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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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im lebhaften Gespräch begriffen. -- Ein Handzar in silberner, kunstreich ciselirter
Scheide lag auf einem Seitentisch, daneben eine Pistole, kostbar mit Perlmutter
und Silber ausgelegt, die zweite correspondirende stak in Herrn Wucic's Leibgurt.
Ich erfuhr später, daß er diese Waffe niemals ablegt.

Der Woiwvde grüßte mit dem Kopfe nickend und bot mir die Rechte zum
Händedruck. "Gut gekommen!" lautete der althergebrachte Gruß.

"Besser gefunden, am besten gefunden" -- war die gebräuchliche Antwort.

"Du kommst aus Karlovic?"

Ich bejahte.

"El, wie steht es dort? -- Machen die Magyaren -- der Teufel soll ihnen

die Seele--unsern Leuten noch immer zu schassen? Wie geht es unserm
würdigen Vater, des Patriarchen Heiligkeit? Was macht mein lieber Sohn, der
Knicanin, der wackere Junge, den Gott erhalten möge? Ich weiß, er hält sich
brav uno klopft die Magyaren fleißig."

Wucic hörte meine berichtende Antwort mit gespannter Theilnahme, bald mit
einem freundlichen Lachen Und behaglichem Streicheln des grauen Schnurrbartes,
wenn von einer günstigen Affaire der Serben die Rede war, bald mit raschem
Zusammenziehen der großen buschigen Augenbrauen, wenn ich einen unangenehmen
Zwischenfall im serbischen Waffenglück berührte. Mitunter ließ der greise Herr
eine scharfsinnige Bemerkung über die strategische Situation der Serben fallen und
machte so jugendlich begeisterte patriotische Betrachtungen, daß ich in Erstannen
gerieth. Nach einer Weile ersuchte er mich, ihm auf deu Balkon zu folgen und
in der kühlenden Abendluft auf einem schwellenden Sopha Platz zu nehmen. Auf
seinen Wink brachte ein Diener einen reich verzierten Cibbnk von guten drei Ellen
Länge und hielt mir mit der einen Hand das monströse Rohr ans persischem Weich¬
selholz wie einen Wurfspieß vor den Mund, während er mit der andern die glü¬
hende Kohle auf den feingeringelten, goldgelben Levantcblättern zurecht richtete.
Ich mußte feierlich die Gastpfeife rauchen, köstlichen, orientalischen Tabak, von
dessen Arom ein Nordländer selten einen Begriff hat. Zwei andere Lakaien kre¬
denzten in kleinen Porzellainnäpfchen auf silbernen Unterseen duftigen Mokkakasse
und in einer schöngeschliffenen Krystallbüchse das sogenannte Sladno, den Scherbet
der Serben.

Ich bewunderte die imponirende Athletengestalt des Woiwoden! Ein riesiger
Körper, sehnig und muskulös mit hochgewölbten Brustkasten. Der Kopf wie eine
edele Antike, eine nicht zu hohe, etwas gewölbte Stirn von schwarzgrauem, dich¬
tem Haar umsäumt, die Nase gebogen, ein dunkles stechendes Augenpaar von bu¬
schigen Brauen und dichten Wimpern beschattet. Ueber dem feingeschnittenen
Munde, den ein schlauer Zug umspielt, häugt ein mächtiger grauer Schnurrbart.
Die Jahre sind fast spurlos an der hohen Gestalt und ihrem noch immer schö¬
nen Zügen vorübergegangen, man würde nach seinem Aussehen den Woiwoden auf


im lebhaften Gespräch begriffen. — Ein Handzar in silberner, kunstreich ciselirter
Scheide lag auf einem Seitentisch, daneben eine Pistole, kostbar mit Perlmutter
und Silber ausgelegt, die zweite correspondirende stak in Herrn Wucic's Leibgurt.
Ich erfuhr später, daß er diese Waffe niemals ablegt.

Der Woiwvde grüßte mit dem Kopfe nickend und bot mir die Rechte zum
Händedruck. „Gut gekommen!" lautete der althergebrachte Gruß.

„Besser gefunden, am besten gefunden" — war die gebräuchliche Antwort.

„Du kommst aus Karlovic?"

Ich bejahte.

„El, wie steht es dort? — Machen die Magyaren — der Teufel soll ihnen

die Seele--unsern Leuten noch immer zu schassen? Wie geht es unserm
würdigen Vater, des Patriarchen Heiligkeit? Was macht mein lieber Sohn, der
Knicanin, der wackere Junge, den Gott erhalten möge? Ich weiß, er hält sich
brav uno klopft die Magyaren fleißig."

Wucic hörte meine berichtende Antwort mit gespannter Theilnahme, bald mit
einem freundlichen Lachen Und behaglichem Streicheln des grauen Schnurrbartes,
wenn von einer günstigen Affaire der Serben die Rede war, bald mit raschem
Zusammenziehen der großen buschigen Augenbrauen, wenn ich einen unangenehmen
Zwischenfall im serbischen Waffenglück berührte. Mitunter ließ der greise Herr
eine scharfsinnige Bemerkung über die strategische Situation der Serben fallen und
machte so jugendlich begeisterte patriotische Betrachtungen, daß ich in Erstannen
gerieth. Nach einer Weile ersuchte er mich, ihm auf deu Balkon zu folgen und
in der kühlenden Abendluft auf einem schwellenden Sopha Platz zu nehmen. Auf
seinen Wink brachte ein Diener einen reich verzierten Cibbnk von guten drei Ellen
Länge und hielt mir mit der einen Hand das monströse Rohr ans persischem Weich¬
selholz wie einen Wurfspieß vor den Mund, während er mit der andern die glü¬
hende Kohle auf den feingeringelten, goldgelben Levantcblättern zurecht richtete.
Ich mußte feierlich die Gastpfeife rauchen, köstlichen, orientalischen Tabak, von
dessen Arom ein Nordländer selten einen Begriff hat. Zwei andere Lakaien kre¬
denzten in kleinen Porzellainnäpfchen auf silbernen Unterseen duftigen Mokkakasse
und in einer schöngeschliffenen Krystallbüchse das sogenannte Sladno, den Scherbet
der Serben.

Ich bewunderte die imponirende Athletengestalt des Woiwoden! Ein riesiger
Körper, sehnig und muskulös mit hochgewölbten Brustkasten. Der Kopf wie eine
edele Antike, eine nicht zu hohe, etwas gewölbte Stirn von schwarzgrauem, dich¬
tem Haar umsäumt, die Nase gebogen, ein dunkles stechendes Augenpaar von bu¬
schigen Brauen und dichten Wimpern beschattet. Ueber dem feingeschnittenen
Munde, den ein schlauer Zug umspielt, häugt ein mächtiger grauer Schnurrbart.
Die Jahre sind fast spurlos an der hohen Gestalt und ihrem noch immer schö¬
nen Zügen vorübergegangen, man würde nach seinem Aussehen den Woiwoden auf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/18>, abgerufen am 15.01.2025.