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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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herumstreifenden Mähr -- sei sie Hoffnung oder Schrecken, Lob oder Verdam¬
mung Glauben schenken, während selbst Pulsky, der wohl zu Oestreich in
einem solchen Verhältnisse steht,-daß er selbst keinen Vortheil darin finden kann,
jene Czarkorycky'sche Konferenz zu leugnen, dieselbe dennoch zu Gunsten Rieger's
in Abrede stellt, wiewohl die Kunde durch ö7 Blätter eilte. Aber das Denken
ist dort schwer, wo Vorurtheile den Weg dazu verrammelt haben und das ist bei
dem Siebenundsechziger der Fall.

Schließlich zwei Persönlichkeiten, welche die Fama an die Spitze der hiesigen
Gutgesinnten gestellt hat und welche ich Ihnen, unbeschadet ihres sonstigen per¬
sönlichen Charakters, in ihrer politischen öffentlichen Gestalt gebe.

Carl Hennig, Lithograph.

Eine barocke Erscheinung nach Außen und nach Innen, gilt allgemein als
Zunftmeister der prager Gutgesinnten. Er kam vor mehrern Jahren aus dem
Auslande nach Böhmen, wo er Leiter der Haase'schen Lithogrcwhie wurde. Er
entzweite sich bald mit seinem Fabrikherrn und lithographirte von nun an selbst¬
ständig. Damals konnte man an der Thür seines Bureaus die seltsamen aber
erbaulichen Worte lesen: "Nicht Herr von Hennig, sondern Herr Hen¬
nig;" wobei zugleich von ihm eine Strafe -- ich glaube 1 Fi. -- für denjenigen
zu Gunsten der Armenkasse dictirt war, der gegen dieses Gebot verstoßen würde.
Er war vor den Märztagen ein fürchterlicher Pfaffenfeind, eine Art vormärzlicher
Wühler, der in jedem Geistlichen einen Jesuiten und in jedem Bureau einen
Geistlichen witterte. Nach dem Grundsatze: Tempora mutantur et lo8 mutantur
in Mi8! hat sich auch dieser Mann geändert, und es gibt jetzt keinen eifrigem
Verehrer der Aristokraten und des Fürsten Windischgrätz und keinen größern Feind
der Swornost und aller Demokraten, als Herrn Hennig. Jene Petition wurde
von ihm veranlaßt und in letzter Zeit befaßte er sich auch mit politischer Literatur,
wie er denn erst vor Kurzem ein gar leidenschaftliches Büchelchen herausgab, worin
er seine patriotischen Mitbürger zu einem Proteste, hört! zu einem Proteste gegen
die von der Londoner City an das dortige Parlament gestellten Ansinnen wegen
der Lostrennung Ungarns von Oestreich aufforderte und vorläufig allein Prote¬
ste. (!!) Er empfahl selbst diese Schrift in öffentlichen Straßen-Annoncen als
"Gift sür alle Gattungen von Wühlern und Demagogen, Gegengift für alle Ver¬
schrieenen und Jnfizirten, Brausepulver sür die Feigen und Unentschiedenen" kurz
als eine vollkommene Apotheke. Ich war natürlich auf den Anhalt dieser äskula¬
pischen Politik sehr gespannt und neugierig, und fand in der That darin gar
entsetzliche Enthüllungen über die englische Politik, über den---Lord Feuerbrand,
über die Wähler und endlich wirklich den leibhaftigen feierlichen Protest. Zittre
Britannien, Hennig protestirt, senke deine Flaggen, Königin der Meere, Hennig


herumstreifenden Mähr — sei sie Hoffnung oder Schrecken, Lob oder Verdam¬
mung Glauben schenken, während selbst Pulsky, der wohl zu Oestreich in
einem solchen Verhältnisse steht,-daß er selbst keinen Vortheil darin finden kann,
jene Czarkorycky'sche Konferenz zu leugnen, dieselbe dennoch zu Gunsten Rieger's
in Abrede stellt, wiewohl die Kunde durch ö7 Blätter eilte. Aber das Denken
ist dort schwer, wo Vorurtheile den Weg dazu verrammelt haben und das ist bei
dem Siebenundsechziger der Fall.

Schließlich zwei Persönlichkeiten, welche die Fama an die Spitze der hiesigen
Gutgesinnten gestellt hat und welche ich Ihnen, unbeschadet ihres sonstigen per¬
sönlichen Charakters, in ihrer politischen öffentlichen Gestalt gebe.

Carl Hennig, Lithograph.

Eine barocke Erscheinung nach Außen und nach Innen, gilt allgemein als
Zunftmeister der prager Gutgesinnten. Er kam vor mehrern Jahren aus dem
Auslande nach Böhmen, wo er Leiter der Haase'schen Lithogrcwhie wurde. Er
entzweite sich bald mit seinem Fabrikherrn und lithographirte von nun an selbst¬
ständig. Damals konnte man an der Thür seines Bureaus die seltsamen aber
erbaulichen Worte lesen: „Nicht Herr von Hennig, sondern Herr Hen¬
nig;" wobei zugleich von ihm eine Strafe — ich glaube 1 Fi. — für denjenigen
zu Gunsten der Armenkasse dictirt war, der gegen dieses Gebot verstoßen würde.
Er war vor den Märztagen ein fürchterlicher Pfaffenfeind, eine Art vormärzlicher
Wühler, der in jedem Geistlichen einen Jesuiten und in jedem Bureau einen
Geistlichen witterte. Nach dem Grundsatze: Tempora mutantur et lo8 mutantur
in Mi8! hat sich auch dieser Mann geändert, und es gibt jetzt keinen eifrigem
Verehrer der Aristokraten und des Fürsten Windischgrätz und keinen größern Feind
der Swornost und aller Demokraten, als Herrn Hennig. Jene Petition wurde
von ihm veranlaßt und in letzter Zeit befaßte er sich auch mit politischer Literatur,
wie er denn erst vor Kurzem ein gar leidenschaftliches Büchelchen herausgab, worin
er seine patriotischen Mitbürger zu einem Proteste, hört! zu einem Proteste gegen
die von der Londoner City an das dortige Parlament gestellten Ansinnen wegen
der Lostrennung Ungarns von Oestreich aufforderte und vorläufig allein Prote¬
ste. (!!) Er empfahl selbst diese Schrift in öffentlichen Straßen-Annoncen als
„Gift sür alle Gattungen von Wühlern und Demagogen, Gegengift für alle Ver¬
schrieenen und Jnfizirten, Brausepulver sür die Feigen und Unentschiedenen" kurz
als eine vollkommene Apotheke. Ich war natürlich auf den Anhalt dieser äskula¬
pischen Politik sehr gespannt und neugierig, und fand in der That darin gar
entsetzliche Enthüllungen über die englische Politik, über den---Lord Feuerbrand,
über die Wähler und endlich wirklich den leibhaftigen feierlichen Protest. Zittre
Britannien, Hennig protestirt, senke deine Flaggen, Königin der Meere, Hennig


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[0107] herumstreifenden Mähr — sei sie Hoffnung oder Schrecken, Lob oder Verdam¬ mung Glauben schenken, während selbst Pulsky, der wohl zu Oestreich in einem solchen Verhältnisse steht,-daß er selbst keinen Vortheil darin finden kann, jene Czarkorycky'sche Konferenz zu leugnen, dieselbe dennoch zu Gunsten Rieger's in Abrede stellt, wiewohl die Kunde durch ö7 Blätter eilte. Aber das Denken ist dort schwer, wo Vorurtheile den Weg dazu verrammelt haben und das ist bei dem Siebenundsechziger der Fall. Schließlich zwei Persönlichkeiten, welche die Fama an die Spitze der hiesigen Gutgesinnten gestellt hat und welche ich Ihnen, unbeschadet ihres sonstigen per¬ sönlichen Charakters, in ihrer politischen öffentlichen Gestalt gebe. Carl Hennig, Lithograph. Eine barocke Erscheinung nach Außen und nach Innen, gilt allgemein als Zunftmeister der prager Gutgesinnten. Er kam vor mehrern Jahren aus dem Auslande nach Böhmen, wo er Leiter der Haase'schen Lithogrcwhie wurde. Er entzweite sich bald mit seinem Fabrikherrn und lithographirte von nun an selbst¬ ständig. Damals konnte man an der Thür seines Bureaus die seltsamen aber erbaulichen Worte lesen: „Nicht Herr von Hennig, sondern Herr Hen¬ nig;" wobei zugleich von ihm eine Strafe — ich glaube 1 Fi. — für denjenigen zu Gunsten der Armenkasse dictirt war, der gegen dieses Gebot verstoßen würde. Er war vor den Märztagen ein fürchterlicher Pfaffenfeind, eine Art vormärzlicher Wühler, der in jedem Geistlichen einen Jesuiten und in jedem Bureau einen Geistlichen witterte. Nach dem Grundsatze: Tempora mutantur et lo8 mutantur in Mi8! hat sich auch dieser Mann geändert, und es gibt jetzt keinen eifrigem Verehrer der Aristokraten und des Fürsten Windischgrätz und keinen größern Feind der Swornost und aller Demokraten, als Herrn Hennig. Jene Petition wurde von ihm veranlaßt und in letzter Zeit befaßte er sich auch mit politischer Literatur, wie er denn erst vor Kurzem ein gar leidenschaftliches Büchelchen herausgab, worin er seine patriotischen Mitbürger zu einem Proteste, hört! zu einem Proteste gegen die von der Londoner City an das dortige Parlament gestellten Ansinnen wegen der Lostrennung Ungarns von Oestreich aufforderte und vorläufig allein Prote¬ ste. (!!) Er empfahl selbst diese Schrift in öffentlichen Straßen-Annoncen als „Gift sür alle Gattungen von Wühlern und Demagogen, Gegengift für alle Ver¬ schrieenen und Jnfizirten, Brausepulver sür die Feigen und Unentschiedenen" kurz als eine vollkommene Apotheke. Ich war natürlich auf den Anhalt dieser äskula¬ pischen Politik sehr gespannt und neugierig, und fand in der That darin gar entsetzliche Enthüllungen über die englische Politik, über den---Lord Feuerbrand, über die Wähler und endlich wirklich den leibhaftigen feierlichen Protest. Zittre Britannien, Hennig protestirt, senke deine Flaggen, Königin der Meere, Hennig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/107>, abgerufen am 15.01.2025.