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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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seit den halb fabelhaften Kriege der jütischen Könige Sicgfrid, Gottfrid und Hem-
mieg mit Karl dem Großen, drangen deutsche Krieger ein in das seit dem Ende
des 9. Jahrhunderts ununterbrochen dänische Land; mit Staunen hört der ruhige
Bürger zu, wenn ihm seine heimgekchrte Einquartirung/von dem Leben und den
Leuten in Jütland erzählt, und wenn er hnlbweg ein Mann des Fortschritts ist,
schlägt er die Hände über dem Kopf zusammen und ruft: Ist es möglich? Eine
Tagereise von der deutsche" Grenze entfernt, gibt es solch ein Land und solch ein
Volk?

Ein schmaler Fluß, vielmehr ein Bach, die Königsan, scheidet Schleswigs
dänisch redende Marken von Jütland. Unmittelbar nach ihrem Ueberschreiten be¬
merkt man noch durchaus keine Aenderung der Landschaft und ihrer Bewohner.
Aber schon in wenigen Stunden tritt dieselbe deutlich geung vor's Auge des Rei¬
senden. Die Zahl der angebauten Ländereien vermindert sich, die Culturen dieser
selbst scheu ärmlich und vernachlässigter aus, die Hecken oder Knicken der Koppeln
sind zerrissen und ungepflügt, die Waiöcthiere kleiner und struppiger als nördlich
in den Herzogtümern. Der freundliche Bau stattlicher Landhäuser verschwindet
mehr und mehr, abscheuliche Erdhütten, mit faulem Stroh und Haidckrantrasen
gedeckt, mit blinden, vielfach zerbrochenen und verstopften Fenstern, lassen schon
von Außen auf einen furchtbaren Aufenthalt in ihrem Innern schließen -- und
vor den Thüren spielen Kinder, deren aufgedunsene, mit Aussatz bedeckter Körper
die Erzählungen der Soldaten von Jütlands Schmutz und Elend in grauenhafter
Weise bestätigen. Es ist im Ganzen ein entsetzliches Volk, das Jüdische. Schlanke,
kräftige Gestalten, wie sie das reiche Angelnland und die holsteinischen Marschen
erzeugen, darf man hier nicht mehr suchen, eben so wenig, wie das Noth der
Gesundheit auf den Wangen und frische Lebensfreudigkeit im Blick. Die Juten
sind durchweg von kleinem, untersetztem Körperbau, alle blond und selten hager.
Ihre Beleibtheit erinnert an die der unglückseligen Cretins, welche unter ihnen auch
häufig genug vorkommen, und der blöde, stiere Blick der hellblauen Glasaugen
erschreckt förmlich durch seine fast thierische Stumpfheit. Schönheit und Anmuth
sind hier nirgends zu Hause, wenigstens auf dem Lande nicht, wenn auch die
Städte hier und da Ausnahmen bieten mögen; auf dem Lande ist das weibliche
Geschlecht sogar kaum durch den Anzug von dem männlichen zu unterscheiden,
^in kurz verschnittenes, verfilztes Haar entstellt selbst junge Mädchen, Lumpen
Und plumpe Holzschuhe tragen ebenfalls nichts bei zu der ländlichen Grazie, die
der dänische Novellist 'Binder seinen jütischen Landsmänninnen zuschreibt. Die
Unsauberkeit dieses Volks ist wirklich großartig. Ob sich die jütischen Landleute
jemals in ihrem Leben wasche", ist höchst zweifelhaft, gewiß ist, daß sie ihre
Kleidungsstücke weder reinigen noch ausbessern, ja, daß sie die unentbehrlichsten
derselbe" so lange aus dem Körper tragen, bis sie wie mürber Zunder nach und


Grenzboten. "I. 184". 55

seit den halb fabelhaften Kriege der jütischen Könige Sicgfrid, Gottfrid und Hem-
mieg mit Karl dem Großen, drangen deutsche Krieger ein in das seit dem Ende
des 9. Jahrhunderts ununterbrochen dänische Land; mit Staunen hört der ruhige
Bürger zu, wenn ihm seine heimgekchrte Einquartirung/von dem Leben und den
Leuten in Jütland erzählt, und wenn er hnlbweg ein Mann des Fortschritts ist,
schlägt er die Hände über dem Kopf zusammen und ruft: Ist es möglich? Eine
Tagereise von der deutsche» Grenze entfernt, gibt es solch ein Land und solch ein
Volk?

Ein schmaler Fluß, vielmehr ein Bach, die Königsan, scheidet Schleswigs
dänisch redende Marken von Jütland. Unmittelbar nach ihrem Ueberschreiten be¬
merkt man noch durchaus keine Aenderung der Landschaft und ihrer Bewohner.
Aber schon in wenigen Stunden tritt dieselbe deutlich geung vor's Auge des Rei¬
senden. Die Zahl der angebauten Ländereien vermindert sich, die Culturen dieser
selbst scheu ärmlich und vernachlässigter aus, die Hecken oder Knicken der Koppeln
sind zerrissen und ungepflügt, die Waiöcthiere kleiner und struppiger als nördlich
in den Herzogtümern. Der freundliche Bau stattlicher Landhäuser verschwindet
mehr und mehr, abscheuliche Erdhütten, mit faulem Stroh und Haidckrantrasen
gedeckt, mit blinden, vielfach zerbrochenen und verstopften Fenstern, lassen schon
von Außen auf einen furchtbaren Aufenthalt in ihrem Innern schließen — und
vor den Thüren spielen Kinder, deren aufgedunsene, mit Aussatz bedeckter Körper
die Erzählungen der Soldaten von Jütlands Schmutz und Elend in grauenhafter
Weise bestätigen. Es ist im Ganzen ein entsetzliches Volk, das Jüdische. Schlanke,
kräftige Gestalten, wie sie das reiche Angelnland und die holsteinischen Marschen
erzeugen, darf man hier nicht mehr suchen, eben so wenig, wie das Noth der
Gesundheit auf den Wangen und frische Lebensfreudigkeit im Blick. Die Juten
sind durchweg von kleinem, untersetztem Körperbau, alle blond und selten hager.
Ihre Beleibtheit erinnert an die der unglückseligen Cretins, welche unter ihnen auch
häufig genug vorkommen, und der blöde, stiere Blick der hellblauen Glasaugen
erschreckt förmlich durch seine fast thierische Stumpfheit. Schönheit und Anmuth
sind hier nirgends zu Hause, wenigstens auf dem Lande nicht, wenn auch die
Städte hier und da Ausnahmen bieten mögen; auf dem Lande ist das weibliche
Geschlecht sogar kaum durch den Anzug von dem männlichen zu unterscheiden,
^in kurz verschnittenes, verfilztes Haar entstellt selbst junge Mädchen, Lumpen
Und plumpe Holzschuhe tragen ebenfalls nichts bei zu der ländlichen Grazie, die
der dänische Novellist 'Binder seinen jütischen Landsmänninnen zuschreibt. Die
Unsauberkeit dieses Volks ist wirklich großartig. Ob sich die jütischen Landleute
jemals in ihrem Leben wasche», ist höchst zweifelhaft, gewiß ist, daß sie ihre
Kleidungsstücke weder reinigen noch ausbessern, ja, daß sie die unentbehrlichsten
derselbe» so lange aus dem Körper tragen, bis sie wie mürber Zunder nach und


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[0433] seit den halb fabelhaften Kriege der jütischen Könige Sicgfrid, Gottfrid und Hem- mieg mit Karl dem Großen, drangen deutsche Krieger ein in das seit dem Ende des 9. Jahrhunderts ununterbrochen dänische Land; mit Staunen hört der ruhige Bürger zu, wenn ihm seine heimgekchrte Einquartirung/von dem Leben und den Leuten in Jütland erzählt, und wenn er hnlbweg ein Mann des Fortschritts ist, schlägt er die Hände über dem Kopf zusammen und ruft: Ist es möglich? Eine Tagereise von der deutsche» Grenze entfernt, gibt es solch ein Land und solch ein Volk? Ein schmaler Fluß, vielmehr ein Bach, die Königsan, scheidet Schleswigs dänisch redende Marken von Jütland. Unmittelbar nach ihrem Ueberschreiten be¬ merkt man noch durchaus keine Aenderung der Landschaft und ihrer Bewohner. Aber schon in wenigen Stunden tritt dieselbe deutlich geung vor's Auge des Rei¬ senden. Die Zahl der angebauten Ländereien vermindert sich, die Culturen dieser selbst scheu ärmlich und vernachlässigter aus, die Hecken oder Knicken der Koppeln sind zerrissen und ungepflügt, die Waiöcthiere kleiner und struppiger als nördlich in den Herzogtümern. Der freundliche Bau stattlicher Landhäuser verschwindet mehr und mehr, abscheuliche Erdhütten, mit faulem Stroh und Haidckrantrasen gedeckt, mit blinden, vielfach zerbrochenen und verstopften Fenstern, lassen schon von Außen auf einen furchtbaren Aufenthalt in ihrem Innern schließen — und vor den Thüren spielen Kinder, deren aufgedunsene, mit Aussatz bedeckter Körper die Erzählungen der Soldaten von Jütlands Schmutz und Elend in grauenhafter Weise bestätigen. Es ist im Ganzen ein entsetzliches Volk, das Jüdische. Schlanke, kräftige Gestalten, wie sie das reiche Angelnland und die holsteinischen Marschen erzeugen, darf man hier nicht mehr suchen, eben so wenig, wie das Noth der Gesundheit auf den Wangen und frische Lebensfreudigkeit im Blick. Die Juten sind durchweg von kleinem, untersetztem Körperbau, alle blond und selten hager. Ihre Beleibtheit erinnert an die der unglückseligen Cretins, welche unter ihnen auch häufig genug vorkommen, und der blöde, stiere Blick der hellblauen Glasaugen erschreckt förmlich durch seine fast thierische Stumpfheit. Schönheit und Anmuth sind hier nirgends zu Hause, wenigstens auf dem Lande nicht, wenn auch die Städte hier und da Ausnahmen bieten mögen; auf dem Lande ist das weibliche Geschlecht sogar kaum durch den Anzug von dem männlichen zu unterscheiden, ^in kurz verschnittenes, verfilztes Haar entstellt selbst junge Mädchen, Lumpen Und plumpe Holzschuhe tragen ebenfalls nichts bei zu der ländlichen Grazie, die der dänische Novellist 'Binder seinen jütischen Landsmänninnen zuschreibt. Die Unsauberkeit dieses Volks ist wirklich großartig. Ob sich die jütischen Landleute jemals in ihrem Leben wasche», ist höchst zweifelhaft, gewiß ist, daß sie ihre Kleidungsstücke weder reinigen noch ausbessern, ja, daß sie die unentbehrlichsten derselbe» so lange aus dem Körper tragen, bis sie wie mürber Zunder nach und Grenzboten. »I. 184». 55

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/433>, abgerufen am 05.02.2025.