Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Pesth bekommen; es ging zu jener Zeit ohnedies alle Welt ohne viel Mühe zwi¬
schen Wien und Pesth hin und her, der Krieg war ja beinahe zu Ende, der
Fürst war ja in Ofen, seine siegreiche Armee sollte ja jeden Augenblick in Debreczin
einmarschiren, sie stand ja schon seit Wochen in Marschposttur, den linken Fuß
regelrecht aufgehoben, um die Theiß zu überschreiten! Warum sollte man also die
Passage hemmen und zumal einem englischen Lord, einem angesehenen Militär
außer Dienst die Reise nach Pesth nicht gestatten, wo er Zeuge sein konnte von
den Waffenthaten der östreichischen Armee, von der genialen Leitung des Feld¬
marschalls und von der glorreichen Beendigung der ungarischen Rebellion? — Er
brachte sich ein paar Empfehlungsbriefe an Windischgrätz und Jellachich, die ihr
Hauptquartier bereits nach Pesth zurückverlegt hatten und wohnte im „Tiger," einem
der elegantesten Hotels.

Ich aber unterzog mich gerne dem gefährlichen Austrage, den Engländer
mitten aus dem feindlichen Lager zu holen. Man hatte aus Vielen gerade mir
die Zumuthung gestellt, weil ich fertig englisch spreche, nebstdem genug ungarisch
verstehe, um mir in befreundeten Regionen Mithelfer zu verschaffen und weil ich
bei verschiedenen Gelegenheiten Muth und Kaltblütigkeit an den Tag gelegt hatte.
Mich dagegen reizte die Parthie, theils um mir von meiner sehr anstrengenden
Anstellung Erholung zu verschaffen, theils des Gefährlichen wegen, denn das ver¬
hehlte ich mir keinen Augenblick, daß ich mit meinem Kopfe spielte und wie David
mitten durck/s feindliche Lager werde schleichen müssen, um meinen Engländer her¬
auszubekommen.

Nachdem ich mich mit den nöthigen (Zertifikaten für mich und meinen Reise¬
gefährten in «p<z versehen hatte, reiste ich unserer Armee nach, deren vereinzelte
Siegesbcrichte das Land nach alleu Richtungen durchflogen. Im Dorfe Koka ver¬
tauschte ich meine Majorönniform mit Banernklcidnng und machte mich sonst dnrch
Kohlenstaub und Rasirmesser so unkenntlich als möglich. Ich behielt nicht Eines
meiner Kleidungsstücke auf dem Leibe und ließ mir lieber durch das ungewohnte
grobe Bancrnhemd die Haut auswetzen, als daß ich das meinige behalten hätte,
wodurch zufälliger Verdacht und Verrath möglich geworden wäre. Ans den Kopf
stülpte ich einen alten Bauernhut mit breiter Krempe; an den Füßen riesige Stie¬
fel, die mich zu Boden zogen, die blaue Jacke und die weiten Gatjcn (Unterhosen)
vollendeten meine Maskerade. Am Teint meiner Hände war glücklicherweise nichts
zu ändern, die waren in der freien Luft längst braun und derb geworden und
konnten mit jeder Bauerupfote in die Schranken treten. Meine (Zertifikate für die
Rückreise und meine Empfehlungsschreiben an den Engländer trug ich sorgfältig
in der Jacke eingenäht.

Ein Bauer spannte vier Pferde vor seinen leichten Wagen und so fuhren wir
gegen Tartsa (syr. Tartscha) verabredeter Maßen als Vettern, die dort z»
Hause wären. Mein neuer Vetter hatte mir gesagt, daß in Tartsa noch vor zwei


Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/303
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/303>, abgerufen am 23.01.2025.