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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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Küchen-, Jäger- und Stallmeisters. Solche Würden zu erlangen, eine unge¬
messene Pracht zu entfalten, den nachgebornen Söhnen einträgliche Stellen zu
verschaffen, das war ihr einzig Bestreben bis zum Jahre 1848 herab.

Natürlich, daß diese Aristokratie, die weder deutsch noch slavisch gesinnt ist,
bei keinem Volksstamme Anhang hat; vielmehr mußte sie, da sie so lange alle
hohen Aemter besetzt hielt, als die Trägerin aller Mißbräuche, als die vornehmste
Dienerin des Absolutismus den tiefsten Haß ans sich laden. Diese Aristokratie,
welche im Sturme der Maibcwcguug den Hof theils ans Feigheit, theils in der
vergeblichen Absicht verließ, um in den Provinzen eine Gegenbewegung hervor¬
zurufen, sie hat sich nnn wieder um ihn versammelt und sie wird ihn ihrer Ver¬
gangenheit gemäß auf der Bahn der Reaktion und Centralisation eifrigst unterstützen.

Allein sie konnte, da sie im Volke ohne Anhang ist (außer ihren Inspirationen
bei Hofe) kein großes Gewicht in die Wagschale legen, wenn sie sich nicht einer
Macht außerhalb des Volkes zu bemeistern gewußt hätte. Diese Macht ist das
Heer. Der gesammte junge Adel der deutschen Provinzen, den die Bewegung des
Jahres 48 in seinen Genüssen, in seinen Anmaßungen und Frechheiten störte, warf
sich plötzlich wie auf Verabredung in die Armee, und es gelang ihm, derselben
einen Theil des Hasses gegen die Revolution und ihre Errungenschaften einzuflößen.
Denn der östreichische Offizier, so tüchtig er im Kampfe ist, so sehr er und überall
mit seinem Beispiel, mit seiner Hingebung voranleuchtet und Bewundrung verdient,
ist außerhalb desselben in seinen Ansichten und Meinungen noch immer ein An¬
hänger alter Vorurtheile, staunt in seinen Generälen noch immer die Fürsten und
Grafen an und setzt sich mit den Aristokraten, die ihm so oft Stellen und Aus¬
zeichnungen weghaschen, nicht in Opposition, sondern bewirbt sich um ihre Gunst
und äfft sie in ihren Manieren und leider auch in ihren politischen Gesinnungen nach.

So mußte es der Aristokratie leicht werden, den Offizierstand mit ihrem Hasse
gegen die Revolution zu erfüllen und damit die ganze Armee in ihre Richtung
hineinzuziehn. Mit dieser Macht, die ihrer Natur nach ceutralistisch ist, wird man
jede provinzielle Selbstständigkeit erdrücke", jede Nationalität, die eine politische
Geltung anstrebt, niederwerfen und Jenen den Mund schließen, welche noch nach der
Verfassung vom 4. März schreien, die den Fürsten und Grafen nicht als solche",
sondern nur als großen Gutsbesitzern, als Bauern, einen Sitz im Oberhaus gewährt,
wofür sie sich noch um der Wahl willen populär machen sollen! Doch je gewalt¬
samer, je durchgreifender dieses aristokratisch-militärische Regiment das National¬
bewußtsein und die Freiheitsliebe der Völker verletzt, um so schneller wird die
zweite Revolution in Oestreich hereinbrechen, welche nicht blos die Privilegien,
^ sondern anch die Privilegirten wegschwemmen wird.




Küchen-, Jäger- und Stallmeisters. Solche Würden zu erlangen, eine unge¬
messene Pracht zu entfalten, den nachgebornen Söhnen einträgliche Stellen zu
verschaffen, das war ihr einzig Bestreben bis zum Jahre 1848 herab.

Natürlich, daß diese Aristokratie, die weder deutsch noch slavisch gesinnt ist,
bei keinem Volksstamme Anhang hat; vielmehr mußte sie, da sie so lange alle
hohen Aemter besetzt hielt, als die Trägerin aller Mißbräuche, als die vornehmste
Dienerin des Absolutismus den tiefsten Haß ans sich laden. Diese Aristokratie,
welche im Sturme der Maibcwcguug den Hof theils ans Feigheit, theils in der
vergeblichen Absicht verließ, um in den Provinzen eine Gegenbewegung hervor¬
zurufen, sie hat sich nnn wieder um ihn versammelt und sie wird ihn ihrer Ver¬
gangenheit gemäß auf der Bahn der Reaktion und Centralisation eifrigst unterstützen.

Allein sie konnte, da sie im Volke ohne Anhang ist (außer ihren Inspirationen
bei Hofe) kein großes Gewicht in die Wagschale legen, wenn sie sich nicht einer
Macht außerhalb des Volkes zu bemeistern gewußt hätte. Diese Macht ist das
Heer. Der gesammte junge Adel der deutschen Provinzen, den die Bewegung des
Jahres 48 in seinen Genüssen, in seinen Anmaßungen und Frechheiten störte, warf
sich plötzlich wie auf Verabredung in die Armee, und es gelang ihm, derselben
einen Theil des Hasses gegen die Revolution und ihre Errungenschaften einzuflößen.
Denn der östreichische Offizier, so tüchtig er im Kampfe ist, so sehr er und überall
mit seinem Beispiel, mit seiner Hingebung voranleuchtet und Bewundrung verdient,
ist außerhalb desselben in seinen Ansichten und Meinungen noch immer ein An¬
hänger alter Vorurtheile, staunt in seinen Generälen noch immer die Fürsten und
Grafen an und setzt sich mit den Aristokraten, die ihm so oft Stellen und Aus¬
zeichnungen weghaschen, nicht in Opposition, sondern bewirbt sich um ihre Gunst
und äfft sie in ihren Manieren und leider auch in ihren politischen Gesinnungen nach.

So mußte es der Aristokratie leicht werden, den Offizierstand mit ihrem Hasse
gegen die Revolution zu erfüllen und damit die ganze Armee in ihre Richtung
hineinzuziehn. Mit dieser Macht, die ihrer Natur nach ceutralistisch ist, wird man
jede provinzielle Selbstständigkeit erdrücke», jede Nationalität, die eine politische
Geltung anstrebt, niederwerfen und Jenen den Mund schließen, welche noch nach der
Verfassung vom 4. März schreien, die den Fürsten und Grafen nicht als solche»,
sondern nur als großen Gutsbesitzern, als Bauern, einen Sitz im Oberhaus gewährt,
wofür sie sich noch um der Wahl willen populär machen sollen! Doch je gewalt¬
samer, je durchgreifender dieses aristokratisch-militärische Regiment das National¬
bewußtsein und die Freiheitsliebe der Völker verletzt, um so schneller wird die
zweite Revolution in Oestreich hereinbrechen, welche nicht blos die Privilegien,
^ sondern anch die Privilegirten wegschwemmen wird.




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[0313] Küchen-, Jäger- und Stallmeisters. Solche Würden zu erlangen, eine unge¬ messene Pracht zu entfalten, den nachgebornen Söhnen einträgliche Stellen zu verschaffen, das war ihr einzig Bestreben bis zum Jahre 1848 herab. Natürlich, daß diese Aristokratie, die weder deutsch noch slavisch gesinnt ist, bei keinem Volksstamme Anhang hat; vielmehr mußte sie, da sie so lange alle hohen Aemter besetzt hielt, als die Trägerin aller Mißbräuche, als die vornehmste Dienerin des Absolutismus den tiefsten Haß ans sich laden. Diese Aristokratie, welche im Sturme der Maibcwcguug den Hof theils ans Feigheit, theils in der vergeblichen Absicht verließ, um in den Provinzen eine Gegenbewegung hervor¬ zurufen, sie hat sich nnn wieder um ihn versammelt und sie wird ihn ihrer Ver¬ gangenheit gemäß auf der Bahn der Reaktion und Centralisation eifrigst unterstützen. Allein sie konnte, da sie im Volke ohne Anhang ist (außer ihren Inspirationen bei Hofe) kein großes Gewicht in die Wagschale legen, wenn sie sich nicht einer Macht außerhalb des Volkes zu bemeistern gewußt hätte. Diese Macht ist das Heer. Der gesammte junge Adel der deutschen Provinzen, den die Bewegung des Jahres 48 in seinen Genüssen, in seinen Anmaßungen und Frechheiten störte, warf sich plötzlich wie auf Verabredung in die Armee, und es gelang ihm, derselben einen Theil des Hasses gegen die Revolution und ihre Errungenschaften einzuflößen. Denn der östreichische Offizier, so tüchtig er im Kampfe ist, so sehr er und überall mit seinem Beispiel, mit seiner Hingebung voranleuchtet und Bewundrung verdient, ist außerhalb desselben in seinen Ansichten und Meinungen noch immer ein An¬ hänger alter Vorurtheile, staunt in seinen Generälen noch immer die Fürsten und Grafen an und setzt sich mit den Aristokraten, die ihm so oft Stellen und Aus¬ zeichnungen weghaschen, nicht in Opposition, sondern bewirbt sich um ihre Gunst und äfft sie in ihren Manieren und leider auch in ihren politischen Gesinnungen nach. So mußte es der Aristokratie leicht werden, den Offizierstand mit ihrem Hasse gegen die Revolution zu erfüllen und damit die ganze Armee in ihre Richtung hineinzuziehn. Mit dieser Macht, die ihrer Natur nach ceutralistisch ist, wird man jede provinzielle Selbstständigkeit erdrücke», jede Nationalität, die eine politische Geltung anstrebt, niederwerfen und Jenen den Mund schließen, welche noch nach der Verfassung vom 4. März schreien, die den Fürsten und Grafen nicht als solche», sondern nur als großen Gutsbesitzern, als Bauern, einen Sitz im Oberhaus gewährt, wofür sie sich noch um der Wahl willen populär machen sollen! Doch je gewalt¬ samer, je durchgreifender dieses aristokratisch-militärische Regiment das National¬ bewußtsein und die Freiheitsliebe der Völker verletzt, um so schneller wird die zweite Revolution in Oestreich hereinbrechen, welche nicht blos die Privilegien, ^ sondern anch die Privilegirten wegschwemmen wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/313>, abgerufen am 15.01.2025.