Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.men find, und wo sich das Thermometer allerhöchstens bis zu 16 ° R. erhebt, In jenen Gegenden der Starrheit und des ewigen Todes brachten Sir Ja¬ Ende Juli hatte Capitän Roß Uperuadik verlassen. Er fuhr nun die Nord- Während dieser Zeit nun, wo der "Enterprise" und der "Jnvestigator" gänz¬ men find, und wo sich das Thermometer allerhöchstens bis zu 16 ° R. erhebt, In jenen Gegenden der Starrheit und des ewigen Todes brachten Sir Ja¬ Ende Juli hatte Capitän Roß Uperuadik verlassen. Er fuhr nun die Nord- Während dieser Zeit nun, wo der „Enterprise" und der „Jnvestigator" gänz¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0466" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280014"/> <p xml:id="ID_1628" prev="#ID_1627"> men find, und wo sich das Thermometer allerhöchstens bis zu 16 ° R. erhebt,<lb/> sind euch wieder verbittert durch zahlreiche Schwärme von Musquitos, welche<lb/> kommen, wer weiß woher? „Stand des Thermometers — 45 ° F." (-— 34 ° R,),<lb/> — „mit Ausnahme einer grauen Seemöwe sahen wir heute kein ladendes Wesen"<lb/> — so heißt es in den Tagebüchern, welche dort die Schiffer führen. Das ist das<lb/> glückliche Land, wo es keine Regierung gibt, weil Nichts zu regieren da ist; wo<lb/> die absoluteste Gleichheit herrscht, weil das wenige dort Geborene, was sich Mensch<lb/> nennt, auf derselbe» Stufe der Elendigkeit sich befindet, es ist das Land der Güterge¬<lb/> meinschaft, der Demokratie in ihren äußersten Konsequenzen der Eskimos. Was<lb/> alle Nichtcskimos fühlen, wenn sie genöthigt sind, dort für eine längere Zeit sich<lb/> auszuhalten, ist eine tödtliche Langeweile, hervorgerufen durch die Wechsellvsigkeit<lb/> der Dinge und der Ereignisse.</p><lb/> <p xml:id="ID_1629"> In jenen Gegenden der Starrheit und des ewigen Todes brachten Sir Ja¬<lb/> mes Roß und seine Mannschaft mehr als ein Jahr hin. Er war bei seiner Ab¬<lb/> reise von England mit Allem versehen, ,was zur Ueberwindung der Mühseligkeiten<lb/> einer Ueberwinterung in der kalten Zone förderlich ist, und mit Lebensmitteln für<lb/> 1000 Tage — was man allerdings nicht für überflüssig finden wird, wenn man<lb/> bedenkt, daß die Reisenden darauf gefaßt sein mußten, zwei, drei Jahre lang vom<lb/> Eise nicht loskommen zu können, und daß in diesem gegenwärtigen Falle ja auch<lb/> für die Mannschaften der beiden vermißten Schiffe zu sorgen war.</p><lb/> <p xml:id="ID_1630"> Ende Juli hatte Capitän Roß Uperuadik verlassen. Er fuhr nun die Nord-<lb/> küste des Festlandes von Amerika entlang gegen Westen, passtrte die Barrows-<lb/> straße und gelangte in die westlichen Gewässer, die gänzlich eisfrei waren; dagegen<lb/> fand er die südlich von der Barrowsstraße liegende Prince-Regents-Einfahrt<lb/> vom Eise verstopft. Am 11. September erreichte er Cap Leopold, das zum Ver-<lb/> einigungspunkte der beiden Schiffe bestimmt war; er hatte den Plan, nach statt¬<lb/> gehabter Vereinigung mit dem „Enterprise" die Fahrt nach Westen fortzusetzen,<lb/> allein das Eis vermehrte sich nnn in dem Grade, daß man diesen Plan aufgeben<lb/> mußte. Mau schickte sich an, in dieser Gegend zu überwintern; am 14. war be¬<lb/> reits der Hafen völlig eingefroren. Die beiden Schiffe, die in einer Entfernung<lb/> von 200 Mrds (600 Fuß) von einander entfernt lagen, wurden nnn, wie in diesem<lb/> Falle üblich ist, vom Vordercastell bis zum Besanmaste überdacht; ein 7 Fuß hoher<lb/> Schneedamm wurde von dem einen zu dem andern geführt; für jedes wurde eine<lb/> magnetische Warte gebaut: die Mauer von Schnee, die Fenster von Eis, Wasser<lb/> diente als Mörtel und ersetzte zugleich das Eisen, welches bei dem Bau der mag¬<lb/> netischen Warten uicht in Anwendung kommen darf. So vorbereitet erwartete<lb/> man die lange Nacht; am 9. November verschwand die Sonne, um erst nach einer<lb/> dreimonatlichen Abwesenheit zurückzukehren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1631" next="#ID_1632"> Während dieser Zeit nun, wo der „Enterprise" und der „Jnvestigator" gänz¬<lb/> lich entfernt waren von der lebenden Welt und abgesondert von der Menschheit,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0466]
men find, und wo sich das Thermometer allerhöchstens bis zu 16 ° R. erhebt,
sind euch wieder verbittert durch zahlreiche Schwärme von Musquitos, welche
kommen, wer weiß woher? „Stand des Thermometers — 45 ° F." (-— 34 ° R,),
— „mit Ausnahme einer grauen Seemöwe sahen wir heute kein ladendes Wesen"
— so heißt es in den Tagebüchern, welche dort die Schiffer führen. Das ist das
glückliche Land, wo es keine Regierung gibt, weil Nichts zu regieren da ist; wo
die absoluteste Gleichheit herrscht, weil das wenige dort Geborene, was sich Mensch
nennt, auf derselbe» Stufe der Elendigkeit sich befindet, es ist das Land der Güterge¬
meinschaft, der Demokratie in ihren äußersten Konsequenzen der Eskimos. Was
alle Nichtcskimos fühlen, wenn sie genöthigt sind, dort für eine längere Zeit sich
auszuhalten, ist eine tödtliche Langeweile, hervorgerufen durch die Wechsellvsigkeit
der Dinge und der Ereignisse.
In jenen Gegenden der Starrheit und des ewigen Todes brachten Sir Ja¬
mes Roß und seine Mannschaft mehr als ein Jahr hin. Er war bei seiner Ab¬
reise von England mit Allem versehen, ,was zur Ueberwindung der Mühseligkeiten
einer Ueberwinterung in der kalten Zone förderlich ist, und mit Lebensmitteln für
1000 Tage — was man allerdings nicht für überflüssig finden wird, wenn man
bedenkt, daß die Reisenden darauf gefaßt sein mußten, zwei, drei Jahre lang vom
Eise nicht loskommen zu können, und daß in diesem gegenwärtigen Falle ja auch
für die Mannschaften der beiden vermißten Schiffe zu sorgen war.
Ende Juli hatte Capitän Roß Uperuadik verlassen. Er fuhr nun die Nord-
küste des Festlandes von Amerika entlang gegen Westen, passtrte die Barrows-
straße und gelangte in die westlichen Gewässer, die gänzlich eisfrei waren; dagegen
fand er die südlich von der Barrowsstraße liegende Prince-Regents-Einfahrt
vom Eise verstopft. Am 11. September erreichte er Cap Leopold, das zum Ver-
einigungspunkte der beiden Schiffe bestimmt war; er hatte den Plan, nach statt¬
gehabter Vereinigung mit dem „Enterprise" die Fahrt nach Westen fortzusetzen,
allein das Eis vermehrte sich nnn in dem Grade, daß man diesen Plan aufgeben
mußte. Mau schickte sich an, in dieser Gegend zu überwintern; am 14. war be¬
reits der Hafen völlig eingefroren. Die beiden Schiffe, die in einer Entfernung
von 200 Mrds (600 Fuß) von einander entfernt lagen, wurden nnn, wie in diesem
Falle üblich ist, vom Vordercastell bis zum Besanmaste überdacht; ein 7 Fuß hoher
Schneedamm wurde von dem einen zu dem andern geführt; für jedes wurde eine
magnetische Warte gebaut: die Mauer von Schnee, die Fenster von Eis, Wasser
diente als Mörtel und ersetzte zugleich das Eisen, welches bei dem Bau der mag¬
netischen Warten uicht in Anwendung kommen darf. So vorbereitet erwartete
man die lange Nacht; am 9. November verschwand die Sonne, um erst nach einer
dreimonatlichen Abwesenheit zurückzukehren.
Während dieser Zeit nun, wo der „Enterprise" und der „Jnvestigator" gänz¬
lich entfernt waren von der lebenden Welt und abgesondert von der Menschheit,
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