Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.doch englische Auffassung der Geschichte und fremden Volkslebens so häufig besser und Verlag von F. L. Hering. -- Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt. Druck von Friedrich An drei. doch englische Auffassung der Geschichte und fremden Volkslebens so häufig besser und Verlag von F. L. Hering. — Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt. Druck von Friedrich An drei. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0323" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279871"/> <p xml:id="ID_1141" prev="#ID_1140"> doch englische Auffassung der Geschichte und fremden Volkslebens so häufig besser und<lb/> verständiger als die unsere. Auch hier finden wir einen Mann, der ein gutes Auge für<lb/> das Charakteristische hat, genau und scharf beobachtet und alles Einzelne unter allge¬<lb/> meine Gesichtspunkte zu bringen weiß, wie es dem Sohn einer starken Nation, welche<lb/> sich der Herrschaft über die Erde rühmt, geziemt. Das Werk enthält nach einer kur¬<lb/> zen Einleitung über Ursprung und Entwicklung des slavischen Stammes, zuerst die<lb/> Beschreibung der Reise längs der dalmatischen Küste, dann Ausflüge in das Innere<lb/> bis nach Montenegro, und wieder in das Nareutathal der Herzegowina. Was ein<lb/> geübter Tourist, welcher gute Kenntnisse mitbringt, beobachten kann, erzählt der Ver¬<lb/> fasser in klarer und ruhiger Darstellung. Die Landschaft, die Meuscheu, ihre Persön¬<lb/> lichkeit, ihre Bildung, ihr Gemüth, ihre politischen Verhältnisse, Sagen, Gebrauche,<lb/> die Spuren der Vergangenheit, alles wird scharf und gut gezeichnet. Auch die Hilfs¬<lb/> quellen des Landes, den Culturzustand, Produktion und Konsumtion hat der praktische<lb/> Engländer iirs Auge gefaßt. Eine Fülle von Material und eine große Menge von<lb/> kleinen pikanten Schilderungen, Erzählungen nud Sagen unterbrechen die graben Linien<lb/> der Reiseroute. Mit besonderer Vorliebe ist Peter Petrowich Ncgosch, der Vladika von<lb/> Montenegro, geschildert, unsere Leser mögen sich dabei an ein Portrait von ihm er¬<lb/> innern, welches die Grenzboten in Ur. 28. deö vorigen Jahrganges brachten, in wel¬<lb/> chem er so gut nicht wegkommt. Am meisten aber danken wir dem Reisenden sür sei¬<lb/> neu Ausflug in die Herzegowina, das Meiste von dem, was er oft in kleinen Be-<lb/> merkungen über diesen wunderlichen Erdflcck mittheilt, ist ganz neu; es ist ein Terrain,<lb/> welches er für unser Wissen erobert hat. — Den Schluß des Werkes bildet eine Ge¬<lb/> schichte Dalmatiens von Ankunft der Slaven bis zum Frieden von 18l4, in welches<lb/> Bruchstücke vou venezianischen Tagebüchern und Aktenstücken ans dem sechzehnten Jahr¬<lb/> hundert (nach den „«loluunoitti. Klunci" von Kcilitrv) eingewebt find und daraus<lb/> eine Geschichte des berüchtigten Seeräuber-Volkes, der Uskvkcn, welche nach Minncci<lb/> und Paolo bearbeitet ist. Der gebildete Uebersetzer hat Recht gethan, diesen Theil des<lb/> Werkes zusammenzuziehn, da die Absicht des Verfassers ohnehin nicht gewesen war, mit<lb/> gelehrter Kritik den unsicheren Quellen und mangelhaften Hilfsmitteln, welche wir für<lb/> eine Geschichte Dalmatiens besitzen, zu Leibe zu gehn. — Auch der verstorbene H. Stieg¬<lb/> litz hat ein Buch über Dalmatien geschrieben, er hat die merkwürdige Geschicklichkeit<lb/> besessen, in einem ganzen Band sast nichts Verständiges über ein Land zu sagen, wo<lb/> bei jedem Schritt etwas Interessantes und Nützliches zu finden ist, hier ist das Gegen¬<lb/> theil. Es siud wenig Seiten in dem Buch, ans denen man nicht irgend etwas In¬<lb/> teressantes und Lehrreiches herausholt. Jeder Deutsche mit erträglichen Kenntnissen<lb/> würde Einzelnes gründlicher und genauer beobachtet habe», aber wir haben doch sehr<lb/> wenig Reisende, welche ein ähnliches Buch zu schreiben im Stande sind. Wir waren<lb/> bis jetzt ans Reisen zu leicht, entweder phrascnrciche Schöngeister oder Klatschweiber<lb/> oder Pedanten, noch sind gute Angen und bewußte Kraft sehr selten bei unseren Tou¬<lb/> risten; sie sind freilich auch nicht gar zu häusig bei denen, welche zu Hause bleiben.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Verlag von F. L. Hering. — Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt.<lb/> Druck von Friedrich An drei.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0323]
doch englische Auffassung der Geschichte und fremden Volkslebens so häufig besser und
verständiger als die unsere. Auch hier finden wir einen Mann, der ein gutes Auge für
das Charakteristische hat, genau und scharf beobachtet und alles Einzelne unter allge¬
meine Gesichtspunkte zu bringen weiß, wie es dem Sohn einer starken Nation, welche
sich der Herrschaft über die Erde rühmt, geziemt. Das Werk enthält nach einer kur¬
zen Einleitung über Ursprung und Entwicklung des slavischen Stammes, zuerst die
Beschreibung der Reise längs der dalmatischen Küste, dann Ausflüge in das Innere
bis nach Montenegro, und wieder in das Nareutathal der Herzegowina. Was ein
geübter Tourist, welcher gute Kenntnisse mitbringt, beobachten kann, erzählt der Ver¬
fasser in klarer und ruhiger Darstellung. Die Landschaft, die Meuscheu, ihre Persön¬
lichkeit, ihre Bildung, ihr Gemüth, ihre politischen Verhältnisse, Sagen, Gebrauche,
die Spuren der Vergangenheit, alles wird scharf und gut gezeichnet. Auch die Hilfs¬
quellen des Landes, den Culturzustand, Produktion und Konsumtion hat der praktische
Engländer iirs Auge gefaßt. Eine Fülle von Material und eine große Menge von
kleinen pikanten Schilderungen, Erzählungen nud Sagen unterbrechen die graben Linien
der Reiseroute. Mit besonderer Vorliebe ist Peter Petrowich Ncgosch, der Vladika von
Montenegro, geschildert, unsere Leser mögen sich dabei an ein Portrait von ihm er¬
innern, welches die Grenzboten in Ur. 28. deö vorigen Jahrganges brachten, in wel¬
chem er so gut nicht wegkommt. Am meisten aber danken wir dem Reisenden sür sei¬
neu Ausflug in die Herzegowina, das Meiste von dem, was er oft in kleinen Be-
merkungen über diesen wunderlichen Erdflcck mittheilt, ist ganz neu; es ist ein Terrain,
welches er für unser Wissen erobert hat. — Den Schluß des Werkes bildet eine Ge¬
schichte Dalmatiens von Ankunft der Slaven bis zum Frieden von 18l4, in welches
Bruchstücke vou venezianischen Tagebüchern und Aktenstücken ans dem sechzehnten Jahr¬
hundert (nach den „«loluunoitti. Klunci" von Kcilitrv) eingewebt find und daraus
eine Geschichte des berüchtigten Seeräuber-Volkes, der Uskvkcn, welche nach Minncci
und Paolo bearbeitet ist. Der gebildete Uebersetzer hat Recht gethan, diesen Theil des
Werkes zusammenzuziehn, da die Absicht des Verfassers ohnehin nicht gewesen war, mit
gelehrter Kritik den unsicheren Quellen und mangelhaften Hilfsmitteln, welche wir für
eine Geschichte Dalmatiens besitzen, zu Leibe zu gehn. — Auch der verstorbene H. Stieg¬
litz hat ein Buch über Dalmatien geschrieben, er hat die merkwürdige Geschicklichkeit
besessen, in einem ganzen Band sast nichts Verständiges über ein Land zu sagen, wo
bei jedem Schritt etwas Interessantes und Nützliches zu finden ist, hier ist das Gegen¬
theil. Es siud wenig Seiten in dem Buch, ans denen man nicht irgend etwas In¬
teressantes und Lehrreiches herausholt. Jeder Deutsche mit erträglichen Kenntnissen
würde Einzelnes gründlicher und genauer beobachtet habe», aber wir haben doch sehr
wenig Reisende, welche ein ähnliches Buch zu schreiben im Stande sind. Wir waren
bis jetzt ans Reisen zu leicht, entweder phrascnrciche Schöngeister oder Klatschweiber
oder Pedanten, noch sind gute Angen und bewußte Kraft sehr selten bei unseren Tou¬
risten; sie sind freilich auch nicht gar zu häusig bei denen, welche zu Hause bleiben.
Verlag von F. L. Hering. — Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt.
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