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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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mälig, aber unvermeidlich; und an der immer drohender werdenden Eutwerihung
dieser Scheine im Inlands verliert er auch sein Vermögen. ,

Und deshalb hat das plötzliche Verschwinden der Banknoten den deutschen
Waarenhäudler so betroffen gemacht. Allerdings ist möglich, daß man sich über
die Ursachen dieses Verschwindens täuscht, und daß die neue Anleihe ein freiwil¬
liges Strömen der Banknoten in die Seiteukanäle des ministeriellen Geschäfts
verursacht hat; aber schon die schnelle Furcht der Handelswelt ist ein Beweis, wie
gefährlich die Geldverhältnisse der Monarchie sind und auf wie schwachen Füßen
das Vertrauen zum Staate steht, welches doch die Grundlage alles Verkehrs
bilden muß.

In der That thut der östreichische Kaufmann gut, die Augen zu schließen,
sich in die Geldverhältnisse des Staates so leicht als möglich zu schicken und auf
nichts Anderes zu achten, als aufhellt eigenes Geschäft. Denn wenn er in die
Zukunft denkt und an die Abhängigkeit, in welcher er als Einzelner vou den Ver¬
mögensverhältnissen seiner Nation steht, so muß ihm sehr schwül zu Muthe wer¬
den. Keine menschliche Einsicht kann absehn, wie sich die Geldverhältnisse im Volk
bessern sollen, und der Geschäststreibende ist wie ein verschlagener Seemann auf
wildem Meer, rings von Klippen umgeben. Es war schon weit gekommen, als
man die Banknoten mit ihrer mangelhaften Sicherheit, als die beste Valuta
schätzen und suchen lernte; schon der gänzliche Mangel an Silber- und Kupfergeld
hat so viel Demoralisation, so große Verluste und einen so gewagten und un¬
solider Geschäftsbetrieb hervorgerufen, daß das allein schon für ein ungeheures
Unglück zu halten wäre. Aber außerdem sind die Taschen der Käufer und Ver¬
käufer mit unzähligen bunten Papierfetzen gefüllt, darunter Kreuzernoten von
Wnrstfabrikautcu, Bierwirtheu, Seifensiedern, Restaurateuren ?c. Fast jeder Fa¬
brikant und kleine Gewürzhändler hat seine Noten emittirt, die Verluste und
Gaunereien bei der einstigen Einlösung derselben lassen sich noch gar nicht über^
sehn. Ist doch der Staat bei der Fabrikation seines Papiergeldes mit gutem
Beispiel vorausgegangen, er hat seine Noten eben so ins Blaue hinein gemacht, wie
die meisten kleinen Händler. Eine vollständige Zersetzung und Auflösung des
geschäftlichen Verkehrs hat bereits in den untern Schichten des Volkes begonnen.
Die Regierung hat kein Mittel, dieser Fäulniß zu steuern. In den obern Re¬
gionen hat sie versucht, durch eine neue Anleihe die Existenz des Staates zu retten.
Wir an der Grenze können uus noch nicht überzeugen, daß die neue Anleihe von
71 Millionen Gulden viel Silber in die Negierungskassen führen wird. Bis jetzt
sind es fast nur östreichische Bankiers, w-elche sich bei der Anleihe betheiligt ha¬
ben; d. h. sie haben übernommen, gegen Cvmmisstonsgcbührcu das Anlehn auf
dem Geldmarkt unterzubringen. Das wird voraussichtlich nicht gelingen; denn
selbst der gedrückte Cours von 84 pCt. in Wien ist immer noch ein künstlicher.
Auf auswärtigen Börsen hat diese Anleihe fast gar keinen Cours, sie hat nur die


mälig, aber unvermeidlich; und an der immer drohender werdenden Eutwerihung
dieser Scheine im Inlands verliert er auch sein Vermögen. ,

Und deshalb hat das plötzliche Verschwinden der Banknoten den deutschen
Waarenhäudler so betroffen gemacht. Allerdings ist möglich, daß man sich über
die Ursachen dieses Verschwindens täuscht, und daß die neue Anleihe ein freiwil¬
liges Strömen der Banknoten in die Seiteukanäle des ministeriellen Geschäfts
verursacht hat; aber schon die schnelle Furcht der Handelswelt ist ein Beweis, wie
gefährlich die Geldverhältnisse der Monarchie sind und auf wie schwachen Füßen
das Vertrauen zum Staate steht, welches doch die Grundlage alles Verkehrs
bilden muß.

In der That thut der östreichische Kaufmann gut, die Augen zu schließen,
sich in die Geldverhältnisse des Staates so leicht als möglich zu schicken und auf
nichts Anderes zu achten, als aufhellt eigenes Geschäft. Denn wenn er in die
Zukunft denkt und an die Abhängigkeit, in welcher er als Einzelner vou den Ver¬
mögensverhältnissen seiner Nation steht, so muß ihm sehr schwül zu Muthe wer¬
den. Keine menschliche Einsicht kann absehn, wie sich die Geldverhältnisse im Volk
bessern sollen, und der Geschäststreibende ist wie ein verschlagener Seemann auf
wildem Meer, rings von Klippen umgeben. Es war schon weit gekommen, als
man die Banknoten mit ihrer mangelhaften Sicherheit, als die beste Valuta
schätzen und suchen lernte; schon der gänzliche Mangel an Silber- und Kupfergeld
hat so viel Demoralisation, so große Verluste und einen so gewagten und un¬
solider Geschäftsbetrieb hervorgerufen, daß das allein schon für ein ungeheures
Unglück zu halten wäre. Aber außerdem sind die Taschen der Käufer und Ver¬
käufer mit unzähligen bunten Papierfetzen gefüllt, darunter Kreuzernoten von
Wnrstfabrikautcu, Bierwirtheu, Seifensiedern, Restaurateuren ?c. Fast jeder Fa¬
brikant und kleine Gewürzhändler hat seine Noten emittirt, die Verluste und
Gaunereien bei der einstigen Einlösung derselben lassen sich noch gar nicht über^
sehn. Ist doch der Staat bei der Fabrikation seines Papiergeldes mit gutem
Beispiel vorausgegangen, er hat seine Noten eben so ins Blaue hinein gemacht, wie
die meisten kleinen Händler. Eine vollständige Zersetzung und Auflösung des
geschäftlichen Verkehrs hat bereits in den untern Schichten des Volkes begonnen.
Die Regierung hat kein Mittel, dieser Fäulniß zu steuern. In den obern Re¬
gionen hat sie versucht, durch eine neue Anleihe die Existenz des Staates zu retten.
Wir an der Grenze können uus noch nicht überzeugen, daß die neue Anleihe von
71 Millionen Gulden viel Silber in die Negierungskassen führen wird. Bis jetzt
sind es fast nur östreichische Bankiers, w-elche sich bei der Anleihe betheiligt ha¬
ben; d. h. sie haben übernommen, gegen Cvmmisstonsgcbührcu das Anlehn auf
dem Geldmarkt unterzubringen. Das wird voraussichtlich nicht gelingen; denn
selbst der gedrückte Cours von 84 pCt. in Wien ist immer noch ein künstlicher.
Auf auswärtigen Börsen hat diese Anleihe fast gar keinen Cours, sie hat nur die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/187>, abgerufen am 15.01.2025.