066] Bildung und Interessen ein seinem Nationalwesen eigen werden, und er wird sich sicherlich dem Adel, von dem er sich als Diener losgerissen, als Genosse an¬ schließen. Mouatsrechmmg für Wien. Vom März bis September 1848 war die Erhebung Oestreichs eine unblu¬ tige; die ersten Opfer auf dem Hos in Wien sind mehr dem ungeahnten Schau¬ spiel zuzuschreiben und die Revolution in Italien kann man so wenig der östrei¬ chischen Erhebung zuschreiben, so wenig dieses Land trotz glorreichen Siegen zu Oestreich gehört. Erst im October 1848 begann die blutige Revolution mit einer Schandthat der erhitzten führerlosen Masse, und hente lM.) schließen wir den letz¬ ten Monat dieses verhängnißvollen Jahres. Komorn ist der Schlußpunkt des schauerlichen Dramas, welche Festung, während diese Zeilen gedruckt werden, den kaiserlichen Truppen die Thore öffnet und die schwarzgelbe Fahne aus ihre Thürme aufpflanzen läßt. Ueberblicken wir was sich in den letzten vier Wochen im großen Kaiserstaate ereignete. Die Thätigkeit der Regierung muß anerkannt werden. Die Minister sitzen lange nach Mitternacht noch in ihren Bureaux, und namentlich Bach gönnt sich kaum vier Stunden Ruhe, um wieder an den Schreibtisch zu eilen. Die Geschäfte drängen. Das große weite Reich ist in seinem Verwaltuugsbau erschüttert wor¬ den, und jeder Stein der gerückt, macht das Gerölle nachfallen. Das Cabinet ist (und dazu hat die deutsche Presse nicht wenig beigetragen) zu der Ueberzeugung gekommen, daß uicht Alles gut gethan ist, was es thut, und daß hinter den Ber¬ gen der Aktenstücke auch Menschen sind, die einen Staat zu organisiren verstehen. Das östreichische Ministerium! bereut schon Manches, worauf es noch vor kurzem stolz und herrisch pochte, ja es sieht sich sogar schon um, seine frühern Freunde und Lobredner in guter Manier loszuwerden. Die Thätigkeit des Ministeriums äußerte sich im verflossene» Monate in einem Fiuanzpatente, in mehrern Erlassen über Nobvtentschädiguug und Grundentla¬ stung, in einer provisorischen Verfügung zur Bildung der Preßjnry, in einem Entwurf für den Unterricht in den Gymnasien, in einem neuen Postregulativ nach englischem System und mehrern minderwichtigen Edicten. Die Preßjury ist ein verkümmertes Institut, da Schmerling die Wahl der Geschworenen aus der Urliste in die Hände des betreffenden Kreishauptmanns

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/66
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/66>, abgerufen am 15.01.2025.