Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.Es kamen die schaurigen Octobertage; Finanzminister Kraus war so klug Zu Kremsier nahm Herr v. Kraus die Bewilligung zu einem Anlehn von so Es kamen die schaurigen Octobertage; Finanzminister Kraus war so klug Zu Kremsier nahm Herr v. Kraus die Bewilligung zu einem Anlehn von so <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0351" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279899"/> <p xml:id="ID_1247"> Es kamen die schaurigen Octobertage; Finanzminister Kraus war so klug<lb/> und muthig, die Contrasignatur einer ihm vom Kaiser vor seiner Flucht aus<lb/> Schönbrunn zugesendeten Ordonanz zu versagen, und dem Reichstage die Motive<lb/> dieser Verweigerung anzuzeigen, und damit gewann Herr Kraus den erregten<lb/> Reichstag vollkommen. Er war der allein activ gebliebene Minister, vereinigte<lb/> alle Portefeuilles uro im-um in seiner Hand, versorgte den gegen Wiudischgräß de¬<lb/> kretierenden Reichstag mit Geldmitteln, und dispvnirte zugleich die nöthigen Fonds<lb/> für Windischgrätz' Operationen, ohne deshalb vom Reichstage angefochten zu wer¬<lb/> den, welcher geblendet genug war, wirklich zu glauben, Herr Kraus sympathisire<lb/> mit der Haltung des Reichstages, während Kraus sich blosstcllte, um die Bank,<lb/> die Kassen, die Staatsfonds nicht aus dem Auge zu verlieren. Herr Kraus sah<lb/> ganz ab vou Politik, von Lauterkeit oder Unlauterkeit manchen Manövers, er<lb/> war nur Wächter der Finanzen, und hat sein Wächteramt in wunderbar glück¬<lb/> licher, gewissermaßen pfiffig zu nennender Weise gehandhabt. Man muß inmit¬<lb/> ten all der unbeschreiblichen Wirren gelebt haben, um sich einen irgend klaren<lb/> Begriff davon bilden zu können. Während Minister Wessenberg die kaiserliche»<lb/> Donnerdekrete gegen Wien cvntrasignirte, nahm seinerseits Herr Kraus, obwohl<lb/> College Wessenberg's, keinen Austand, in Ezequirung der Reichstagsbeschlüsse in<lb/> verschiedenen Dekreten wieder aus Wien heraus gegen Windischgrätz zu donnern,<lb/> der Nordbahn den Truppentransport zu verbieten, den Gouverneuren der Pro¬<lb/> vinzen Befehle zu ertheilen, welche diese in nicht geringe Verlegenheit setzten; bei<lb/> dem allen aber blieb Herr v. Kraus auch beim Hoflager zu Olmütz eben so wie<lb/> bei der Neichstagspermanenz in hohen Gnade«, wurde nach Olmütz beschicken, wo¬<lb/> hin man ihn ungehindert reisen ließ, und bei seiner Rückkehr unangefochten wie¬<lb/> der aufnahm. Man wußte in der That nicht, ob man mehr die Kühnheit des<lb/> Finanzministers Kraus oder die ganz eigenthümliche Bonhommie des Reichstags<lb/> bewundern sollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1248" next="#ID_1249"> Zu Kremsier nahm Herr v. Kraus die Bewilligung zu einem Anlehn von so<lb/> Millionen so zu sagen mit Sturm, und preßte die Reichstagscitrone vollends aus,<lb/> die ^man sodann ungescheut wegwerfen und zertreten zu können glaubte; He^rü<lb/> v. Kraus machen wir deshalb keinen Vorwurf, er war, ist und bleibt nur der<lb/> Finanzmann, und hält sich fern von aller Politik; seine Collegen machen die Po¬<lb/> litik, und er schafft das Geld dazu. Allerdings übernahm Kraus mit seinen Kol¬<lb/> legen die Solidarverantwortlichteit, doch zweifeln wir, ob ihm dieser hohle Be¬<lb/> griff bisher eine unruhige Minute gemacht hat. Der Finanzausschuß hatte es<lb/> für räthlich gehalten, vor der Stellung des Antrags ans die Bewilligung jener<lb/> achtzig Millionen dem Finanzminister die Frage schriftlich vorzulegen, ob Kett>er<lb/> Franz Joseph und das Ministerium alle vom Kaiser Ferdinand den Völkern ge¬<lb/> machten Zusagen aufrecht zu halten gedenken, und Finanzminister Kraus beeilte<lb/> sich, diese schriftlich gestellte Frage ohne Vorbehalt unbedingt deja-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0351]
Es kamen die schaurigen Octobertage; Finanzminister Kraus war so klug
und muthig, die Contrasignatur einer ihm vom Kaiser vor seiner Flucht aus
Schönbrunn zugesendeten Ordonanz zu versagen, und dem Reichstage die Motive
dieser Verweigerung anzuzeigen, und damit gewann Herr Kraus den erregten
Reichstag vollkommen. Er war der allein activ gebliebene Minister, vereinigte
alle Portefeuilles uro im-um in seiner Hand, versorgte den gegen Wiudischgräß de¬
kretierenden Reichstag mit Geldmitteln, und dispvnirte zugleich die nöthigen Fonds
für Windischgrätz' Operationen, ohne deshalb vom Reichstage angefochten zu wer¬
den, welcher geblendet genug war, wirklich zu glauben, Herr Kraus sympathisire
mit der Haltung des Reichstages, während Kraus sich blosstcllte, um die Bank,
die Kassen, die Staatsfonds nicht aus dem Auge zu verlieren. Herr Kraus sah
ganz ab vou Politik, von Lauterkeit oder Unlauterkeit manchen Manövers, er
war nur Wächter der Finanzen, und hat sein Wächteramt in wunderbar glück¬
licher, gewissermaßen pfiffig zu nennender Weise gehandhabt. Man muß inmit¬
ten all der unbeschreiblichen Wirren gelebt haben, um sich einen irgend klaren
Begriff davon bilden zu können. Während Minister Wessenberg die kaiserliche»
Donnerdekrete gegen Wien cvntrasignirte, nahm seinerseits Herr Kraus, obwohl
College Wessenberg's, keinen Austand, in Ezequirung der Reichstagsbeschlüsse in
verschiedenen Dekreten wieder aus Wien heraus gegen Windischgrätz zu donnern,
der Nordbahn den Truppentransport zu verbieten, den Gouverneuren der Pro¬
vinzen Befehle zu ertheilen, welche diese in nicht geringe Verlegenheit setzten; bei
dem allen aber blieb Herr v. Kraus auch beim Hoflager zu Olmütz eben so wie
bei der Neichstagspermanenz in hohen Gnade«, wurde nach Olmütz beschicken, wo¬
hin man ihn ungehindert reisen ließ, und bei seiner Rückkehr unangefochten wie¬
der aufnahm. Man wußte in der That nicht, ob man mehr die Kühnheit des
Finanzministers Kraus oder die ganz eigenthümliche Bonhommie des Reichstags
bewundern sollte.
Zu Kremsier nahm Herr v. Kraus die Bewilligung zu einem Anlehn von so
Millionen so zu sagen mit Sturm, und preßte die Reichstagscitrone vollends aus,
die ^man sodann ungescheut wegwerfen und zertreten zu können glaubte; He^rü
v. Kraus machen wir deshalb keinen Vorwurf, er war, ist und bleibt nur der
Finanzmann, und hält sich fern von aller Politik; seine Collegen machen die Po¬
litik, und er schafft das Geld dazu. Allerdings übernahm Kraus mit seinen Kol¬
legen die Solidarverantwortlichteit, doch zweifeln wir, ob ihm dieser hohle Be¬
griff bisher eine unruhige Minute gemacht hat. Der Finanzausschuß hatte es
für räthlich gehalten, vor der Stellung des Antrags ans die Bewilligung jener
achtzig Millionen dem Finanzminister die Frage schriftlich vorzulegen, ob Kett>er
Franz Joseph und das Ministerium alle vom Kaiser Ferdinand den Völkern ge¬
machten Zusagen aufrecht zu halten gedenken, und Finanzminister Kraus beeilte
sich, diese schriftlich gestellte Frage ohne Vorbehalt unbedingt deja-
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