Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.l,er, die gutmüthige Selbsttäuschung in den nicht offiziellen Blättern suchen, in l,er, die gutmüthige Selbsttäuschung in den nicht offiziellen Blättern suchen, in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0429" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279977"/> <p xml:id="ID_1507" prev="#ID_1506" next="#ID_1508"> l,er, die gutmüthige Selbsttäuschung in den nicht offiziellen Blättern suchen, in<lb/> dem Klapperwerk ccmstitutionell klingender Einrichtungen, mit denen das Mini¬<lb/> sterium tagtäglich sich und andere betäubt. Das sind Formen, Die Form aber<lb/> kann als Gesetz uur dann die Umgränzung der Willkür sein, wenn eine größere<lb/> Macht hinter ihr steht als hinter dieser. Für die Willkür, die regiert, sind alle<lb/> jene Gesetze Theaterfesseln, die sie zerreißt, so oft es paßt. So schlimm es in<lb/> Oestreich steht, das Gute seines russisch-florentinischen Regiments liegt nicht in<lb/> seiner constitutionellen Lüge, sondern in dem, was wahr an ihm ist, in seiner<lb/> Barschheit, Schonungslosigkeit, Gewaltsamkeit. Das hatten wir nöthig. Gestehen<lb/> wir'ö! als die Freiheit zu uns kam, vermochte sie uicht zu bleiben, so ungeber-<lb/> dig waren wir gegeneinander und gegen sie. Jetzt liegt so Manches hinter uns,<lb/> was uns mit ihr Jahrelang verwirrt hätte. Um nun von dem nächsten, dem<lb/> verworrensten zu reden, von den Nationalitäten, wem summt nicht noch der Kopf<lb/> von all dem Lärmen und Streiten! Welche Forderungen, welche Unmöglich¬<lb/> keiten standen sich gegenüber. Das einige Deutschland, die Solidarität der Sla¬<lb/> ven, das alte Magyarenreich mit seinen Annexen. Und wenn's nur der Streit<lb/> gewesen wäre, wenn die zersetzende Kraft dieses Princip's nicht immer neue Theile<lb/> gelöst hätte, von deu Ländergruppen in die Landestheile, Bezirke, hinein, bis in<lb/> die einzelnen Ortschaften. Ein paar Federstriche des Ministeriums und die Na¬<lb/> tionalitäten haben ihre festen Ränder. Es brauchte keine Kunst dazu, aber der<lb/> Mensch sügt sich oft schnell in das Nothwendige, mit dem er in freier Discussion<lb/> lange nicht fertig geworden wäre. Und so müssen die Meisten einsehen, daß für<lb/> eine nationelle Breccie wie Oestreich keine andere Eintheilung möglich ist, als die<lb/> nach der vorwaltenden Substanz. Wenn die Völker einst zu eignem Handeln kom¬<lb/> men, brauchen sie sich die jetzigen Terretorialgrenzen nur als Basis zu garantiren.<lb/> Und daß sich einzelnes schnell verbessern läßt, das ist keine Tröstung. Nicht an¬<lb/> ders steht es mit der Herrschaft der deutschen Sprache, mit der Germani-<lb/> sirung Oestreichs. Oestreich, mit Ausschluß Italiens, ist bestimmt, ein deutsch-<lb/> redendcr, wenn auch nicht deutscher Staat zu werden; aber es ging damit, wie<lb/> mit allen Dingen, die Fleisch und Blut angehn; der Widerstand reizt und die<lb/> Gewährung schwächt. Die Deutschen pochten etwas zu viel auf die Nothwendigkeit<lb/> der ersten, die Unabweislichkeit der zweiten. Die andern Stämme übertrieben<lb/> sich in's Gegentheil. Die Ungarn unterschieden sich darin von den Slaven nnr<lb/> durch ihre Macht. So wurden die Nationalitäten nur zu Nägeln gebraucht, um<lb/> die Reifen des Absolutismus anzutreiben. Seit die Einheit Oestreichs neben<lb/> Deutschland oktroyirt ist, sind seine Deutschen so wie die andern von den Gren¬<lb/> zen weg auf den gemeinschaftlichen Mittelpunkt gewiesen. Und so wie diese gemein¬<lb/> same Ueberzeugung das Mißtrauen der audern Stämme beschwichtigen wird, so<lb/> wird sie hoffentlich die Deutschen den rechten Weg lehren. Dieser ist kein an¬<lb/> derer als den Forderungen der andern Stämme nach Gleichberechtigung der Syra-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0429]
l,er, die gutmüthige Selbsttäuschung in den nicht offiziellen Blättern suchen, in
dem Klapperwerk ccmstitutionell klingender Einrichtungen, mit denen das Mini¬
sterium tagtäglich sich und andere betäubt. Das sind Formen, Die Form aber
kann als Gesetz uur dann die Umgränzung der Willkür sein, wenn eine größere
Macht hinter ihr steht als hinter dieser. Für die Willkür, die regiert, sind alle
jene Gesetze Theaterfesseln, die sie zerreißt, so oft es paßt. So schlimm es in
Oestreich steht, das Gute seines russisch-florentinischen Regiments liegt nicht in
seiner constitutionellen Lüge, sondern in dem, was wahr an ihm ist, in seiner
Barschheit, Schonungslosigkeit, Gewaltsamkeit. Das hatten wir nöthig. Gestehen
wir'ö! als die Freiheit zu uns kam, vermochte sie uicht zu bleiben, so ungeber-
dig waren wir gegeneinander und gegen sie. Jetzt liegt so Manches hinter uns,
was uns mit ihr Jahrelang verwirrt hätte. Um nun von dem nächsten, dem
verworrensten zu reden, von den Nationalitäten, wem summt nicht noch der Kopf
von all dem Lärmen und Streiten! Welche Forderungen, welche Unmöglich¬
keiten standen sich gegenüber. Das einige Deutschland, die Solidarität der Sla¬
ven, das alte Magyarenreich mit seinen Annexen. Und wenn's nur der Streit
gewesen wäre, wenn die zersetzende Kraft dieses Princip's nicht immer neue Theile
gelöst hätte, von deu Ländergruppen in die Landestheile, Bezirke, hinein, bis in
die einzelnen Ortschaften. Ein paar Federstriche des Ministeriums und die Na¬
tionalitäten haben ihre festen Ränder. Es brauchte keine Kunst dazu, aber der
Mensch sügt sich oft schnell in das Nothwendige, mit dem er in freier Discussion
lange nicht fertig geworden wäre. Und so müssen die Meisten einsehen, daß für
eine nationelle Breccie wie Oestreich keine andere Eintheilung möglich ist, als die
nach der vorwaltenden Substanz. Wenn die Völker einst zu eignem Handeln kom¬
men, brauchen sie sich die jetzigen Terretorialgrenzen nur als Basis zu garantiren.
Und daß sich einzelnes schnell verbessern läßt, das ist keine Tröstung. Nicht an¬
ders steht es mit der Herrschaft der deutschen Sprache, mit der Germani-
sirung Oestreichs. Oestreich, mit Ausschluß Italiens, ist bestimmt, ein deutsch-
redendcr, wenn auch nicht deutscher Staat zu werden; aber es ging damit, wie
mit allen Dingen, die Fleisch und Blut angehn; der Widerstand reizt und die
Gewährung schwächt. Die Deutschen pochten etwas zu viel auf die Nothwendigkeit
der ersten, die Unabweislichkeit der zweiten. Die andern Stämme übertrieben
sich in's Gegentheil. Die Ungarn unterschieden sich darin von den Slaven nnr
durch ihre Macht. So wurden die Nationalitäten nur zu Nägeln gebraucht, um
die Reifen des Absolutismus anzutreiben. Seit die Einheit Oestreichs neben
Deutschland oktroyirt ist, sind seine Deutschen so wie die andern von den Gren¬
zen weg auf den gemeinschaftlichen Mittelpunkt gewiesen. Und so wie diese gemein¬
same Ueberzeugung das Mißtrauen der audern Stämme beschwichtigen wird, so
wird sie hoffentlich die Deutschen den rechten Weg lehren. Dieser ist kein an¬
derer als den Forderungen der andern Stämme nach Gleichberechtigung der Syra-
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