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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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liebe die Botanik. Ich gehe gern in's Theater, denn Schiller war einer unserer
ersten Geister. General, bah! Als General bin ich Nichts, als Schriftsteller aber
werde ich fortleben! --

Zu diesem Glück möchte ich dem Manne gern verhelfen. So groß seine lite¬
rarischen Verdienste sind, so kann ich doch nicht unerwähnt lassen, daß er einen Vor¬
gänger und Bahnbrecher an Windischgrätz besaß. Dieser Fürst, welcher gleich den
meisten östreichischen Kavalieren geläufig französisch spricht, gab seine Gesinnug ge¬
gen Deutschland gleich im October zu erkennen. Als er mit seinen Heerschaaren
von Prag ausbrach, erließ er ein Manifest, welches eine furchtbare Reaction ge¬
gen die traditionelle Grammatik und Syntax, und die Oktroyirnng einer ganz
unerhörten^ neuen östreichischen Sprache bereits dunkel vorahnen ließ. Der Fürst,
hieß es, werde die Wiener "Unordnungen" abstellen, welche es den Volksver¬
tretern unmöglich machen, "die Gesetze auszuarbeiten und (zugleich) das Eigen¬
thum zu schützen." Wenn man diese Worte mit pantomimischer Begleitung liest,
erräth man die eigentliche Meinung des Verfassers. Der Feldherr ging von der
Vorstellung aus, daß im östreichischen Reichstage Diebe und Räuber mit Säbeln
und Flinten den Mitgliedern auflauern, so daß diese sich gern die Taschen halten
möchten, während sie doch gezwungen sind, mit beiden Händen an der Constitu-
tion zu schneidern. Die Eroberung der Residenz wurde durch den Telegraphen
nach Olmütz mit den Worten gemeldet: "Wien ist belegt!" Bekannt ist das De-
kret des Fürsten, welches jedem Soldaten vom Feldwebel abwärts für das "zu
Stande bringen eines Hochverräthers" die Prämie von 25 Fi. C.-M. verhieß.
Also dem Hochverräther den Galgen und seinem Vater 25 Fi. C.-M. Es wurde
anfangs so verstanden und erregte, namentlich unter den galizischen Regimenter",
denen die Phrase wörtlich übersetzt wurde, eine barbarische Freude. Die Natur¬
söhne aus der Bukowina und Ruthenier hielten jeden Wiener Säugling für einen ge¬
borenen Hochverräter.

Leider mußte Windischgrätz seine literarische Thätigkeit bald aufgeben. Noch
einige Mal ertönte seine Stimme aus Ungarn zu uns herüber, dann hüllte er
sich stolz in die Schießpulverwolken seines Ruhmes und zog sich wie Cincinnatus
auf seine Güter zurück. Die Wiener Zeitung jedoch blühte und gedieh, die neu¬
erfundene Sprache machte durch Weiden's Eiser große Fortschritte und wurde in
mehreren gutgesinnten Blättchen, von denen ich ein Paar später zeichnen werde,
mit dem glücklichen Erfolge angebaut.

Melden trat Mitte November seinen hiesigen Gonverneursposte" in der Rolle
des polternden Alten, des Ifflandischen Hausvaters an und galt allgemein für
einen echt "deutsch" gesinnten, groben, aber um so ehrlichem und, so weit seine
Stellung es erlaubte, liberale" Biedermann. Wodurch er später in einen andern
Ruf kam, gehört nicht in dieses Kapitel, welches lediglich Melden als Schrift¬
steller schildern soll. Sein Fleiß war bewundernswerth. Abgesehen von den un-


liebe die Botanik. Ich gehe gern in's Theater, denn Schiller war einer unserer
ersten Geister. General, bah! Als General bin ich Nichts, als Schriftsteller aber
werde ich fortleben! —

Zu diesem Glück möchte ich dem Manne gern verhelfen. So groß seine lite¬
rarischen Verdienste sind, so kann ich doch nicht unerwähnt lassen, daß er einen Vor¬
gänger und Bahnbrecher an Windischgrätz besaß. Dieser Fürst, welcher gleich den
meisten östreichischen Kavalieren geläufig französisch spricht, gab seine Gesinnug ge¬
gen Deutschland gleich im October zu erkennen. Als er mit seinen Heerschaaren
von Prag ausbrach, erließ er ein Manifest, welches eine furchtbare Reaction ge¬
gen die traditionelle Grammatik und Syntax, und die Oktroyirnng einer ganz
unerhörten^ neuen östreichischen Sprache bereits dunkel vorahnen ließ. Der Fürst,
hieß es, werde die Wiener „Unordnungen" abstellen, welche es den Volksver¬
tretern unmöglich machen, „die Gesetze auszuarbeiten und (zugleich) das Eigen¬
thum zu schützen." Wenn man diese Worte mit pantomimischer Begleitung liest,
erräth man die eigentliche Meinung des Verfassers. Der Feldherr ging von der
Vorstellung aus, daß im östreichischen Reichstage Diebe und Räuber mit Säbeln
und Flinten den Mitgliedern auflauern, so daß diese sich gern die Taschen halten
möchten, während sie doch gezwungen sind, mit beiden Händen an der Constitu-
tion zu schneidern. Die Eroberung der Residenz wurde durch den Telegraphen
nach Olmütz mit den Worten gemeldet: „Wien ist belegt!" Bekannt ist das De-
kret des Fürsten, welches jedem Soldaten vom Feldwebel abwärts für das „zu
Stande bringen eines Hochverräthers" die Prämie von 25 Fi. C.-M. verhieß.
Also dem Hochverräther den Galgen und seinem Vater 25 Fi. C.-M. Es wurde
anfangs so verstanden und erregte, namentlich unter den galizischen Regimenter»,
denen die Phrase wörtlich übersetzt wurde, eine barbarische Freude. Die Natur¬
söhne aus der Bukowina und Ruthenier hielten jeden Wiener Säugling für einen ge¬
borenen Hochverräter.

Leider mußte Windischgrätz seine literarische Thätigkeit bald aufgeben. Noch
einige Mal ertönte seine Stimme aus Ungarn zu uns herüber, dann hüllte er
sich stolz in die Schießpulverwolken seines Ruhmes und zog sich wie Cincinnatus
auf seine Güter zurück. Die Wiener Zeitung jedoch blühte und gedieh, die neu¬
erfundene Sprache machte durch Weiden's Eiser große Fortschritte und wurde in
mehreren gutgesinnten Blättchen, von denen ich ein Paar später zeichnen werde,
mit dem glücklichen Erfolge angebaut.

Melden trat Mitte November seinen hiesigen Gonverneursposte» in der Rolle
des polternden Alten, des Ifflandischen Hausvaters an und galt allgemein für
einen echt „deutsch" gesinnten, groben, aber um so ehrlichem und, so weit seine
Stellung es erlaubte, liberale» Biedermann. Wodurch er später in einen andern
Ruf kam, gehört nicht in dieses Kapitel, welches lediglich Melden als Schrift¬
steller schildern soll. Sein Fleiß war bewundernswerth. Abgesehen von den un-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/434>, abgerufen am 15.01.2025.