Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.wüsten Treibens, dieser verkommenen Polizeistaaten so entsetzlich müde, daß ich den So ungefähr mag "der Sohn der Wildniß" gefühlt haben, als seine Liebe Ich nannte Hecker den Edelsten nnter unsern Republikanern; ich hätte ihn Grenzboten. in. 184". 52
wüsten Treibens, dieser verkommenen Polizeistaaten so entsetzlich müde, daß ich den So ungefähr mag „der Sohn der Wildniß" gefühlt haben, als seine Liebe Ich nannte Hecker den Edelsten nnter unsern Republikanern; ich hätte ihn Grenzboten. in. 184». 52
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wüsten Treibens, dieser verkommenen Polizeistaaten so entsetzlich müde, daß ich den
Tag glücklich preise, an welchem ich wieder meine Axt nehmen und Waldland
klaren kann. Meine Rechnung mit der alten Welt ist abgeschlossen. El/ nicht
dieses Geschlecht vergangen ist, wird ein vernünftiger haltbarer Staat nicht erste¬
hen, und kein genialer, kräftiger, redlicher Mann das Steuer führen, weil, sobald
ein solcher auftaucht, gleich eine Meute jede seiner Thaten wie seinen redlichen Wil¬
len verdächtigt, und so Mißtrauen säet, wo Vertrauen der Energie die Dauer und
die Stärkung verleihen soll. Das Geschick hat es wohlwollend mit mir gemeint.
Wäre ich in dieser abermals verunglückten Bewegung einer der Leiter gewesen,
mein guter Name wäre jetzt eben so tief in den Pfuhl getreten: denn keine Epoche
der Weltgeschichte weist in einer so gewaltig bewegten Zeit einen so offenbaren
Bunterutt an Genie's oder großen Charakter» auf, als die jetzige. Mittelmäßigkeit,
Großrednerei, Schwätzerei und Maulheldenthum aller Ecken, links wie rechts; nur
wie eine Oase leuchtet uns Ungarn ein Kossuth aus dieser schlammigen Wüste,
und der Schlüssel dieser einzigen Größe: Kossuth leitet ein durch Uebercivilisation
und Afterweisheit nicht entnervtes, halbwildes Volk, gewohnt von Jugend auf
wilde Rosse zu bändigen und das krumme Schwert zu tragen und arm und be¬
dürfnißlos, ein Fremdling in der Genußsucht und sinnlicher Verweichlichung, zu
jagen über die weiten Steppen der Heimath. Wäre Kossuth in Deutschland auf¬
getreten, er wäre längst niedergeworfen und niedergenagt."
So ungefähr mag „der Sohn der Wildniß" gefühlt haben, als seine Liebe
zu der schönen Parthenia nicht mehr ausreichte, ihn über die Nichtswürdigkeit der
civilisirten Welt, der er selber angehören sollte, länger zu verblenden. Einen Marat
nur zum Dictator eines Monats! Die steche Generation wäre ausgerottet, und
der jungen Saat die ollula ruf-l geöffnet, auf der ein neues Heldengeschlecht das
Reich des fünften Weltalters aufrichten könnte. Jetzt muß die Axt, die nach Ty-
rannenblnt dürstete, Holz fällen zu den Blockhütten, und der Geist, in dem die
Ideen eines neuen Staatslebens sich wälzten, wird verbraucht in der Berechnung
der Bilance zwischen Einnahme und Ausgabe, in der Aufsuchung von Communi-
cationsmitteln für Getreide und Kartoffeln, von Weideplätzen für Ochsen und Schafe.
Der große Häuptling der rothen Republikaner kann nun im Verkehr mit den wirk¬
lichen Rothen die reine Natur studiren, die in der faulen Bildung der alten Welt
verloren ging.
Ich nannte Hecker den Edelsten nnter unsern Republikanern; ich hätte ihn
auch als den Glücklichsten bezeichnen könne». Ausgewachsen im kleinen, senden-,
lischen Kriege gegen die kleinstädtischen Machthaber seiner Heimath und gegen die
„Philister," welche in die Prosa der gesetzlichen Opposition verstrickt waren, ein
schöner, kräftiger Mann mit jungdeutschen Locken und Bart, dem die Jugend lei¬
denschaftlich anhing, durch eine günstige äußere Lage der kleinlichen Bemühungen
Grenzboten. in. 184». 52
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