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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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kaiserlichen Familie zu repräsentiren. Sein Neffe bestieg mit der scheinbar ihm
eigenthümlichen Kühnheit eines jugendlichen Autokraten den Thron. Sein Jugend-
feuer war ein künstlicher Brennpunkt, in welchem sich die jetzigen Stimmungen
der herrschenden Familie concentriren, und in den scheinpersönlichen Aeußerungen
des Monarchen spricht sich nur das allgemeine Verhalten der Dynastie zum Volke
aus. --

Bis jetzt hat der Habsburgische Staat durch jene heilige Allianz, die er mit
dem Czarenreiche geschlossen, den Bruch mit der Zukunft vollendet; dieses Oest¬
reich ist eine Mumie, und gehört nirgends anders hin, als in die Gruft der
Kapuziner, da wo seine Heimgegangenen Fürsten ruhen. Das Volk folgt weder
dem alten Kaiser Ferdinand auf jene Frohnleichuamsprocessiou nach, wo Fürst
Hohenlohe, der Wunderthäter, das Sanctissimum voranträgt, noch wird es auch
in jene gnädige Anerkennung begeistert beistimmen, die sei" Neffe, der jugend¬
liche Kaiser dem Wunderthäter des Absolutismus, dem Fürsten Paskewitsch, in
so vollem Maße angedeihen läßt.

Oestreich duldet in seiner bisherigen Gestalt nnr Unterthanen, aber keine freien
Staatsbürger; es fordert nur einen gedankenlosen Gehorsam, und verhält sich ab¬
lehnend zu einer jeden wahren Begeisterung, weil sie ein freies Entgegenkommen
voraussetzt. Der k. k. östreichische Patriotismus ist von einer Trostlosigkeit, die
sich nicht leicht ermessen läßt. Er besteht nur ans Priestern, die ihren eigenen
Vortheil verstehen, und andererseits aus Opfern, die ihm willenlos verfallen.
Der dynastische Egoismus rechnet darauf, daß er sich mit dem Egoismus des
klugen Staatsbürgers wird abfinden können, mag auch dieser in der edelsten Form
als Ehrgeiz auftreten. Ein Staat, der sich zur absoluten Einzelheit zuspitzt, kaun
nnr wieder von den Einzelnen begriffen werden; der Wohlstand der Privaten,
das Glück der Familien mag in ihm blühen, aber die Interessen ganzer Volks-
stämme tonnen in einem solchen Staate nicht ihre Befriedigung finden. Nur bei
den Einzelnen wird daher in Oestreich der Patriotismus gehegt und gepflegt;
bei den Völkern aber wird er, sobald er nicht wie bei den Urtheilen eine mini¬
sterielle Treibhauspflanze, sondern ein freies Erzeugniß des nationalen Bewußt¬
seins ist, systematisch niedergedrückt und unmöglich gemacht. Als trauriges Bei¬
spiel sind in dieser Beziehung zunächst die unglücklichen Slowaken anzuführen; sie
wissen von dem Martyrium des nationale" Patriotismus in Oestreich gar viel zu
erzählen. Der Grund einer solchen Politik liegt nicht so ferne. Die Dienste, die
der Einzelne dem Staate erweist, kann man ihm leicht durch Orden, Ehrentitel
und Adelsverleihnngen vergelten. Die patriotische Hingebung, mit der ein ganzer
Volksstamm sich dem Gesammtstaate widmet, kann dagegen nur in dieser Weise
würdig belohnt werden, daß die Staatsgewalt ihre abstrakte Hohe verläßt und der
Thron dem Volke um einige Stufen näher gerückt wird. Da man sich nun zu
diesem Opfer nicht herbeilassen will, so geht man auch dem nationalen Patriotis-


kaiserlichen Familie zu repräsentiren. Sein Neffe bestieg mit der scheinbar ihm
eigenthümlichen Kühnheit eines jugendlichen Autokraten den Thron. Sein Jugend-
feuer war ein künstlicher Brennpunkt, in welchem sich die jetzigen Stimmungen
der herrschenden Familie concentriren, und in den scheinpersönlichen Aeußerungen
des Monarchen spricht sich nur das allgemeine Verhalten der Dynastie zum Volke
aus. —

Bis jetzt hat der Habsburgische Staat durch jene heilige Allianz, die er mit
dem Czarenreiche geschlossen, den Bruch mit der Zukunft vollendet; dieses Oest¬
reich ist eine Mumie, und gehört nirgends anders hin, als in die Gruft der
Kapuziner, da wo seine Heimgegangenen Fürsten ruhen. Das Volk folgt weder
dem alten Kaiser Ferdinand auf jene Frohnleichuamsprocessiou nach, wo Fürst
Hohenlohe, der Wunderthäter, das Sanctissimum voranträgt, noch wird es auch
in jene gnädige Anerkennung begeistert beistimmen, die sei» Neffe, der jugend¬
liche Kaiser dem Wunderthäter des Absolutismus, dem Fürsten Paskewitsch, in
so vollem Maße angedeihen läßt.

Oestreich duldet in seiner bisherigen Gestalt nnr Unterthanen, aber keine freien
Staatsbürger; es fordert nur einen gedankenlosen Gehorsam, und verhält sich ab¬
lehnend zu einer jeden wahren Begeisterung, weil sie ein freies Entgegenkommen
voraussetzt. Der k. k. östreichische Patriotismus ist von einer Trostlosigkeit, die
sich nicht leicht ermessen läßt. Er besteht nur ans Priestern, die ihren eigenen
Vortheil verstehen, und andererseits aus Opfern, die ihm willenlos verfallen.
Der dynastische Egoismus rechnet darauf, daß er sich mit dem Egoismus des
klugen Staatsbürgers wird abfinden können, mag auch dieser in der edelsten Form
als Ehrgeiz auftreten. Ein Staat, der sich zur absoluten Einzelheit zuspitzt, kaun
nnr wieder von den Einzelnen begriffen werden; der Wohlstand der Privaten,
das Glück der Familien mag in ihm blühen, aber die Interessen ganzer Volks-
stämme tonnen in einem solchen Staate nicht ihre Befriedigung finden. Nur bei
den Einzelnen wird daher in Oestreich der Patriotismus gehegt und gepflegt;
bei den Völkern aber wird er, sobald er nicht wie bei den Urtheilen eine mini¬
sterielle Treibhauspflanze, sondern ein freies Erzeugniß des nationalen Bewußt¬
seins ist, systematisch niedergedrückt und unmöglich gemacht. Als trauriges Bei¬
spiel sind in dieser Beziehung zunächst die unglücklichen Slowaken anzuführen; sie
wissen von dem Martyrium des nationale» Patriotismus in Oestreich gar viel zu
erzählen. Der Grund einer solchen Politik liegt nicht so ferne. Die Dienste, die
der Einzelne dem Staate erweist, kann man ihm leicht durch Orden, Ehrentitel
und Adelsverleihnngen vergelten. Die patriotische Hingebung, mit der ein ganzer
Volksstamm sich dem Gesammtstaate widmet, kann dagegen nur in dieser Weise
würdig belohnt werden, daß die Staatsgewalt ihre abstrakte Hohe verläßt und der
Thron dem Volke um einige Stufen näher gerückt wird. Da man sich nun zu
diesem Opfer nicht herbeilassen will, so geht man auch dem nationalen Patriotis-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/32>, abgerufen am 05.02.2025.