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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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ist abgesetzt und selbst arretirt worden. Trotzdem hat das Kriegsgericht den alten
Mann zu zehnjähriger Zuchthausstrafe verurtheilt. Das Gesetz will es so, aber so we¬
nig er ein Gegenstand unserer Bewunderung sein kaun, so sehr nimmt er unser Mitleid
in Anspruch. Zehn Jahre Zuchthaus! -- Möchte es nicht so kommen, daß wir
Preußen uus mit unserer Strenge vor den so heftig angefochtenen Oestreichern zu
schämen haben, die in der neuesten Zeit den einzigen Weg einzuschlagen scheinen,
der den Abgrund der Bürgerkriege schließt -- den Weg der Gnade und des Ver-
gessens.




Politische Bemerkungen zu der Sprachkarte von
Deutschland ).



Die erste Auflage dieser Karte und der dazu gehörigen Erläuterungen ist
1843 erschienen. De>ß in verhältnißmäßig kurzer Zeit eine zweite nöthig wurde,
ist ein erfreulicher Beweis für die fortschreitende Verbreitung einer fruchtbarem
Ausfassung der geographischen Studien, als sie früher gewöhnlich war. Seitdem
Ritter dieser Disciplin wissenschaftliches Leben eingehaucht hat, kounte sich anch
die Kartographie nicht mehr mit bloßen Post- und Sitnationskarten genügen lassen.
Der nächste Schritt vorwärts waren bildliche Darstellungen der natürlichen Ver¬
hältnisse der Erdoberfläche und ihrer einzelnen Theile, der großen oro- und hydo-
graphischen Erscheinungen, der Vertheilung der physikalischen Einflüsse, der Wärme,
der Electricität, des Vulcanismus 2c. Es sind das die Vorbedingungen, die na¬
turhistorischen Grundlagen, auf denen sich das geschichtliche Leben der Menschheit
entwickelt, und die Geographie hat, indem sie ihre Aufgabe so stellte, sich zu dem
Range einer einleitenden historischen Wissenschaft erhoben.

Als Zwischenstufe zwischen ihr und der Geschichte im weitesten Sinne des
Wortes steht die Ethnographie gleichfalls erst ein Kind der neuesten Zeit da. Wie
es gewöhnlich bei neugeschaffenen Wissenschaften geht, so hat auch sie sich noch nicht
scharf und reinlich von den beiden anderen verwandten gesondert, und wird na¬
mentlich in Deutschland gewöhnlich uoch als ein integrirender Theil der Geographie
behandelt. So uinfass-n z. B. die bändereichen Forschungen Carl Ritters sowohl
eigentlich geographisches als auch eigentlich ethnographisches Gebiet, ja sie greifen
nicht selten in das historische herüber, wozu die Ethnographie die Brücke bildet.

In diesem Sinne läßt sich die Betrachtung der Spracheuvertheilung allenfalls
als ein Moment der Geographie fassen, während sie streng genommen einen der wich-



*) Von Carl Bernhard!. 2. Aufl. Kassel 1849.

ist abgesetzt und selbst arretirt worden. Trotzdem hat das Kriegsgericht den alten
Mann zu zehnjähriger Zuchthausstrafe verurtheilt. Das Gesetz will es so, aber so we¬
nig er ein Gegenstand unserer Bewunderung sein kaun, so sehr nimmt er unser Mitleid
in Anspruch. Zehn Jahre Zuchthaus! — Möchte es nicht so kommen, daß wir
Preußen uus mit unserer Strenge vor den so heftig angefochtenen Oestreichern zu
schämen haben, die in der neuesten Zeit den einzigen Weg einzuschlagen scheinen,
der den Abgrund der Bürgerkriege schließt — den Weg der Gnade und des Ver-
gessens.




Politische Bemerkungen zu der Sprachkarte von
Deutschland ).



Die erste Auflage dieser Karte und der dazu gehörigen Erläuterungen ist
1843 erschienen. De>ß in verhältnißmäßig kurzer Zeit eine zweite nöthig wurde,
ist ein erfreulicher Beweis für die fortschreitende Verbreitung einer fruchtbarem
Ausfassung der geographischen Studien, als sie früher gewöhnlich war. Seitdem
Ritter dieser Disciplin wissenschaftliches Leben eingehaucht hat, kounte sich anch
die Kartographie nicht mehr mit bloßen Post- und Sitnationskarten genügen lassen.
Der nächste Schritt vorwärts waren bildliche Darstellungen der natürlichen Ver¬
hältnisse der Erdoberfläche und ihrer einzelnen Theile, der großen oro- und hydo-
graphischen Erscheinungen, der Vertheilung der physikalischen Einflüsse, der Wärme,
der Electricität, des Vulcanismus 2c. Es sind das die Vorbedingungen, die na¬
turhistorischen Grundlagen, auf denen sich das geschichtliche Leben der Menschheit
entwickelt, und die Geographie hat, indem sie ihre Aufgabe so stellte, sich zu dem
Range einer einleitenden historischen Wissenschaft erhoben.

Als Zwischenstufe zwischen ihr und der Geschichte im weitesten Sinne des
Wortes steht die Ethnographie gleichfalls erst ein Kind der neuesten Zeit da. Wie
es gewöhnlich bei neugeschaffenen Wissenschaften geht, so hat auch sie sich noch nicht
scharf und reinlich von den beiden anderen verwandten gesondert, und wird na¬
mentlich in Deutschland gewöhnlich uoch als ein integrirender Theil der Geographie
behandelt. So uinfass-n z. B. die bändereichen Forschungen Carl Ritters sowohl
eigentlich geographisches als auch eigentlich ethnographisches Gebiet, ja sie greifen
nicht selten in das historische herüber, wozu die Ethnographie die Brücke bildet.

In diesem Sinne läßt sich die Betrachtung der Spracheuvertheilung allenfalls
als ein Moment der Geographie fassen, während sie streng genommen einen der wich-



*) Von Carl Bernhard!. 2. Aufl. Kassel 1849.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/415>, abgerufen am 05.02.2025.