Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.Ischl erweist, ist sie hier kaum mehr geliebt als in der Wiener Vorstadt Gumpen- Und wie denken die Jschler über die Welthändel? -- Wen meinen Sie unter Ischl erweist, ist sie hier kaum mehr geliebt als in der Wiener Vorstadt Gumpen- Und wie denken die Jschler über die Welthändel? — Wen meinen Sie unter <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0319" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279867"/> <p xml:id="ID_1133" prev="#ID_1132"> Ischl erweist, ist sie hier kaum mehr geliebt als in der Wiener Vorstadt Gumpen-<lb/> dorff; man beachtet sie kaum und zollt ihr nur bei offiziellen Ausnahmsgelegen¬<lb/> heiten mehr als den nothwendigen und vorgeschriebenen Respect. Sie kennt diese<lb/> Stimmung, aber die Schwester des bairischen Ludwig hat sich von den Habsbur¬<lb/> ger« von jeher dadurch unterschieden, daß sie die Kunst, sich in 24 Stunden po¬<lb/> pulär zu machen, niemals auswendig lernen wollte und geradezu verachtete. In<lb/> großen Dingen klug und geduldig, in kleinen jäh und taktlos, pflegt sie oft die<lb/> öffentliche Meinung oder die Eitelkeit des Publikums, wie man's eben nennen will,<lb/> empfindlich vor den Kopf zu stoßen. War sie doch im Stande, der ehrsamen Jschler<lb/> Nationalgarde, als sie ihr ein Ständchen brachte und sie dadurch im Depeschelescn<lb/> störte, durch den Grafen Wnrmbrand sagen zu lassen, „die Bande mit ihrem<lb/> dummen Gedudel solle sich zum Teufel scheren." Und mußte nicht beim Stadthalle,<lb/> der jährlich dem Hos zu Ehren stattfindet, das Publikum in drei Abtheilungen<lb/> gesondert werden; hoher Adel, niederer Adel, Bürgervolk; gleichsam Rechte, Cen¬<lb/> trum und Linke! Und hat die Erzherzogin nickt mit auffallender Absichtlichkeit<lb/> der Linken fortwährend den Rücken gekehrt, d.is Centrum blos ein einziges Mal<lb/> gegrüßt und ausschließlich mit der Rechten gesprochen! — Solche Verstöße gegen<lb/> das Abc der dynastischen Negicrungspolitik kamen vor 48 nicht vor. Ja, diese<lb/> Wittelsbacherin ist ein fremder Blutstropfen im Hause Habsburg; er rollt in den<lb/> Adern Franz Joseph's fort und wird seine Macht uoch entwickeln. Er erklärt<lb/> manche sonderbare Wendung und Färbung der letzten Ereignisse, und wer weiß,<lb/> welchen Einfluß dieses neue Element auf die künftige Geschichte Oestreichs üben wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1134" next="#ID_1135"> Und wie denken die Jschler über die Welthändel? — Wen meinen Sie unter<lb/> den Jschlern? Die Sommerresidcnzler? Die falschen Steyrer? Oder die Autoch-<lb/> thonen? Die erste Klasse ist natürlich schwarzgelb bis unter die Nägel, einige<lb/> Prachtexemplare der zweiten Gattung werde ich Ihnen morgen zeigen, die Einge-<lb/> bornen aber sind gute Jschler Patrioten. Sie sind radikal und konservativ, auf¬<lb/> geklärt und mönchisch, kaiserlich und magyarisch zugleich und ohne inconsequent zu<lb/> sein. Ihre Gesinnung ist der Kosmopolitismus aller Badeortbewohncr. Sie freuen<lb/> sich mit dem Schlcchtgefluuten, der vor dem Späher-Aug und Ohr der Spitzel<lb/> in die Berge entflohen ist, wo Niemand erhörest, was er aus dem Schlaf spricht,<lb/> eben so warm und freundlich, wie mit dem Gutgesinnten, der nach Ischl zieht,<lb/> weil in Wien noch immer zu viel confiscirte Gesichter mit Augengläsern und<lb/> Schnurbärtcn herumlaufen; sie dünken den Einen wie den Andern mit gleicher<lb/> Liebe in ihre stärkende Salzsohle. Zu Jenem sagen sie: Nicht wahr? Bei uns<lb/> ist's schön, da gibt'S keinen Stadtgraben; zu Diesem: Hier ist's hübsch ruhig,<lb/> gnädiger Herr, bei uns gibt's keine Barrikaden. Wie der menschenfreundlichste<lb/> Arzt gerne die Spitäler voll sieht und den Tag verwünschen müßte, an dem ein<lb/> heilendes Kraut für alle Krankheiten entdeckt und allgemein bekannt würde, eben<lb/> so begreisen die Jschler vollkommen die Nothwendigkeit der Revolution von 1848</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0319]
Ischl erweist, ist sie hier kaum mehr geliebt als in der Wiener Vorstadt Gumpen-
dorff; man beachtet sie kaum und zollt ihr nur bei offiziellen Ausnahmsgelegen¬
heiten mehr als den nothwendigen und vorgeschriebenen Respect. Sie kennt diese
Stimmung, aber die Schwester des bairischen Ludwig hat sich von den Habsbur¬
ger« von jeher dadurch unterschieden, daß sie die Kunst, sich in 24 Stunden po¬
pulär zu machen, niemals auswendig lernen wollte und geradezu verachtete. In
großen Dingen klug und geduldig, in kleinen jäh und taktlos, pflegt sie oft die
öffentliche Meinung oder die Eitelkeit des Publikums, wie man's eben nennen will,
empfindlich vor den Kopf zu stoßen. War sie doch im Stande, der ehrsamen Jschler
Nationalgarde, als sie ihr ein Ständchen brachte und sie dadurch im Depeschelescn
störte, durch den Grafen Wnrmbrand sagen zu lassen, „die Bande mit ihrem
dummen Gedudel solle sich zum Teufel scheren." Und mußte nicht beim Stadthalle,
der jährlich dem Hos zu Ehren stattfindet, das Publikum in drei Abtheilungen
gesondert werden; hoher Adel, niederer Adel, Bürgervolk; gleichsam Rechte, Cen¬
trum und Linke! Und hat die Erzherzogin nickt mit auffallender Absichtlichkeit
der Linken fortwährend den Rücken gekehrt, d.is Centrum blos ein einziges Mal
gegrüßt und ausschließlich mit der Rechten gesprochen! — Solche Verstöße gegen
das Abc der dynastischen Negicrungspolitik kamen vor 48 nicht vor. Ja, diese
Wittelsbacherin ist ein fremder Blutstropfen im Hause Habsburg; er rollt in den
Adern Franz Joseph's fort und wird seine Macht uoch entwickeln. Er erklärt
manche sonderbare Wendung und Färbung der letzten Ereignisse, und wer weiß,
welchen Einfluß dieses neue Element auf die künftige Geschichte Oestreichs üben wird.
Und wie denken die Jschler über die Welthändel? — Wen meinen Sie unter
den Jschlern? Die Sommerresidcnzler? Die falschen Steyrer? Oder die Autoch-
thonen? Die erste Klasse ist natürlich schwarzgelb bis unter die Nägel, einige
Prachtexemplare der zweiten Gattung werde ich Ihnen morgen zeigen, die Einge-
bornen aber sind gute Jschler Patrioten. Sie sind radikal und konservativ, auf¬
geklärt und mönchisch, kaiserlich und magyarisch zugleich und ohne inconsequent zu
sein. Ihre Gesinnung ist der Kosmopolitismus aller Badeortbewohncr. Sie freuen
sich mit dem Schlcchtgefluuten, der vor dem Späher-Aug und Ohr der Spitzel
in die Berge entflohen ist, wo Niemand erhörest, was er aus dem Schlaf spricht,
eben so warm und freundlich, wie mit dem Gutgesinnten, der nach Ischl zieht,
weil in Wien noch immer zu viel confiscirte Gesichter mit Augengläsern und
Schnurbärtcn herumlaufen; sie dünken den Einen wie den Andern mit gleicher
Liebe in ihre stärkende Salzsohle. Zu Jenem sagen sie: Nicht wahr? Bei uns
ist's schön, da gibt'S keinen Stadtgraben; zu Diesem: Hier ist's hübsch ruhig,
gnädiger Herr, bei uns gibt's keine Barrikaden. Wie der menschenfreundlichste
Arzt gerne die Spitäler voll sieht und den Tag verwünschen müßte, an dem ein
heilendes Kraut für alle Krankheiten entdeckt und allgemein bekannt würde, eben
so begreisen die Jschler vollkommen die Nothwendigkeit der Revolution von 1848
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |