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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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D"it'M, so glaubt er, es gebe in der ganzen Welt kein Heil außerhalb der Weis¬
et der Di-half und die ganze Kunst der Politik bestehe darin, über alle mög¬
lichen Zustände und Verhältnisse mit denselben glatten Phrasen hinüberzuschlüpfen,
wie es dieses Journal thut.

Er ist stets über die Absichten der Regierung vollkommen beruhigt, er be¬
greift nicht, wie eine gewisse Partei Mißtrauen gegen dieselbe hegen könne, er
hat immer Geduld, er will nie die Regierung gedrängt wissen, er begreift nicht,
wozu man Oppvsitionsblätter braucht, er sieht nicht ein, zu welchem Zwecke
Fragen, welche der Regierung Verlegenheiten bereiten können, angeregt werden
sollen, -- und wenn vielleicht in einem unbewachten Augenblicke irgend ein Zweifel
auftaucht, so geht er sogleich oder wenn dies nicht angeht, am nächsten Morgen
zu den Münstern, läßt sich von Bach die Hand schütteln, von Schwarzenberg auf
die Achseln klopfen und ist dann über die Intentionen der Negierung, über ihre
wahrhaft constitutionelle Gesinnung sogleich wieder beruhigt. Er ist kein Reac-
tionär, denn um die Reaction zu fördern, ist ein kräftiges entschiedenes Wollen
nothwendig, -- wenn aber die Reaction an einem schönen Morgen in einer Reihe
von Ordonnanzen die Zurücknahme der Verfassung und der Grundrechte ausspre¬
chen würde, so erschiene am Tage darauf in "der östreichischen Neichszeitung" ein
Artikel, worin die Nothwendigkeit dieses Schrittes von einem höheren politischen
Standpunkte aus nachgewiesen und versichert würde, "daß gar kein Anlaß vorhan¬
den'sei, über die Folgen dieses von einer gebieterischen Nothwendigkeit geforder¬
ten Schrittes von Besorgnissen irgend welcher Art sich erfüllen zu lassen."

Eine solche Persönlichkeit mußte nothwendiger Weise der Regierung als Re¬
dacteur eines gouvernementalen Blattes vorzüglich geeignet scheinen. Die ehrliche
Haudegeupolitik des "Lloyd", welcher bisher als Anwalt des Ministeriums gegol-
ten hatte, der für, dasselbe kämpfte und rang, sich begeisterte und in natürliche
oder künstliche Gemüthsanfwallungcn versetzte, der für das Ministerium die Logik
verleugnete und die constitutionellen Prinzipien und Geschichtsdatcn verdrehte, der
in heroischer Selbstaufopferung sich sogar sür das Ministerium lächerlich machte,
war demselben viel zu offen und frei und mußte bei einem solchen Handgemenge
viel zu oft Blöße" geben, die die oppositionelle Partei in ihrer Weise benützte. Da
war so eine biegsame elastische Schreibweise, bei der die Worte wie eine Gallerte
zerflossen, wenn man sie anfassen wollte, die ungeheuer viel sagte, ohne dabei das
Mindeste gesagt zu haben, die Alles in Bausch und Bogen vertheidigte, sogar die
Maßregeln des Militärregimeutö, wozu sich der Lloyd nie verstanden hatte, ohne
bei dieser Vertheidigung irgend etwas Positives hinzustellen, woran sich die Geg¬
ner halten konnten, viel erwünschter und zuträglicher, besonders da eine Anzahl
von Geldmännern, die mit dem Ministerium in immerwährender Verbindung stan¬
den, die Mittel dazu herzugeben bereit war.

Das Blatt erschien. Alles hatte man berechnet, nur das Eine nicht, daß


D«it'M, so glaubt er, es gebe in der ganzen Welt kein Heil außerhalb der Weis¬
et der Di-half und die ganze Kunst der Politik bestehe darin, über alle mög¬
lichen Zustände und Verhältnisse mit denselben glatten Phrasen hinüberzuschlüpfen,
wie es dieses Journal thut.

Er ist stets über die Absichten der Regierung vollkommen beruhigt, er be¬
greift nicht, wie eine gewisse Partei Mißtrauen gegen dieselbe hegen könne, er
hat immer Geduld, er will nie die Regierung gedrängt wissen, er begreift nicht,
wozu man Oppvsitionsblätter braucht, er sieht nicht ein, zu welchem Zwecke
Fragen, welche der Regierung Verlegenheiten bereiten können, angeregt werden
sollen, — und wenn vielleicht in einem unbewachten Augenblicke irgend ein Zweifel
auftaucht, so geht er sogleich oder wenn dies nicht angeht, am nächsten Morgen
zu den Münstern, läßt sich von Bach die Hand schütteln, von Schwarzenberg auf
die Achseln klopfen und ist dann über die Intentionen der Negierung, über ihre
wahrhaft constitutionelle Gesinnung sogleich wieder beruhigt. Er ist kein Reac-
tionär, denn um die Reaction zu fördern, ist ein kräftiges entschiedenes Wollen
nothwendig, — wenn aber die Reaction an einem schönen Morgen in einer Reihe
von Ordonnanzen die Zurücknahme der Verfassung und der Grundrechte ausspre¬
chen würde, so erschiene am Tage darauf in „der östreichischen Neichszeitung" ein
Artikel, worin die Nothwendigkeit dieses Schrittes von einem höheren politischen
Standpunkte aus nachgewiesen und versichert würde, „daß gar kein Anlaß vorhan¬
den'sei, über die Folgen dieses von einer gebieterischen Nothwendigkeit geforder¬
ten Schrittes von Besorgnissen irgend welcher Art sich erfüllen zu lassen."

Eine solche Persönlichkeit mußte nothwendiger Weise der Regierung als Re¬
dacteur eines gouvernementalen Blattes vorzüglich geeignet scheinen. Die ehrliche
Haudegeupolitik des „Lloyd", welcher bisher als Anwalt des Ministeriums gegol-
ten hatte, der für, dasselbe kämpfte und rang, sich begeisterte und in natürliche
oder künstliche Gemüthsanfwallungcn versetzte, der für das Ministerium die Logik
verleugnete und die constitutionellen Prinzipien und Geschichtsdatcn verdrehte, der
in heroischer Selbstaufopferung sich sogar sür das Ministerium lächerlich machte,
war demselben viel zu offen und frei und mußte bei einem solchen Handgemenge
viel zu oft Blöße» geben, die die oppositionelle Partei in ihrer Weise benützte. Da
war so eine biegsame elastische Schreibweise, bei der die Worte wie eine Gallerte
zerflossen, wenn man sie anfassen wollte, die ungeheuer viel sagte, ohne dabei das
Mindeste gesagt zu haben, die Alles in Bausch und Bogen vertheidigte, sogar die
Maßregeln des Militärregimeutö, wozu sich der Lloyd nie verstanden hatte, ohne
bei dieser Vertheidigung irgend etwas Positives hinzustellen, woran sich die Geg¬
ner halten konnten, viel erwünschter und zuträglicher, besonders da eine Anzahl
von Geldmännern, die mit dem Ministerium in immerwährender Verbindung stan¬
den, die Mittel dazu herzugeben bereit war.

Das Blatt erschien. Alles hatte man berechnet, nur das Eine nicht, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/513>, abgerufen am 15.01.2025.