Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.dient Winaricky's poetische Broschüre: "Suen? -virat" (Rath der Thiere), eine Zu Neustadt lebt noch ein alter czechischer Dichter, einst beliebt und bekannt, Ein bedeutender Lyriker, besonders im elegischen Ton ist Boleslaw Ja" Wer den Herrn Actuar der k. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften, Grenzwten. lo. 184". 13
dient Winaricky's poetische Broschüre: „Suen? -virat" (Rath der Thiere), eine Zu Neustadt lebt noch ein alter czechischer Dichter, einst beliebt und bekannt, Ein bedeutender Lyriker, besonders im elegischen Ton ist Boleslaw Ja» Wer den Herrn Actuar der k. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften, Grenzwten. lo. 184«. 13
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0101" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279649"/> <p xml:id="ID_328" prev="#ID_327"> dient Winaricky's poetische Broschüre: „Suen? -virat" (Rath der Thiere), eine<lb/> Satyre, die sich das Herausstellen moderner Schattenseiten zum Ziele gesetzt.<lb/> Die Behandlung ist schön, die Geißel trifft zuweilen richtig, in der Regel scharf,<lb/> aber sie schlägt meist nach einer Idee, welcher ein großer Theil der Menschheit<lb/> huldigt und verwundet Herzen, welche warm dafür schlagen. Im Drama hat sich<lb/> Winaricky ohne Glück versucht, seine historische Tragödie: „.w, 8Iop>" (Johann<lb/> der Blinde) machte einen bloßen kalten 8-mal> et'estime. Winaricky ist am 24. Ja¬<lb/> nuar 1824 zu Schlau geboren und gegenwärtig Dechant zu Kostelec. Auf dem<lb/> Reichstag war auch Winaricky erschienen und sprach da wie ein frommer katholi¬<lb/> scher Priester, demüthig, ergeben und unterwürfig, und gab durch sein seichtes,<lb/> ceremoniöses Wesen bei einer kräftigen, imposanten Gestalt viel zu lachen. Ihm<lb/> iffs jedoch Ernst um die gute Sache, nur die Schaale ist so versüßlicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_329"> Zu Neustadt lebt noch ein alter czechischer Dichter, einst beliebt und bekannt,<lb/> jetzt überlebt und nur als Antiquität geschätzt, der k. k. Jnfanterieoberst Milota<lb/> Zedirad Polak, der letzte aus dem alten czechischen Dichtcrbund der Nejedly,<lb/> Puchmayr's und Hnewkvwsky's. Sein großes Gedicht über die Erhabenheit der<lb/> Natur gibt ein schönes Zeugniß seines Dichterberufs, zwar veraltet in der Form,<lb/> aber höchst poetisch, gebauten- und bilderreich und schwungvoll.</p><lb/> <p xml:id="ID_330"> Ein bedeutender Lyriker, besonders im elegischen Ton ist Boleslaw Ja»<lb/> blonsky (eigentlich Tupy), ein junger Priester im Orden der Prämonstratenser,<lb/> eines der schönern Talente unter den czechischen Dichtern, wenn auch bisweilen zu<lb/> weich und schwärmerisch, ja selbst nicht selten zerfahren. Wenn nur Skapulier<lb/> und Kutte seinen Geist nicht ersticken! —</p><lb/> <p xml:id="ID_331" next="#ID_332"> Wer den Herrn Actuar der k. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften,<lb/> auch Archivar im Nationalmuseum, Karl Jaromir Erben sieht, wird in der<lb/> prosaischen Figur schwerlich einen so begabten Poeten erkennen, wie er ist.<lb/> Eine lange, hagere Gestalt, in den Dreißigen, ein kleiner Kopf mit bräunlichem,<lb/> leicht geringeltem Haar, und ein mageres, pockennarbiges Gesicht, aus dem zwei<lb/> gutmüthige, Geist verrathende Augen hervorglänzen; in der Konversation erscheint<lb/> er trotz einer Masse von Wissen trocken und schüchtern. Seine erste literarische-<lb/> Carriere machte Erben unter den Auspizien Palacky's, als dessen Mitarbeiter bet<lb/> historischen Forschungen. E. leistet auch mehres Tüchtige selbstständig auf diesem<lb/> Felde. Sein Hauptstudium ist die slavische Mythologie und die Sitten, Gewohn¬<lb/> heiten, Gebräuche und Poesien des slavischen Volks, für welche er eine große<lb/> schnell auffassende Empfänglichkeit hat. Erben's Sammlung czechischer Volkslieder<lb/> in 3 Bauden, ist die reichhaltigste und gediegendste, die es gibt; die Melodien<lb/> dazu redigirte er selbst unter Mitwirkung des Herrn Kolesowsky und Martinowsky.<lb/> Seine Dichterader ist nicht so reich und gebildet wie die Calokowsky's, aber anf<lb/> derselben Basis beruhend und noch frischer und volksthümlicher. Jetzt bereitet</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzwten. lo. 184«. 13</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0101]
dient Winaricky's poetische Broschüre: „Suen? -virat" (Rath der Thiere), eine
Satyre, die sich das Herausstellen moderner Schattenseiten zum Ziele gesetzt.
Die Behandlung ist schön, die Geißel trifft zuweilen richtig, in der Regel scharf,
aber sie schlägt meist nach einer Idee, welcher ein großer Theil der Menschheit
huldigt und verwundet Herzen, welche warm dafür schlagen. Im Drama hat sich
Winaricky ohne Glück versucht, seine historische Tragödie: „.w, 8Iop>" (Johann
der Blinde) machte einen bloßen kalten 8-mal> et'estime. Winaricky ist am 24. Ja¬
nuar 1824 zu Schlau geboren und gegenwärtig Dechant zu Kostelec. Auf dem
Reichstag war auch Winaricky erschienen und sprach da wie ein frommer katholi¬
scher Priester, demüthig, ergeben und unterwürfig, und gab durch sein seichtes,
ceremoniöses Wesen bei einer kräftigen, imposanten Gestalt viel zu lachen. Ihm
iffs jedoch Ernst um die gute Sache, nur die Schaale ist so versüßlicht.
Zu Neustadt lebt noch ein alter czechischer Dichter, einst beliebt und bekannt,
jetzt überlebt und nur als Antiquität geschätzt, der k. k. Jnfanterieoberst Milota
Zedirad Polak, der letzte aus dem alten czechischen Dichtcrbund der Nejedly,
Puchmayr's und Hnewkvwsky's. Sein großes Gedicht über die Erhabenheit der
Natur gibt ein schönes Zeugniß seines Dichterberufs, zwar veraltet in der Form,
aber höchst poetisch, gebauten- und bilderreich und schwungvoll.
Ein bedeutender Lyriker, besonders im elegischen Ton ist Boleslaw Ja»
blonsky (eigentlich Tupy), ein junger Priester im Orden der Prämonstratenser,
eines der schönern Talente unter den czechischen Dichtern, wenn auch bisweilen zu
weich und schwärmerisch, ja selbst nicht selten zerfahren. Wenn nur Skapulier
und Kutte seinen Geist nicht ersticken! —
Wer den Herrn Actuar der k. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften,
auch Archivar im Nationalmuseum, Karl Jaromir Erben sieht, wird in der
prosaischen Figur schwerlich einen so begabten Poeten erkennen, wie er ist.
Eine lange, hagere Gestalt, in den Dreißigen, ein kleiner Kopf mit bräunlichem,
leicht geringeltem Haar, und ein mageres, pockennarbiges Gesicht, aus dem zwei
gutmüthige, Geist verrathende Augen hervorglänzen; in der Konversation erscheint
er trotz einer Masse von Wissen trocken und schüchtern. Seine erste literarische-
Carriere machte Erben unter den Auspizien Palacky's, als dessen Mitarbeiter bet
historischen Forschungen. E. leistet auch mehres Tüchtige selbstständig auf diesem
Felde. Sein Hauptstudium ist die slavische Mythologie und die Sitten, Gewohn¬
heiten, Gebräuche und Poesien des slavischen Volks, für welche er eine große
schnell auffassende Empfänglichkeit hat. Erben's Sammlung czechischer Volkslieder
in 3 Bauden, ist die reichhaltigste und gediegendste, die es gibt; die Melodien
dazu redigirte er selbst unter Mitwirkung des Herrn Kolesowsky und Martinowsky.
Seine Dichterader ist nicht so reich und gebildet wie die Calokowsky's, aber anf
derselben Basis beruhend und noch frischer und volksthümlicher. Jetzt bereitet
Grenzwten. lo. 184«. 13
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