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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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schau und andern großen Städten militärische Compagnien für den Municipal¬
dienst, die Schornstein- und Straßenreinignng, das Feuerlöschen, sogar sür die
Laternenbedienung errichtet. In diese werden nur Polen aufgenommen und
den freiwillig Eintretenden ist sogar das Glück vergönnt, statt der gewöhnlichen
Zeit von 14 Jahren nur 8 Jahre lang dienen zu müssen. Die Polen sehen in
diesem verachteten militärischen Corps, sür welches sie das Privilegium haben
sollen, einen fürchterlichen Hohn der russischen Regierung. Doch ist der Fall vor¬
gekommen, daß Edelleute in solche Compagnien getreten sind; aber es schien, daß
sie es gethan hatten, um die Erbitterung ihrer Landsleute zu vergrößern. So z. B.
machte es sich ein junger Mann, dessen Familie durch die Ränke der russischen
Adelödepntatiou ihren alten Adel eingebüßt hatte, und der in Folge dessen als Ge¬
meiner dienen mußte, zur Pflicht, so oft er in den Straßen Warschau's den
Kehricht auf seine kaiserlichen Karren Schauseite, jedem vorübergehenden Polen seinen
im ganzen Königreich wohlbekannten Namen zu nennen. Die Sache blieb nicht
verschwiegen und die Behörde, die Empörung der Gemüther doch ein wenig
scheuend, versetzte den jungen Mann, er verschwand in das Innere.

Das Junere von Nußland! Für deu Rekruten der westlichen Landestheile ist
es eine tödtliche Wüste, wo jedes Leben, jede Hoffnung aufhört. Tausende sah
er hinschleppen, nnr Wenige als Bettler, Taugenichtse, Krüppel zurückkehren. Er
weiß, daß sein Loos dasselbe sein wird. Er weint, dann betrinkt er sich, zuletzt
wird er stumpfsinnig. --




Grenzboten. to. 184V.35

schau und andern großen Städten militärische Compagnien für den Municipal¬
dienst, die Schornstein- und Straßenreinignng, das Feuerlöschen, sogar sür die
Laternenbedienung errichtet. In diese werden nur Polen aufgenommen und
den freiwillig Eintretenden ist sogar das Glück vergönnt, statt der gewöhnlichen
Zeit von 14 Jahren nur 8 Jahre lang dienen zu müssen. Die Polen sehen in
diesem verachteten militärischen Corps, sür welches sie das Privilegium haben
sollen, einen fürchterlichen Hohn der russischen Regierung. Doch ist der Fall vor¬
gekommen, daß Edelleute in solche Compagnien getreten sind; aber es schien, daß
sie es gethan hatten, um die Erbitterung ihrer Landsleute zu vergrößern. So z. B.
machte es sich ein junger Mann, dessen Familie durch die Ränke der russischen
Adelödepntatiou ihren alten Adel eingebüßt hatte, und der in Folge dessen als Ge¬
meiner dienen mußte, zur Pflicht, so oft er in den Straßen Warschau's den
Kehricht auf seine kaiserlichen Karren Schauseite, jedem vorübergehenden Polen seinen
im ganzen Königreich wohlbekannten Namen zu nennen. Die Sache blieb nicht
verschwiegen und die Behörde, die Empörung der Gemüther doch ein wenig
scheuend, versetzte den jungen Mann, er verschwand in das Innere.

Das Junere von Nußland! Für deu Rekruten der westlichen Landestheile ist
es eine tödtliche Wüste, wo jedes Leben, jede Hoffnung aufhört. Tausende sah
er hinschleppen, nnr Wenige als Bettler, Taugenichtse, Krüppel zurückkehren. Er
weiß, daß sein Loos dasselbe sein wird. Er weint, dann betrinkt er sich, zuletzt
wird er stumpfsinnig. —




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[0276] schau und andern großen Städten militärische Compagnien für den Municipal¬ dienst, die Schornstein- und Straßenreinignng, das Feuerlöschen, sogar sür die Laternenbedienung errichtet. In diese werden nur Polen aufgenommen und den freiwillig Eintretenden ist sogar das Glück vergönnt, statt der gewöhnlichen Zeit von 14 Jahren nur 8 Jahre lang dienen zu müssen. Die Polen sehen in diesem verachteten militärischen Corps, sür welches sie das Privilegium haben sollen, einen fürchterlichen Hohn der russischen Regierung. Doch ist der Fall vor¬ gekommen, daß Edelleute in solche Compagnien getreten sind; aber es schien, daß sie es gethan hatten, um die Erbitterung ihrer Landsleute zu vergrößern. So z. B. machte es sich ein junger Mann, dessen Familie durch die Ränke der russischen Adelödepntatiou ihren alten Adel eingebüßt hatte, und der in Folge dessen als Ge¬ meiner dienen mußte, zur Pflicht, so oft er in den Straßen Warschau's den Kehricht auf seine kaiserlichen Karren Schauseite, jedem vorübergehenden Polen seinen im ganzen Königreich wohlbekannten Namen zu nennen. Die Sache blieb nicht verschwiegen und die Behörde, die Empörung der Gemüther doch ein wenig scheuend, versetzte den jungen Mann, er verschwand in das Innere. Das Junere von Nußland! Für deu Rekruten der westlichen Landestheile ist es eine tödtliche Wüste, wo jedes Leben, jede Hoffnung aufhört. Tausende sah er hinschleppen, nnr Wenige als Bettler, Taugenichtse, Krüppel zurückkehren. Er weiß, daß sein Loos dasselbe sein wird. Er weint, dann betrinkt er sich, zuletzt wird er stumpfsinnig. — Grenzboten. to. 184V.35

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/276>, abgerufen am 15.01.2025.