Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.dem er in dringenden Fällen einen senkrechten Felsen hinabritt. Zuweilen sprach Man kann sich denken, wie ein so unmoralisches Verfahren dem Dichter Ge¬ 51*
dem er in dringenden Fällen einen senkrechten Felsen hinabritt. Zuweilen sprach Man kann sich denken, wie ein so unmoralisches Verfahren dem Dichter Ge¬ 51*
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dem er in dringenden Fällen einen senkrechten Felsen hinabritt. Zuweilen sprach
er „mit einer Stimme, wie sie ein Löwe haben würde, wenn er spräche," zuweilen
stürzte er sich auf seine Beute „mit dem Geheul einer Hyäne, die einen Cadaver
spürt." Seine Augen leuchten in der Dunkelheit wie glühende Raketen. Zuweilen
wirst er auf die Menschen schiefe Blicke, „in denen die Wildheit des Tigers nur
durch die Bosheit des Affen gemildert wird." Wenn er ärgerlich ist, drückt ein
dumpfes Grunzen, zuweilen von heiserem Schreien unterbrochen, seine Wuth aus.
Er ist übrigeus ein kleiner Mann und hat eine ironische Ader; er liebt es, die
Leute aufzuziehn, ehe er sie frißt. Kommt er in seiue Höhle, so sieht man „eine
Bestie mit menschlichem Antlitz, die auf einer Masse vou Leichnamen sitzt, Blut
säuft, und einem Bären hin und wieder das noch zuckende Bein eines Lientnants
vom Regiment Munkholm als Futter zuwirft, dabei er ein gräßliches Lachen
ausstößt und vor Wonne heult. Einmal biß er sich mit dem großen Wolf von
Smiasen herum; seine Zähne drangen viel tiefer in das Fleisch, als die des
Thieres,, und zuletzt tödtete er es, indem er ihm die Schnanze zusammenpreßte.
Auf den ersten Liebhaber des Stücks stürzte er einmal in einem gewaltigen Satz:
„seiue Klauen bohrten sich in die Schultern des jungen Mannes ein, seiue knoti-'
geu Kniee preßten seine Hüften, während das blutige Maul Zähne zeigte, die
einen Tigerkopf hätten knacken können." Um das verhaßte Regiment aufzureiben,
lockt er es in eine Schlucht, wo es von Rebellen angegriffen wird, und beißt
ohne Unterschied des Standes und der Person nach links und rechts hin um sich.
Die Neste des Regiments vertilgt er, indem er die Kaserne anzündet, wobei er
selber mit umkommt. Dort hat er Gelegenheit, sich mit einem andern Menschen-
feind zu unterhalten, dem Grafen Schumacher, der von seinen Mitmenschen
eine schlechte Behandlung erlitten hat. Hau spricht gern vou sich, er nennt sich
öfters mit großer Selbstgefälligkeit einen Dämon, einen Teufel, und so erklärt er
deun auch seinem Collegen im Menschenhaß sehr befriedigt: „Meine Natur ist,
die Menschen zu hassen; mein Beruf, ihnen zu schaden. Ich muß auch einen
Gott haben, um ihn lästern zu können." Sehr erfreut über diese Grundsätze ruft
der Graf: „Nimm meine Hand!" — „Wozu? soll ich sie fressen?" —Der bestürzte
Menschenfeind murmelt etwas vou dem Bösen, welches ihm die Menschen zugefügt.
— „Mir haben sie nur Gutes gethan. All mein Vergnügen bin ich ihnen schuldig.
Welche Lust, wenn ihr zuckendes Fleisch nnter meinem Zahne t'uirrscht, wenn ihr
dampfendes Blut meine trockne Kehle erwärmt, wenn ihr Todesschrei sich mit dem
Knacken ihrer Glieder mischt, die ich an dein Felsen zerschmettre."
Man kann sich denken, wie ein so unmoralisches Verfahren dem Dichter Ge¬
legenheit gibt, seine bessere sittliche Ueberzeugung kund zu geben. Es wird viel
moralisirt in diesem Roman, was um so nöthiger ist, da außer Hau sich noch eine
Menge von Bösewichtern darin herumtreiben, namentlich ein kleiner Satan, Mu s-
dämon genannt, die Hexen, Scharfrichter, Leichenweiber u. s. w. gar nicht zu
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