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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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und jede nur irgendwie unnöthige Ausgabe ängstlich zu vermeiden suchen. Einzelne
sind aber ziemlich mittellos und müssen von ihren wohlhabenderen Gefährten un¬
terstützt werden. Eine größere Zahl unbemittelter Flüchtlinge, denen die Reise
auf der Eisenbahn zu theuer gewesen, wird noch zu Fuß nachkommen, und man
fürchtet, daß vielen von diesen die Mittel fehlen werden, um die Kosten der
Ueberfahrt nach Amerika bezahlen zu können. Ein Konnt" aus den geachtetsten
Männern aller Stände und politischen Ansichten, den verehrten Dr. Rießer an
der Spitze, hat sich daher schon gebildet und öffentlich eine Aufforderung zur
Einsendung von Geldbeiträgen für diese armen ungarischen Flüchtlinge erlassen.

Besonders gegen den General Klapka, als Führer der Schaar, richten sich
die Aufmerksamkeiten. Bei seinem Erscheinen im Theater erhob sich zum Zeichen
der Begrüßung fast das ganze Publikum und brachte ihm dreimal ein donnern¬
des Lebehoch, in welches das Orchester mit vollem Tusche einfallen mußte; und
der Jubelruf dauerte so lange, daß das Stück erst nach längerer Pause seinen
Anfang nehmen konnte. Oft machen preußische Soldaten der hiesigen Besatzung
und Schleswig-holsteinsche Soldaten aus Altona den ungarischen Offizieren sehr
ehrerbietig die militärischen Begrüßungen, sobald sie dieselben als solche erkennen.
Ich ging mit einigen der Verbannten nnter den Bäume" der Esplanade, da rief
ein preußischer Unteroffizier zu seinem Trupp: "Macht Honneurs, zum Donner¬
wetter, das sind die braven Ungarn, es ist eine Ehre, solche Offiziere z" salu-
tiren!" -- Wie ganz anders wurde in diesem Sommer der östreichische Minister
v. Schmerling hier empfangen! Die Börse, welche er besuchen wollte, zischte ihn
heraus, das Hotel, in dem er wohnte, erhielt Katzenmnsikcn und mußte dnrch
Wache vor Rohheiten geschützt werden, so daß zuletzt der Wirth den unwillkom-
menen Gast bat, sein Hans zu meiden.

Der General Klapka selbst ist ein Mann von mittlerer Größe, kräftigem
Wuchs, mit einem ernsten Gesicht von finsterem Ausdruck, ungefähr 35 bis 36
Jahr alt. Er sieht wohl danach aus, als wenn er sein Handwerk verstehe und
seinen Befehlen den gehörigen Nachdruck zu geben wisse. Auch sonst sieht man
uuter den Offizieren viele schöne Gestalten mit ausdrucksvollen Zügen. Unter den
jüngern Männern, die zum Theil den ersten ungarische" Familien angehören, si"d
mehrere vou wirklich auffallender männlicher Schönheit und dabei von einem so
ritterlichen Anstand, wie man ihn nicht häufig findet.

Die Mehrzahl aller dieser Ungar" will sich vo" hier, sobald sich passende
Gelegenheit findet, direct nach Nordamerika einschiffen, und dort wo möglich e"le
eigene ungarische Kolonie gründen. Klapka und noch einige bedeutende Führer
wollen zuerst uach England, um dort die Ereignisse der nächsten Zeit abzuwarten
und dann später sich ebenfalls nach Nordamerika zu begeben.


und jede nur irgendwie unnöthige Ausgabe ängstlich zu vermeiden suchen. Einzelne
sind aber ziemlich mittellos und müssen von ihren wohlhabenderen Gefährten un¬
terstützt werden. Eine größere Zahl unbemittelter Flüchtlinge, denen die Reise
auf der Eisenbahn zu theuer gewesen, wird noch zu Fuß nachkommen, und man
fürchtet, daß vielen von diesen die Mittel fehlen werden, um die Kosten der
Ueberfahrt nach Amerika bezahlen zu können. Ein Konnt« aus den geachtetsten
Männern aller Stände und politischen Ansichten, den verehrten Dr. Rießer an
der Spitze, hat sich daher schon gebildet und öffentlich eine Aufforderung zur
Einsendung von Geldbeiträgen für diese armen ungarischen Flüchtlinge erlassen.

Besonders gegen den General Klapka, als Führer der Schaar, richten sich
die Aufmerksamkeiten. Bei seinem Erscheinen im Theater erhob sich zum Zeichen
der Begrüßung fast das ganze Publikum und brachte ihm dreimal ein donnern¬
des Lebehoch, in welches das Orchester mit vollem Tusche einfallen mußte; und
der Jubelruf dauerte so lange, daß das Stück erst nach längerer Pause seinen
Anfang nehmen konnte. Oft machen preußische Soldaten der hiesigen Besatzung
und Schleswig-holsteinsche Soldaten aus Altona den ungarischen Offizieren sehr
ehrerbietig die militärischen Begrüßungen, sobald sie dieselben als solche erkennen.
Ich ging mit einigen der Verbannten nnter den Bäume» der Esplanade, da rief
ein preußischer Unteroffizier zu seinem Trupp: „Macht Honneurs, zum Donner¬
wetter, das sind die braven Ungarn, es ist eine Ehre, solche Offiziere z» salu-
tiren!" — Wie ganz anders wurde in diesem Sommer der östreichische Minister
v. Schmerling hier empfangen! Die Börse, welche er besuchen wollte, zischte ihn
heraus, das Hotel, in dem er wohnte, erhielt Katzenmnsikcn und mußte dnrch
Wache vor Rohheiten geschützt werden, so daß zuletzt der Wirth den unwillkom-
menen Gast bat, sein Hans zu meiden.

Der General Klapka selbst ist ein Mann von mittlerer Größe, kräftigem
Wuchs, mit einem ernsten Gesicht von finsterem Ausdruck, ungefähr 35 bis 36
Jahr alt. Er sieht wohl danach aus, als wenn er sein Handwerk verstehe und
seinen Befehlen den gehörigen Nachdruck zu geben wisse. Auch sonst sieht man
uuter den Offizieren viele schöne Gestalten mit ausdrucksvollen Zügen. Unter den
jüngern Männern, die zum Theil den ersten ungarische» Familien angehören, si»d
mehrere vou wirklich auffallender männlicher Schönheit und dabei von einem so
ritterlichen Anstand, wie man ihn nicht häufig findet.

Die Mehrzahl aller dieser Ungar» will sich vo» hier, sobald sich passende
Gelegenheit findet, direct nach Nordamerika einschiffen, und dort wo möglich e"le
eigene ungarische Kolonie gründen. Klapka und noch einige bedeutende Führer
wollen zuerst uach England, um dort die Ereignisse der nächsten Zeit abzuwarten
und dann später sich ebenfalls nach Nordamerika zu begeben.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/238>, abgerufen am 15.01.2025.