Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.hier ein ähnlicher Wahn. Ein frommer Antiquar wollte mir nachweisen, daß Während meiner Abwesenheit ist Oestreich auferstanden, mühsam, wie ein Die Gnade, welche Rußland aus Schlauheit dem Nachbar predigt, übt es Jetzt, Ihr Herren Minister, kommt Ihr aus die Prüsuugsbank. Ihr habt Von einem zukünftigen Reichstag wird noch nicht einmal geflüstert. Die hier ein ähnlicher Wahn. Ein frommer Antiquar wollte mir nachweisen, daß Während meiner Abwesenheit ist Oestreich auferstanden, mühsam, wie ein Die Gnade, welche Rußland aus Schlauheit dem Nachbar predigt, übt es Jetzt, Ihr Herren Minister, kommt Ihr aus die Prüsuugsbank. Ihr habt Von einem zukünftigen Reichstag wird noch nicht einmal geflüstert. Die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0056" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279604"/> <p xml:id="ID_174" prev="#ID_173"> hier ein ähnlicher Wahn. Ein frommer Antiquar wollte mir nachweisen, daß<lb/> diesen Unglücklichen das Himmelreich gehört, daß sie die östreichischen Autochthonen<lb/> und Urvorbildcr des gutgesinnten Unterthanen find. Alles andere Volk sei eine<lb/> degenerirte Abart.</p><lb/> <p xml:id="ID_175"> Während meiner Abwesenheit ist Oestreich auferstanden, mühsam, wie ein<lb/> schwerbeladenes, gestürztes Roß. Seine Recvnvalescentenmiene ist traurig genug.<lb/> Es ist hohe Zeit, daß der militärische Eerberus wieder an die Kette gelegt werde.<lb/> Aber in Ungarn blasen, nach gestillten Aufruhr, die Kriegsgerichte fortwährend<lb/> in die glimmende Asche. Da wird „zum Ersatz des durch die Rebellion verur¬<lb/> sachten Schadens" ein armer Teufel zum Strang, dort einer nicht nur zu Pulver<lb/> und Blei, sondern auch seine Familie zur „Vermögensconfiscatiou" verurtheilt,<lb/> während hohe Herren, kraft der Gleichheit vor dem Gesetz, sich mit jährlichen<lb/> 100,000 Fi. loskaufen oder ein paar Jahre Festung bekommen. Der Minister<lb/> der Justiz ist entweder ohnmächtig oder unaufrichtig. Im erstem Fall müßte er<lb/> so viel Ehrgefühl haben, zurückzutreten, im letztern wird er den Feinden Oestreichs<lb/> Gelegenheit geben, zu sagen: Oestreich hat sich im Kampfe schwächer und nach dein<lb/> Kampf unmenschlicher gezeigt als Rußland.</p><lb/> <p xml:id="ID_176"> Die Gnade, welche Rußland aus Schlauheit dem Nachbar predigt, übt es<lb/> nicht im eignen Hanse. Das wissen wir wohl. Aber Nußland gleicht in diesem<lb/> Fall dem Pfaffen, dessen Lehren man beherzigen soll, ohne auf seine Thaten<lb/> zu sehen. —</p><lb/> <p xml:id="ID_177"> Jetzt, Ihr Herren Minister, kommt Ihr aus die Prüsuugsbank. Ihr habt<lb/> Euer Wort zu lösen und der Welt zu zeigen, daß ein starkes und freies Oestreich<lb/> keine hohle Phrase ist. Ihr zwinkert mit den Neigen und lächelt? Ich weiß, die<lb/> Integrität der Monarchie ist Euch Hauptsache, die Freiheit Nebensache. Den<lb/> Italienern z. B. mögt Ihr keine freien Institutionen gewähren, weil sie daraus<lb/> eine Waffe gegen die Monarchie machen könnten? Oder nicht eher, als bis<lb/> sie Beweise ihrer loyalsten Begeisterung für das Haus Habsburg geliefert haben?<lb/> (Siehe Lloyd.) Einer von den alten Zirkelschlüssen, aus denen man nicht zur<lb/> Emancipation der Juden, nicht zur Preßfreiheit, nicht zur Oeffentlichkeit, wohl<lb/> aber zur Revolution kam. Freie Institutionen sind keine Prämien sür gute Auf¬<lb/> führung, sondern eine Schuld, die mau auch dem persönlichen Feind bezahlen<lb/> muß; es sind keine Orden und Auszeichnungen, sondern wie das tägliche Brot,<lb/> das erste Bedürfniß eines kulturfähigen Volkes. Wohin würde die Verkennung<lb/> dieser Wahrheit in Polen, Ungarn und Böhmen führen! Mau müßte zuletzt den<lb/> rothen und weißen Ultras beistimmen und sagen: Der aufrichtige Oestreicher ist<lb/> konsequenter Weise Absolutist!</p><lb/> <p xml:id="ID_178" next="#ID_179"> Von einem zukünftigen Reichstag wird noch nicht einmal geflüstert. Die<lb/> neuen Gerichtsbehörden werden auf das Ende des Jahres 18S0 versprochen. Nur<lb/> öffentliche Preßgerichte stehen vor der Thüre, aber — die Geschwornenlisten werden</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0056]
hier ein ähnlicher Wahn. Ein frommer Antiquar wollte mir nachweisen, daß
diesen Unglücklichen das Himmelreich gehört, daß sie die östreichischen Autochthonen
und Urvorbildcr des gutgesinnten Unterthanen find. Alles andere Volk sei eine
degenerirte Abart.
Während meiner Abwesenheit ist Oestreich auferstanden, mühsam, wie ein
schwerbeladenes, gestürztes Roß. Seine Recvnvalescentenmiene ist traurig genug.
Es ist hohe Zeit, daß der militärische Eerberus wieder an die Kette gelegt werde.
Aber in Ungarn blasen, nach gestillten Aufruhr, die Kriegsgerichte fortwährend
in die glimmende Asche. Da wird „zum Ersatz des durch die Rebellion verur¬
sachten Schadens" ein armer Teufel zum Strang, dort einer nicht nur zu Pulver
und Blei, sondern auch seine Familie zur „Vermögensconfiscatiou" verurtheilt,
während hohe Herren, kraft der Gleichheit vor dem Gesetz, sich mit jährlichen
100,000 Fi. loskaufen oder ein paar Jahre Festung bekommen. Der Minister
der Justiz ist entweder ohnmächtig oder unaufrichtig. Im erstem Fall müßte er
so viel Ehrgefühl haben, zurückzutreten, im letztern wird er den Feinden Oestreichs
Gelegenheit geben, zu sagen: Oestreich hat sich im Kampfe schwächer und nach dein
Kampf unmenschlicher gezeigt als Rußland.
Die Gnade, welche Rußland aus Schlauheit dem Nachbar predigt, übt es
nicht im eignen Hanse. Das wissen wir wohl. Aber Nußland gleicht in diesem
Fall dem Pfaffen, dessen Lehren man beherzigen soll, ohne auf seine Thaten
zu sehen. —
Jetzt, Ihr Herren Minister, kommt Ihr aus die Prüsuugsbank. Ihr habt
Euer Wort zu lösen und der Welt zu zeigen, daß ein starkes und freies Oestreich
keine hohle Phrase ist. Ihr zwinkert mit den Neigen und lächelt? Ich weiß, die
Integrität der Monarchie ist Euch Hauptsache, die Freiheit Nebensache. Den
Italienern z. B. mögt Ihr keine freien Institutionen gewähren, weil sie daraus
eine Waffe gegen die Monarchie machen könnten? Oder nicht eher, als bis
sie Beweise ihrer loyalsten Begeisterung für das Haus Habsburg geliefert haben?
(Siehe Lloyd.) Einer von den alten Zirkelschlüssen, aus denen man nicht zur
Emancipation der Juden, nicht zur Preßfreiheit, nicht zur Oeffentlichkeit, wohl
aber zur Revolution kam. Freie Institutionen sind keine Prämien sür gute Auf¬
führung, sondern eine Schuld, die mau auch dem persönlichen Feind bezahlen
muß; es sind keine Orden und Auszeichnungen, sondern wie das tägliche Brot,
das erste Bedürfniß eines kulturfähigen Volkes. Wohin würde die Verkennung
dieser Wahrheit in Polen, Ungarn und Böhmen führen! Mau müßte zuletzt den
rothen und weißen Ultras beistimmen und sagen: Der aufrichtige Oestreicher ist
konsequenter Weise Absolutist!
Von einem zukünftigen Reichstag wird noch nicht einmal geflüstert. Die
neuen Gerichtsbehörden werden auf das Ende des Jahres 18S0 versprochen. Nur
öffentliche Preßgerichte stehen vor der Thüre, aber — die Geschwornenlisten werden
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