Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.hierauf lege ich gar kein Gewicht, sondern weil die Gemeinsamkeit einer Partei Trotz alledem hatte Peel das Vaterland der Partei eingezogen. Unmittelbar Es gibt also Zeiten, wo auch bei dem bedeutendsten Staatsmann in dem Sy¬ Dem Publikum ist ein solcher Uebergang freilich unbequem. Es hat sich die Greiizbvteii. in. 134V. 7
hierauf lege ich gar kein Gewicht, sondern weil die Gemeinsamkeit einer Partei Trotz alledem hatte Peel das Vaterland der Partei eingezogen. Unmittelbar Es gibt also Zeiten, wo auch bei dem bedeutendsten Staatsmann in dem Sy¬ Dem Publikum ist ein solcher Uebergang freilich unbequem. Es hat sich die Greiizbvteii. in. 134V. 7
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0057" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279083"/> <p xml:id="ID_158" prev="#ID_157"> hierauf lege ich gar kein Gewicht, sondern weil die Gemeinsamkeit einer Partei<lb/> noch andere sittliche Verhältnisse, als blos die Gleichheit der politischen Ansichten<lb/> umschließt, und weil diese durch jede Apostasie, am schwersten aber durch den<lb/> Abfall des Führers selbst verletzt werden. Es ist ein Bruch des Vertrauens, den<lb/> gerade diejenigen am meisten empfinden, welche dem persönlichen Gewicht des<lb/> Chefs bisher den geringsten Grad von Selbstständigkeit entgegengesetzt haben. Noch<lb/> mehr ist das in England der Fall, wo wenigstens bis zu dieser Zeit die Politik<lb/> der beiden Parteien eine traditionelle, gleichsam erbliche war. Whigs und Tones<lb/> drückten uicht blos einen Gegensatz ans, der am Princip haftet, sondern der sich<lb/> auf die ganze Persönlichkeit erstreckt, wie ehemals die Welsen und Ghibellinen.<lb/> Als Peel das Ministerium übernahm, hatte er es nicht geduldet, daß die Königin<lb/> Hofdamen ans den Whigfamilien um sich behielt.</p><lb/> <p xml:id="ID_159"> Trotz alledem hatte Peel das Vaterland der Partei eingezogen. Unmittelbar<lb/> persönlicher Ehrgeiz konnte es nicht sein, was ihn bestimmte; denn wenn er an<lb/> seinem alten System festhielt, so war die Fortdauer seines Ministeriums wenig¬<lb/> stens eine Möglichkeit, jedenfalls blieb seine ehrenvolle Stellung als Führer der<lb/> Opposition eine gesicherte. Mit der neuen Ansicht dagegen mußte er fallen, sobald<lb/> er sie in's Werk gesetzt hatte, und war außerdem einer Reihe von Kränkungen<lb/> ausgesetzt, die zu ertragen britisches Blut verlangt. Sein Wechsel entsprang also<lb/> aus dem Gefühl der politischen Nothwendigkeit. Und der praktische Sinn der<lb/> Engländer hat dies anerkannt. Gerade die populären Blätter haben sich seiner<lb/> angenommen, nicht blos, insofern sie seine neue Wendung billigten, sondern die<lb/> sittliche Totalität seines Charakters.</p><lb/> <p xml:id="ID_160"> Es gibt also Zeiten, wo auch bei dem bedeutendsten Staatsmann in dem Sy¬<lb/> stem seiner politischen Ueberzeugungen ein Bruch eintreten kann. Es ist nicht<lb/> nöthig, daß er dann als bußfertiger Sünder sich in's Kloster zurückzieht, sondern<lb/> er soll das Seinige thun, daß seiue neue Ansicht verwirklicht werde.</p><lb/> <p xml:id="ID_161"> Dem Publikum ist ein solcher Uebergang freilich unbequem. Es hat sich die<lb/> frühern Thaten und Meinungen seiner Helden gemerkt, es hat sie einregistrirt und<lb/> nun will das Neue dazu uicht stimmen. Das Publikum wird verdrießlich und<lb/> der Held w'rd unpopulär. Um dem zu entgehen, gibt es öffentliche Charaktere,<lb/> welche gleichfalls Buch führe» über ihre Vergangenheit, und was nun weiter ge¬<lb/> schehen soll, danach bestimmen. Die Geschichte wird aber keineswegs dadurch ge¬<lb/> fördert, daß die Reminiscenz das Leben beherrscht, und von einer Selbstständig¬<lb/> keit des Charakters ist vollends nicht die Rede. Wenn jenes Register keine Re¬<lb/> geln mehr gibt, so bleibt nichts übrig, als zu schmollen: die am mindesten geeig¬<lb/> nete Beschäftigung für eine productive Natur. Peel blieb sich selber treu, als<lb/> er mit seiner Vergangenheit brach; ja er verleugnete auch nicht sein Princip,<lb/> denn er handelte conservativ, als er im Augenblicke, wo es Noth that, durch<lb/> eine freilich kolossale Reform die Revolution vermied.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Greiizbvteii. in. 134V. 7</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0057]
hierauf lege ich gar kein Gewicht, sondern weil die Gemeinsamkeit einer Partei
noch andere sittliche Verhältnisse, als blos die Gleichheit der politischen Ansichten
umschließt, und weil diese durch jede Apostasie, am schwersten aber durch den
Abfall des Führers selbst verletzt werden. Es ist ein Bruch des Vertrauens, den
gerade diejenigen am meisten empfinden, welche dem persönlichen Gewicht des
Chefs bisher den geringsten Grad von Selbstständigkeit entgegengesetzt haben. Noch
mehr ist das in England der Fall, wo wenigstens bis zu dieser Zeit die Politik
der beiden Parteien eine traditionelle, gleichsam erbliche war. Whigs und Tones
drückten uicht blos einen Gegensatz ans, der am Princip haftet, sondern der sich
auf die ganze Persönlichkeit erstreckt, wie ehemals die Welsen und Ghibellinen.
Als Peel das Ministerium übernahm, hatte er es nicht geduldet, daß die Königin
Hofdamen ans den Whigfamilien um sich behielt.
Trotz alledem hatte Peel das Vaterland der Partei eingezogen. Unmittelbar
persönlicher Ehrgeiz konnte es nicht sein, was ihn bestimmte; denn wenn er an
seinem alten System festhielt, so war die Fortdauer seines Ministeriums wenig¬
stens eine Möglichkeit, jedenfalls blieb seine ehrenvolle Stellung als Führer der
Opposition eine gesicherte. Mit der neuen Ansicht dagegen mußte er fallen, sobald
er sie in's Werk gesetzt hatte, und war außerdem einer Reihe von Kränkungen
ausgesetzt, die zu ertragen britisches Blut verlangt. Sein Wechsel entsprang also
aus dem Gefühl der politischen Nothwendigkeit. Und der praktische Sinn der
Engländer hat dies anerkannt. Gerade die populären Blätter haben sich seiner
angenommen, nicht blos, insofern sie seine neue Wendung billigten, sondern die
sittliche Totalität seines Charakters.
Es gibt also Zeiten, wo auch bei dem bedeutendsten Staatsmann in dem Sy¬
stem seiner politischen Ueberzeugungen ein Bruch eintreten kann. Es ist nicht
nöthig, daß er dann als bußfertiger Sünder sich in's Kloster zurückzieht, sondern
er soll das Seinige thun, daß seiue neue Ansicht verwirklicht werde.
Dem Publikum ist ein solcher Uebergang freilich unbequem. Es hat sich die
frühern Thaten und Meinungen seiner Helden gemerkt, es hat sie einregistrirt und
nun will das Neue dazu uicht stimmen. Das Publikum wird verdrießlich und
der Held w'rd unpopulär. Um dem zu entgehen, gibt es öffentliche Charaktere,
welche gleichfalls Buch führe» über ihre Vergangenheit, und was nun weiter ge¬
schehen soll, danach bestimmen. Die Geschichte wird aber keineswegs dadurch ge¬
fördert, daß die Reminiscenz das Leben beherrscht, und von einer Selbstständig¬
keit des Charakters ist vollends nicht die Rede. Wenn jenes Register keine Re¬
geln mehr gibt, so bleibt nichts übrig, als zu schmollen: die am mindesten geeig¬
nete Beschäftigung für eine productive Natur. Peel blieb sich selber treu, als
er mit seiner Vergangenheit brach; ja er verleugnete auch nicht sein Princip,
denn er handelte conservativ, als er im Augenblicke, wo es Noth that, durch
eine freilich kolossale Reform die Revolution vermied.
Greiizbvteii. in. 134V. 7
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