Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.Als wir in den Wald kamen und die frischgrünen Fichtenbäume mir ermu- Hurtig, wie ein Gemszicklein, sprang die betagte Frau auf der nächsten Sta¬ Warum siud tausend und aber tausend Seelen in Oberöstreich noch so eng und Russisches Heerwesen. II. D i e in i l i t ä r f r e i e n B a n e r n. Wieder ist ein kaiserlicher Utah erschienen, welcher eine Rekrutirung von je Alle uuadligeu Personen des Staates, welche das zwanzigste Lebensjahr Als wir in den Wald kamen und die frischgrünen Fichtenbäume mir ermu- Hurtig, wie ein Gemszicklein, sprang die betagte Frau auf der nächsten Sta¬ Warum siud tausend und aber tausend Seelen in Oberöstreich noch so eng und Russisches Heerwesen. II. D i e in i l i t ä r f r e i e n B a n e r n. Wieder ist ein kaiserlicher Utah erschienen, welcher eine Rekrutirung von je Alle uuadligeu Personen des Staates, welche das zwanzigste Lebensjahr <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0272" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279820"/> <p xml:id="ID_948"> Als wir in den Wald kamen und die frischgrünen Fichtenbäume mir ermu-<lb/> thigend zurauschteu, faßte ich mir ein Herz und dachte: Versuch's doch auch ein¬<lb/> mal Propaganda zu machen. Und ich hielt der armen Frau eine sanfte, aber<lb/> energische Bergpredigt, worin ich folgendes Thema in möglichst volkstümlichen<lb/> Redensarten ausführte: „Heutzutage ist mehr Religion in der Welt als in al¬<lb/> ten Zeiten; damals verehrte man den Teufel eben so wie Gott. Wenn jetzt we¬<lb/> niger Leute an Gott denken, so ist dasür fast Allen der Teufel ansgetriebon. — Die<lb/> Menschheit ist moralischer geworden, denn Eins ist sicher, und nicht gering anzu-<lb/> schlagen, daß sich die hohen Herrschaften, Könige, Adelige und Priester schon ein<lb/> klein wenig gebessert haben. Wollen Sie Beweise, liebe Fran, so lesen Sie alte<lb/> Chroniken. Diese sind nicht von Unsereinem, sondern meist von Geistlichen und Mön><lb/> chen geschrieben. Da steht's drin, und wenn Ihr Pfarrer oder ein Anderer das<lb/> Gegentheil behauptet, so laß ich ihm sagen, daß er ein Lügner ist!" —</p><lb/> <p xml:id="ID_949"> Hurtig, wie ein Gemszicklein, sprang die betagte Frau auf der nächsten Sta¬<lb/> tion aus dem Waggon. Aufathmend floh sie meine Gesellschaft. „Kann sein, daß<lb/> Sie kei Dieb und kei Räuber sind, junger Herr," schrie sie mir von unter ans zu,<lb/> „aber Religion Haben's keine. Nix für ungut. „B'hüt Jhre Gott," aber Sie<lb/> glauben ja an kein' Gott nicht!"</p><lb/> <p xml:id="ID_950"> Warum siud tausend und aber tausend Seelen in Oberöstreich noch so eng und<lb/> klein, so dunkel verhängt gegen den Strahl des allerdürstigsten Wissenstrostes,<lb/> so arm, so ängstlich und krank von trauriger Schwarz- und Gelbsucht? Wenn ich<lb/> nach Salzburg komme, will ich deu Cardinal Fürsten Schwarzenberg fragen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Russisches Heerwesen.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> II.<lb/> D i e in i l i t ä r f r e i e n B a n e r n.</head><lb/> <p xml:id="ID_951"> Wieder ist ein kaiserlicher Utah erschienen, welcher eine Rekrutirung von je<lb/> 4 Mann ans 10V0 Seelen befiehlt. Durch die genaue Schilderung einer solchen<lb/> Rekrutirung werden Ihre Leser am besten in Stand gesetzt, sich über die Physische<lb/> und moralische Tüchtigkeit unserer colossalen Heeresmassen ein Urtheil zu bilden;<lb/> vorher aber bitte ich Sie einen Blick ans die Grundsätze zu werfen, nach denen<lb/> der nicht Adlige in Rußland dem Militärdienst verfällt, oder entgeht. Sie sind<lb/> charakteristisch für die Regierung sowohl, als das Volk.</p><lb/> <p xml:id="ID_952" next="#ID_953"> Alle uuadligeu Personen des Staates, welche das zwanzigste Lebensjahr</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0272]
Als wir in den Wald kamen und die frischgrünen Fichtenbäume mir ermu-
thigend zurauschteu, faßte ich mir ein Herz und dachte: Versuch's doch auch ein¬
mal Propaganda zu machen. Und ich hielt der armen Frau eine sanfte, aber
energische Bergpredigt, worin ich folgendes Thema in möglichst volkstümlichen
Redensarten ausführte: „Heutzutage ist mehr Religion in der Welt als in al¬
ten Zeiten; damals verehrte man den Teufel eben so wie Gott. Wenn jetzt we¬
niger Leute an Gott denken, so ist dasür fast Allen der Teufel ansgetriebon. — Die
Menschheit ist moralischer geworden, denn Eins ist sicher, und nicht gering anzu-
schlagen, daß sich die hohen Herrschaften, Könige, Adelige und Priester schon ein
klein wenig gebessert haben. Wollen Sie Beweise, liebe Fran, so lesen Sie alte
Chroniken. Diese sind nicht von Unsereinem, sondern meist von Geistlichen und Mön>
chen geschrieben. Da steht's drin, und wenn Ihr Pfarrer oder ein Anderer das
Gegentheil behauptet, so laß ich ihm sagen, daß er ein Lügner ist!" —
Hurtig, wie ein Gemszicklein, sprang die betagte Frau auf der nächsten Sta¬
tion aus dem Waggon. Aufathmend floh sie meine Gesellschaft. „Kann sein, daß
Sie kei Dieb und kei Räuber sind, junger Herr," schrie sie mir von unter ans zu,
„aber Religion Haben's keine. Nix für ungut. „B'hüt Jhre Gott," aber Sie
glauben ja an kein' Gott nicht!"
Warum siud tausend und aber tausend Seelen in Oberöstreich noch so eng und
klein, so dunkel verhängt gegen den Strahl des allerdürstigsten Wissenstrostes,
so arm, so ängstlich und krank von trauriger Schwarz- und Gelbsucht? Wenn ich
nach Salzburg komme, will ich deu Cardinal Fürsten Schwarzenberg fragen.
Russisches Heerwesen.
II.
D i e in i l i t ä r f r e i e n B a n e r n.
Wieder ist ein kaiserlicher Utah erschienen, welcher eine Rekrutirung von je
4 Mann ans 10V0 Seelen befiehlt. Durch die genaue Schilderung einer solchen
Rekrutirung werden Ihre Leser am besten in Stand gesetzt, sich über die Physische
und moralische Tüchtigkeit unserer colossalen Heeresmassen ein Urtheil zu bilden;
vorher aber bitte ich Sie einen Blick ans die Grundsätze zu werfen, nach denen
der nicht Adlige in Rußland dem Militärdienst verfällt, oder entgeht. Sie sind
charakteristisch für die Regierung sowohl, als das Volk.
Alle uuadligeu Personen des Staates, welche das zwanzigste Lebensjahr
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