Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wo die Strömung bedeutend »ach rückwärts seance, schwimmen die guten Männer wieder
zurück wie leichtes Holz, wie ein Kahn ohne Fährmann und Steuer. Prags Bürger¬
meister, und Prags Nationalgardecommandant sind heute gleichsam die beiden Hände
des Belagerungszustandes und helfen das gutmüthige, zu Zeiten sehr läppische Prag
am Gängelbande führen, damit es ja nicht stolpere, weil es Nacht ist und alle Frei¬
heitslichter ausgeblasen worden.

In diesen beiden Männern und ihrer heutigen Wirksamkeit ist das Prinzip der
Nationalitätsgleichberechtignng recht erbaulich verkörpert. Der Bürgermeister ist Czeche,
der Nationalgardecommandant ist Deutscher von Geburt. Beide sind weder das eine
noch das andere von Gesinnung.

Nichts währet ewig in dieser Welt von Sterblichen, und so wird denn auch der
Belagerungszustand seine Endschaft erreichen, ist nur erst die Garnison verdoppelt oder
verdreifacht und auf diese Weise die Sorge beschwichtigt, es könnte das Czechenvolk
einen Angriff aus das wohlbefestigte Prager Schloß unternehmen. Geht der Belage¬
rungszustand zu Ende, so endet wohl mit ihm auch die Glorie der treuen Gehilfen,
darum legen wir die Nekrologe für diese beiden Celebritäten in den Archiven der Grenz¬
boten im voraus nieder und zünden die Kerzen an um die präsumtiven Leichname
zweier Berühmtheiten, welche wohl einstens, gibt es wieder eine unbelagerte Freiheit,
in den Katakomben der Mißachtung ruhig liegen bleiben werden.

Herr Waclaw Wanka, derzeit Bürgermeister der Stadt Prag, nebstbei Doctor der
Rechte und Landesadvocat, um das Jahr 1803 i» Prag auf dem Roßmarkte im Häuft
zum Primas geboren, Sohn eines sehr wohlhabenden Brcmhcrrn, hat seine Studien
in Prag absolvirt, seine Doctoratsprüsungen mit Glück, oder doch glücklich überstan¬
den, ist sodann Doctor, und da er nicht starb, sondern andre überlebte, sogar Landes¬
advocat geworden, — vor Anno 1848 war manches möglich — daß er Advocat ge¬
worden, wurde bekannt, daß er es wirklich sei, davon verlautete wenig.

Herr Waclaw Wanka vegetirte bis zum März l848 behaglich fort, verehelichte
sich und zeugte Kinder, nährte sich von dem väterlich ererbten Vermögen redlich und
reichlich, da kam die Bewegung herau, und sein Name wurde dnrch seinen Bruder po¬
pulär, welcher, ein tüchtiger ehrlicher Bürger, das Braugewerbe seines Vaters in gro¬
ßem Maßstabe fortsetzend, in den Tagen der Bewegung dem Volke viel Gutes erwies.
Dr. Anton Strobach, der seit so laugen Jahren wieder crstgcwählter Bürgermeister
Prags, hatte sehr zur Unzeit, mehr sich selber als die Sache bedenkend, abgedankt,
kaum sechs Wochen nach seiner Wahl; sein Nachfolger war in unbedachter Hast ge¬
wählt worden, weil Strobach auffallend genng einen Terroristen empfohlen, mußte je¬
doch kurz darauf abdanken. Eine neue Wahl war nothwendig, das Bürgercollegium
zum Wahlakte versammelt, doch niemand geeigneter, zur Annahme des Amts geneigter,
fand sich, da trat Herr Waclaw Wanka in den Saal als stattlicher Nativnalgarde-
hauptmann, irgend einer der Versammlung rief, vielleicht ironisch, was Ecce Homo-
dieses da sei unser Bürgermeister! und er ward es in der That, denn froh waren die
Wähler endlich, aus der Wahlverlegenheit zu gerathen.

In jenen Tagen, wo alles radikal war oder schien, war es auch Herr Waclaw
Wanka, unterstützte v. Aloys Borrvsch den Stadtverordneten, welcher den schwache»
Bürgermeister unterstützend, in seinem Namen handelte und sprach. Verwickele und dornig
wurden die Verhältnisse und Herr Wanka blieb radikal, es war das ein Muth der Furcht,
er wagte nicht anders zu scheinen als seine Umgebung es war oder schien.

Die blutigen Junitage kamen heran. Herr Waclaw Wanka schien mächtig mit dew


Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/202
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/202>, abgerufen am 23.01.2025.