Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.ja er wurde sogar in den letzten Wochen seiner Ministerpräsidentschaft von den An demselben Tage wurden in der Festung Arad 13 Generale, und zwar Nun denken Sie sich d.-s Gefühl der geknechteten Pesther, die solche schau¬ Und all diese täglichen Verurtheilungen und Blutgerichte sollen uns einen Durch das neu eingeführte und nach dem Wiener Hauptmustcr hier weit ver- ja er wurde sogar in den letzten Wochen seiner Ministerpräsidentschaft von den An demselben Tage wurden in der Festung Arad 13 Generale, und zwar Nun denken Sie sich d.-s Gefühl der geknechteten Pesther, die solche schau¬ Und all diese täglichen Verurtheilungen und Blutgerichte sollen uns einen Durch das neu eingeführte und nach dem Wiener Hauptmustcr hier weit ver- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0154" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279702"/> <p xml:id="ID_496" prev="#ID_495"> ja er wurde sogar in den letzten Wochen seiner Ministerpräsidentschaft von den<lb/> Liberalen als reactionär verschrieen. Er war Anführer der Deputation, welche der<lb/> ungarische Reichstag dem Fürsten Windischgrätz bei seinem Vorrücken gegen Pesth<lb/> entgegen sandte, und welche seine fürstliche Durchlaucht als Parlamentäre gefangen<lb/> nehmen ließ. Er trat anch den ungarischen Ultras stets mit Entschiedenheit ent¬<lb/> gegen, und suchte die während seiner Präsidentschaft eingetretenen Conflicte mit<lb/> dem Wiener Kabinette ans friedlichem Wege auszugleichen. Er ertrug seine Ver-<lb/> mtheilung mit Fassung und betrat auch den Richtplatz mit männlicher Standhaftigkeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_497"> An demselben Tage wurden in der Festung Arad 13 Generale, und zwar<lb/> 9 durch deu Strang und 4 dnrch Pulver und Blei hingerichtet, unter denen Dam¬<lb/> janich, Kiß, Pöltenberg, Nagy sartor sowohl durch persönlichen Muth als auch<lb/> durch Tact in dem letzten Winterfeldzuge sich unsterblichen Ruhm erworben haben.<lb/> Tags darauf wurden Csanyi und Baron Jcsseuak hingerichtet, von denen der erstere als<lb/> Minister der Communication unerschütterlichen Muth und den regsamsten Eifer für<lb/> den Befreiungskampf mit einer bewnndrnngöivürdigen Selbstverleugnung an den<lb/> Tag legte, und auch nur seiner Selbstverleugnung ist sein Ende zuzuschreiben.<lb/> Er besaß die unerbittliche Strenge und die durch nichts getrübte Vaterlandsliebe<lb/> eines Cato. Noch am NichtPlatze wollte er einige tröstende Worte an einige be¬<lb/> trübte Zuschauer aus dein Volke richten, da wurde auf Befehl deö Commandanten<lb/> sogleich die Trommel gerührt, welche ihm das Sprechen vereitelte.</p><lb/> <p xml:id="ID_498"> Nun denken Sie sich d.-s Gefühl der geknechteten Pesther, die solche schau¬<lb/> derhafte Blntscenen ruhig mit ansehen müsse», und fragen Sie dann, ob denn dies<lb/> die Art und Weise ist, ein Land zu pacistciren? Gleichzeitig wurde in der Kirche<lb/> eine Friedensftier aufhöherem Befehl abgehalten, wo der Geistliche in eiuer Sonntags¬<lb/> predigt das Volk aufruft, dem Himmel zu danken, für die Segnungen des Frie¬<lb/> dens, und in künstlichen Redensarten beweist, daß wir nicht genug uns freuen<lb/> können, dem Terrorismus entgangen zu sein und dem milden, gnadenreichen öst¬<lb/> reichischen Königsscepter zu huldige». So lernt das Volk seine Geistlichen als<lb/> Schauspieler und die Kanzel als Hofbühne ansehen, es werden die heiligsten Ge¬<lb/> fühle von ihm verachtet, und nur mit Widerwillen kehrt es nun den Rücken dem<lb/> Hause der Andacht und der Erbauung.</p><lb/> <p xml:id="ID_499"> Und all diese täglichen Verurtheilungen und Blutgerichte sollen uns einen<lb/> dauernden Frieden sichern?</p><lb/> <p xml:id="ID_500"> Durch das neu eingeführte und nach dem Wiener Hauptmustcr hier weit ver-<lb/> verzweigtc Pvlizeisystem und im geheim besoldete Spione, ist die in Ungarn exo¬<lb/> tische Giftpflanze der Denunciation anch ans magyarischen Boden verpflanzt wor¬<lb/> den, und schießt auf den versumpften Städten gleich Pilzen hervor. Mit der<lb/> Capitulation Komorns ist den Liberalen der letzte Hoffnungsstrahl geschwunden,<lb/> und die Auswanderung nach Amerika ist die letzte Aussicht, mit der man sich tröstet.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0154]
ja er wurde sogar in den letzten Wochen seiner Ministerpräsidentschaft von den
Liberalen als reactionär verschrieen. Er war Anführer der Deputation, welche der
ungarische Reichstag dem Fürsten Windischgrätz bei seinem Vorrücken gegen Pesth
entgegen sandte, und welche seine fürstliche Durchlaucht als Parlamentäre gefangen
nehmen ließ. Er trat anch den ungarischen Ultras stets mit Entschiedenheit ent¬
gegen, und suchte die während seiner Präsidentschaft eingetretenen Conflicte mit
dem Wiener Kabinette ans friedlichem Wege auszugleichen. Er ertrug seine Ver-
mtheilung mit Fassung und betrat auch den Richtplatz mit männlicher Standhaftigkeit.
An demselben Tage wurden in der Festung Arad 13 Generale, und zwar
9 durch deu Strang und 4 dnrch Pulver und Blei hingerichtet, unter denen Dam¬
janich, Kiß, Pöltenberg, Nagy sartor sowohl durch persönlichen Muth als auch
durch Tact in dem letzten Winterfeldzuge sich unsterblichen Ruhm erworben haben.
Tags darauf wurden Csanyi und Baron Jcsseuak hingerichtet, von denen der erstere als
Minister der Communication unerschütterlichen Muth und den regsamsten Eifer für
den Befreiungskampf mit einer bewnndrnngöivürdigen Selbstverleugnung an den
Tag legte, und auch nur seiner Selbstverleugnung ist sein Ende zuzuschreiben.
Er besaß die unerbittliche Strenge und die durch nichts getrübte Vaterlandsliebe
eines Cato. Noch am NichtPlatze wollte er einige tröstende Worte an einige be¬
trübte Zuschauer aus dein Volke richten, da wurde auf Befehl deö Commandanten
sogleich die Trommel gerührt, welche ihm das Sprechen vereitelte.
Nun denken Sie sich d.-s Gefühl der geknechteten Pesther, die solche schau¬
derhafte Blntscenen ruhig mit ansehen müsse», und fragen Sie dann, ob denn dies
die Art und Weise ist, ein Land zu pacistciren? Gleichzeitig wurde in der Kirche
eine Friedensftier aufhöherem Befehl abgehalten, wo der Geistliche in eiuer Sonntags¬
predigt das Volk aufruft, dem Himmel zu danken, für die Segnungen des Frie¬
dens, und in künstlichen Redensarten beweist, daß wir nicht genug uns freuen
können, dem Terrorismus entgangen zu sein und dem milden, gnadenreichen öst¬
reichischen Königsscepter zu huldige». So lernt das Volk seine Geistlichen als
Schauspieler und die Kanzel als Hofbühne ansehen, es werden die heiligsten Ge¬
fühle von ihm verachtet, und nur mit Widerwillen kehrt es nun den Rücken dem
Hause der Andacht und der Erbauung.
Und all diese täglichen Verurtheilungen und Blutgerichte sollen uns einen
dauernden Frieden sichern?
Durch das neu eingeführte und nach dem Wiener Hauptmustcr hier weit ver-
verzweigtc Pvlizeisystem und im geheim besoldete Spione, ist die in Ungarn exo¬
tische Giftpflanze der Denunciation anch ans magyarischen Boden verpflanzt wor¬
den, und schießt auf den versumpften Städten gleich Pilzen hervor. Mit der
Capitulation Komorns ist den Liberalen der letzte Hoffnungsstrahl geschwunden,
und die Auswanderung nach Amerika ist die letzte Aussicht, mit der man sich tröstet.
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