Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

wird, so lange das Gesetz der Todesstrafe besteht. Ein Rittmeister, der später
mit kaiserlichen Truppen in die Ortschaft einzog, ließ die Frau aus öffentlichem
Platze peitschen, und als er zur Rede gestellt wurde, sagteer: daß seine Mann¬
schaft nicht zu halten gewesen sei. Der Sohn der gepeitschten Fran wurde unter
die Soldaten gesteckt, ihr Mann entleibte sich mit einem Pöllerschuß.

Die That des Offiziers ist nur eine Folge der k. k. Anarchie, die Tausende
größere und kleinere Willkürlichkeiten erzeugt; der 6. October 1849 überragt je¬
doch alle, er setzt der k. k. Anarchie die Krone auf.

In Pesth wurde an diesem Tage der ungarische Premierminister Graf Lud¬
wig Batthyany zum Strange verurtheilt, erschossen; in Acad am selben Tage
1,3 Führer der Magyaren theils gehängt, theils erschossen.

Wenn der Donner aus schwarzem Gewölke grollt, und der Blitzschlag zer¬
stört ein Haus, so wird dennoch die hehre Natur bewundert; wenn aber das Ge¬
witter bereits abgezogen ist, und aus dem sich klärenden Horizonte ein Blitz den
Wanderer niederschlägt, umflort sich der Gedanke und das Gefühl. Seit dem
Februar 1848 hat Nichts in solcher Weise erschüttert, aufgeregt, erbittert und
mit Zorn erfüllt, als diese Missethat militärischer Anarchie.

Ludwig Batthyany, einer der ersten Magnaten Ungarns, hatte mehr Talent
als Wissen, mehr guten Willen als Erfahrung im Regiernngswesen. Ein vollen¬
deter Aristokrat riß ihn der Patriotismus auf die Seite der liberalen Vvlksführer,
da er auch die Schlechtigkeit der vormärzlichen Regieriingsmänner zu erkennen und
zu mißachten Gelegenheit fand. Als Chef der Oppositionspartei bei der Magna¬
tentafel brachte ihn gleiche Tendenz, wovon aber eine Entfernung des Hauses
Habsburg oder eine Losreißung von Oestreich weit entfernt war, in Verbindung
mit Kossuth, der das Haupt der Opposition bei der Deputirtenkammer war. Die
Wiener Revolution gab den Ungarn ein selbstständiges Ministerium, dessen Prä¬
sident Batthyany wurde. Hand in Hand mit dem Palatin, seinem Freunde, dem
Erzherzog Stephan, besorgte er das Portefeuille, bis der Strom der Ereignisse
ihm den Mangel an staatsmännischer Bildung fühlbar machte. Er trat ab. Der
Einfall des Jellachich auf ungarischen Boden bewog Batthyany, als gemeiner Hu-
sar gegen ihn zu ziehen. Als einfacher Deputirter nahm er dann an den Be¬
rathungen in Pesth Theil, bis Windischgrätz erschien. Batthyany, dies ist ein
Hauptpunkt, blieb in Pesth, er ging frei herum, als die kaiserlichen Truppen
einzogen, und erst einige Zeit später wurde er zur Haft gebracht. Batthyany
war also nicht in Debreczin, und blieb allen weitern Vorkommnissen, seit dem Jän¬
ner, fremd. Vor das Kriegsgericht gezogen, verweigerte er Anfangs jede Ant¬
wort, da er nach den Landesgesetzen gerichtet werden wollte; als Magnat durch
die Scptemviraltafel, als Minister durch die Reichstafel. Als man hierauf mit
Erschießen drohte, gestand er die Macht zu, aber nicht das Recht. Um sich zu
rechtfertigen, ließ er endlich den Prozeß beginnen, der, bei der Verwicklung aller


wird, so lange das Gesetz der Todesstrafe besteht. Ein Rittmeister, der später
mit kaiserlichen Truppen in die Ortschaft einzog, ließ die Frau aus öffentlichem
Platze peitschen, und als er zur Rede gestellt wurde, sagteer: daß seine Mann¬
schaft nicht zu halten gewesen sei. Der Sohn der gepeitschten Fran wurde unter
die Soldaten gesteckt, ihr Mann entleibte sich mit einem Pöllerschuß.

Die That des Offiziers ist nur eine Folge der k. k. Anarchie, die Tausende
größere und kleinere Willkürlichkeiten erzeugt; der 6. October 1849 überragt je¬
doch alle, er setzt der k. k. Anarchie die Krone auf.

In Pesth wurde an diesem Tage der ungarische Premierminister Graf Lud¬
wig Batthyany zum Strange verurtheilt, erschossen; in Acad am selben Tage
1,3 Führer der Magyaren theils gehängt, theils erschossen.

Wenn der Donner aus schwarzem Gewölke grollt, und der Blitzschlag zer¬
stört ein Haus, so wird dennoch die hehre Natur bewundert; wenn aber das Ge¬
witter bereits abgezogen ist, und aus dem sich klärenden Horizonte ein Blitz den
Wanderer niederschlägt, umflort sich der Gedanke und das Gefühl. Seit dem
Februar 1848 hat Nichts in solcher Weise erschüttert, aufgeregt, erbittert und
mit Zorn erfüllt, als diese Missethat militärischer Anarchie.

Ludwig Batthyany, einer der ersten Magnaten Ungarns, hatte mehr Talent
als Wissen, mehr guten Willen als Erfahrung im Regiernngswesen. Ein vollen¬
deter Aristokrat riß ihn der Patriotismus auf die Seite der liberalen Vvlksführer,
da er auch die Schlechtigkeit der vormärzlichen Regieriingsmänner zu erkennen und
zu mißachten Gelegenheit fand. Als Chef der Oppositionspartei bei der Magna¬
tentafel brachte ihn gleiche Tendenz, wovon aber eine Entfernung des Hauses
Habsburg oder eine Losreißung von Oestreich weit entfernt war, in Verbindung
mit Kossuth, der das Haupt der Opposition bei der Deputirtenkammer war. Die
Wiener Revolution gab den Ungarn ein selbstständiges Ministerium, dessen Prä¬
sident Batthyany wurde. Hand in Hand mit dem Palatin, seinem Freunde, dem
Erzherzog Stephan, besorgte er das Portefeuille, bis der Strom der Ereignisse
ihm den Mangel an staatsmännischer Bildung fühlbar machte. Er trat ab. Der
Einfall des Jellachich auf ungarischen Boden bewog Batthyany, als gemeiner Hu-
sar gegen ihn zu ziehen. Als einfacher Deputirter nahm er dann an den Be¬
rathungen in Pesth Theil, bis Windischgrätz erschien. Batthyany, dies ist ein
Hauptpunkt, blieb in Pesth, er ging frei herum, als die kaiserlichen Truppen
einzogen, und erst einige Zeit später wurde er zur Haft gebracht. Batthyany
war also nicht in Debreczin, und blieb allen weitern Vorkommnissen, seit dem Jän¬
ner, fremd. Vor das Kriegsgericht gezogen, verweigerte er Anfangs jede Ant¬
wort, da er nach den Landesgesetzen gerichtet werden wollte; als Magnat durch
die Scptemviraltafel, als Minister durch die Reichstafel. Als man hierauf mit
Erschießen drohte, gestand er die Macht zu, aber nicht das Recht. Um sich zu
rechtfertigen, ließ er endlich den Prozeß beginnen, der, bei der Verwicklung aller


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0158" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279706"/>
          <p xml:id="ID_514" prev="#ID_513"> wird, so lange das Gesetz der Todesstrafe besteht. Ein Rittmeister, der später<lb/>
mit kaiserlichen Truppen in die Ortschaft einzog, ließ die Frau aus öffentlichem<lb/>
Platze peitschen, und als er zur Rede gestellt wurde, sagteer: daß seine Mann¬<lb/>
schaft nicht zu halten gewesen sei. Der Sohn der gepeitschten Fran wurde unter<lb/>
die Soldaten gesteckt, ihr Mann entleibte sich mit einem Pöllerschuß.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_515"> Die That des Offiziers ist nur eine Folge der k. k. Anarchie, die Tausende<lb/>
größere und kleinere Willkürlichkeiten erzeugt; der 6. October 1849 überragt je¬<lb/>
doch alle, er setzt der k. k. Anarchie die Krone auf.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_516"> In Pesth wurde an diesem Tage der ungarische Premierminister Graf Lud¬<lb/>
wig Batthyany zum Strange verurtheilt, erschossen; in Acad am selben Tage<lb/>
1,3 Führer der Magyaren theils gehängt, theils erschossen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_517"> Wenn der Donner aus schwarzem Gewölke grollt, und der Blitzschlag zer¬<lb/>
stört ein Haus, so wird dennoch die hehre Natur bewundert; wenn aber das Ge¬<lb/>
witter bereits abgezogen ist, und aus dem sich klärenden Horizonte ein Blitz den<lb/>
Wanderer niederschlägt, umflort sich der Gedanke und das Gefühl. Seit dem<lb/>
Februar 1848 hat Nichts in solcher Weise erschüttert, aufgeregt, erbittert und<lb/>
mit Zorn erfüllt, als diese Missethat militärischer Anarchie.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_518" next="#ID_519"> Ludwig Batthyany, einer der ersten Magnaten Ungarns, hatte mehr Talent<lb/>
als Wissen, mehr guten Willen als Erfahrung im Regiernngswesen. Ein vollen¬<lb/>
deter Aristokrat riß ihn der Patriotismus auf die Seite der liberalen Vvlksführer,<lb/>
da er auch die Schlechtigkeit der vormärzlichen Regieriingsmänner zu erkennen und<lb/>
zu mißachten Gelegenheit fand. Als Chef der Oppositionspartei bei der Magna¬<lb/>
tentafel brachte ihn gleiche Tendenz, wovon aber eine Entfernung des Hauses<lb/>
Habsburg oder eine Losreißung von Oestreich weit entfernt war, in Verbindung<lb/>
mit Kossuth, der das Haupt der Opposition bei der Deputirtenkammer war. Die<lb/>
Wiener Revolution gab den Ungarn ein selbstständiges Ministerium, dessen Prä¬<lb/>
sident Batthyany wurde. Hand in Hand mit dem Palatin, seinem Freunde, dem<lb/>
Erzherzog Stephan, besorgte er das Portefeuille, bis der Strom der Ereignisse<lb/>
ihm den Mangel an staatsmännischer Bildung fühlbar machte. Er trat ab. Der<lb/>
Einfall des Jellachich auf ungarischen Boden bewog Batthyany, als gemeiner Hu-<lb/>
sar gegen ihn zu ziehen. Als einfacher Deputirter nahm er dann an den Be¬<lb/>
rathungen in Pesth Theil, bis Windischgrätz erschien. Batthyany, dies ist ein<lb/>
Hauptpunkt, blieb in Pesth, er ging frei herum, als die kaiserlichen Truppen<lb/>
einzogen, und erst einige Zeit später wurde er zur Haft gebracht. Batthyany<lb/>
war also nicht in Debreczin, und blieb allen weitern Vorkommnissen, seit dem Jän¬<lb/>
ner, fremd. Vor das Kriegsgericht gezogen, verweigerte er Anfangs jede Ant¬<lb/>
wort, da er nach den Landesgesetzen gerichtet werden wollte; als Magnat durch<lb/>
die Scptemviraltafel, als Minister durch die Reichstafel. Als man hierauf mit<lb/>
Erschießen drohte, gestand er die Macht zu, aber nicht das Recht. Um sich zu<lb/>
rechtfertigen, ließ er endlich den Prozeß beginnen, der, bei der Verwicklung aller</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0158] wird, so lange das Gesetz der Todesstrafe besteht. Ein Rittmeister, der später mit kaiserlichen Truppen in die Ortschaft einzog, ließ die Frau aus öffentlichem Platze peitschen, und als er zur Rede gestellt wurde, sagteer: daß seine Mann¬ schaft nicht zu halten gewesen sei. Der Sohn der gepeitschten Fran wurde unter die Soldaten gesteckt, ihr Mann entleibte sich mit einem Pöllerschuß. Die That des Offiziers ist nur eine Folge der k. k. Anarchie, die Tausende größere und kleinere Willkürlichkeiten erzeugt; der 6. October 1849 überragt je¬ doch alle, er setzt der k. k. Anarchie die Krone auf. In Pesth wurde an diesem Tage der ungarische Premierminister Graf Lud¬ wig Batthyany zum Strange verurtheilt, erschossen; in Acad am selben Tage 1,3 Führer der Magyaren theils gehängt, theils erschossen. Wenn der Donner aus schwarzem Gewölke grollt, und der Blitzschlag zer¬ stört ein Haus, so wird dennoch die hehre Natur bewundert; wenn aber das Ge¬ witter bereits abgezogen ist, und aus dem sich klärenden Horizonte ein Blitz den Wanderer niederschlägt, umflort sich der Gedanke und das Gefühl. Seit dem Februar 1848 hat Nichts in solcher Weise erschüttert, aufgeregt, erbittert und mit Zorn erfüllt, als diese Missethat militärischer Anarchie. Ludwig Batthyany, einer der ersten Magnaten Ungarns, hatte mehr Talent als Wissen, mehr guten Willen als Erfahrung im Regiernngswesen. Ein vollen¬ deter Aristokrat riß ihn der Patriotismus auf die Seite der liberalen Vvlksführer, da er auch die Schlechtigkeit der vormärzlichen Regieriingsmänner zu erkennen und zu mißachten Gelegenheit fand. Als Chef der Oppositionspartei bei der Magna¬ tentafel brachte ihn gleiche Tendenz, wovon aber eine Entfernung des Hauses Habsburg oder eine Losreißung von Oestreich weit entfernt war, in Verbindung mit Kossuth, der das Haupt der Opposition bei der Deputirtenkammer war. Die Wiener Revolution gab den Ungarn ein selbstständiges Ministerium, dessen Prä¬ sident Batthyany wurde. Hand in Hand mit dem Palatin, seinem Freunde, dem Erzherzog Stephan, besorgte er das Portefeuille, bis der Strom der Ereignisse ihm den Mangel an staatsmännischer Bildung fühlbar machte. Er trat ab. Der Einfall des Jellachich auf ungarischen Boden bewog Batthyany, als gemeiner Hu- sar gegen ihn zu ziehen. Als einfacher Deputirter nahm er dann an den Be¬ rathungen in Pesth Theil, bis Windischgrätz erschien. Batthyany, dies ist ein Hauptpunkt, blieb in Pesth, er ging frei herum, als die kaiserlichen Truppen einzogen, und erst einige Zeit später wurde er zur Haft gebracht. Batthyany war also nicht in Debreczin, und blieb allen weitern Vorkommnissen, seit dem Jän¬ ner, fremd. Vor das Kriegsgericht gezogen, verweigerte er Anfangs jede Ant¬ wort, da er nach den Landesgesetzen gerichtet werden wollte; als Magnat durch die Scptemviraltafel, als Minister durch die Reichstafel. Als man hierauf mit Erschießen drohte, gestand er die Macht zu, aber nicht das Recht. Um sich zu rechtfertigen, ließ er endlich den Prozeß beginnen, der, bei der Verwicklung aller

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/158
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/158>, abgerufen am 15.01.2025.