Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.Gott und die baldige Schlichtung der östreichischen Finanznoth, und kein Ereigniß Wir wollen den Finanzminister nicht in seinem Glauben stören, allein mit Die Stelle lautet beiläufig: "Verläßliche Mittheilungen über Oestreich und Dies ist eine Anspielung auf "Pulszkyden Agenten Kossuth's in Lon¬ Jedoch das moralische Motiv beseitigend, weil vielleicht die politische Par- Das ist östreichische Ministerialpnblicistik; Kossuth bezüchtigt man des Dicb- Gott und die baldige Schlichtung der östreichischen Finanznoth, und kein Ereigniß Wir wollen den Finanzminister nicht in seinem Glauben stören, allein mit Die Stelle lautet beiläufig: „Verläßliche Mittheilungen über Oestreich und Dies ist eine Anspielung auf „Pulszkyden Agenten Kossuth's in Lon¬ Jedoch das moralische Motiv beseitigend, weil vielleicht die politische Par- Das ist östreichische Ministerialpnblicistik; Kossuth bezüchtigt man des Dicb- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0308" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279334"/> <p xml:id="ID_1004" prev="#ID_1003"> Gott und die baldige Schlichtung der östreichischen Finanznoth, und kein Ereigniß<lb/> noch so schauerlicher Art, weder der Mord Latours, uoch die Octroyirung der<lb/> Konstitution, weder die Niederlage des Feldmarschalls Windischgrätz, noch die<lb/> Siege der fürstlich Schwarzenberg'schen Politik vermögen ihn in seinem Glauben<lb/> wankend zu machen. Glaubt doch der Freiherr v. Kraus, daß das jetzige östrei¬<lb/> chische Ministerium constitutionell regiere, obwohl er selbst eine Ordonnanz nach<lb/> der andern octroyirt, die zu den unverantwortlichen gehören, wie der Zwangs¬<lb/> cours der ungarischen Landesanweisungen für die außerungarischen Provinzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1005"> Wir wollen den Finanzminister nicht in seinem Glauben stören, allein mit<lb/> Entrüstung las man dabei, daß der Freiherr v. Kraus, um die Finanzzustände<lb/> zu beschönigen, sich nicht entblödet, die Anschuldigung eines Mordes zu wiederholen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1006"> Die Stelle lautet beiläufig: „Verläßliche Mittheilungen über Oestreich und<lb/> Ungarn zu schreiben, dürste eine Hand am wenigsten geeignet sein, welche das<lb/> Blutgeld für die Mörder des edlen Grasen Latour verheißen und bezahlt zu ha¬<lb/> ben beschuldigt ist."</p><lb/> <p xml:id="ID_1007"> Dies ist eine Anspielung auf „Pulszkyden Agenten Kossuth's in Lon¬<lb/> don, dem die östreichischen Minister die donnernde Philippika der englischen Jour¬<lb/> nale zuschreiben. Ferne und fremd dem magyarischen Parteimann, wissen wir, und<lb/> so Viele, daß er zu den gebildetsten Talenten, zu den ehrenhaftesten Charakteren<lb/> und zu den sittlichen Männern einer der ritterlichsten Nationen gehört. Seiner<lb/> Seele, wie seinem Herzen ist eine That fremd, die zu den verwerflichsten der Ge¬<lb/> schichte gehört.</p><lb/> <p xml:id="ID_1008"> Jedoch das moralische Motiv beseitigend, weil vielleicht die politische Par-<lb/> teiung selbst zu Verbrechen flüchtet, gibt es thatsächliche geung, die besonders den<lb/> Minister Kraus abhalten mußten, einen solchen Vorwurf auszusprechen. Wenn<lb/> das Militärgericht in Wien drei Mörder Latour's aufhängen läßt und sechs an¬<lb/> dere Mörder Latour's zu Kerkerstrafe verurtheilt, und noch einige Dutzend als<lb/> Mörder Latour's steckbrieflich verfolgen läßt, so ist es eben das Blutgericht, das<lb/> seine Opfer haben muß, und da es keine Schuldigen findet, Halb - und Minder¬<lb/> schuldige dem Henker überliefert. Niemand ans dieser Erde war oder ist ein<lb/> Mörder des edlen Latour, wenn man mit diesem Worte den Begriff einer vor¬<lb/> überlegten That verbindet; die aufgeregte Masse hat ihn erschlagen, und die ihm<lb/> zunächst Stehenden hieben darauf los. Mögen die Missethäter in aller Strenge<lb/> gerichtet werden, sie haben einen braven Mann gemordet und ein vortrefflich Volk<lb/> durch diese Blutthat geschändet. Allein eine gleiche Schandthat für's Volk ist die<lb/> Anmuthung eines beabsichtigten Mordes, die, ohne Beweis, ohne Beleg, vom<lb/> Militärgericht ausgeht, und bei der Besprechung der Finanzen, vom Minister<lb/> Kraus sogar einer kenntlich bezeichneten Person angeheftet wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1009" next="#ID_1010"> Das ist östreichische Ministerialpnblicistik; Kossuth bezüchtigt man des Dicb-<lb/> stcchls, Pulszky der Mordanstistung. Gäbe es ein ehrlich Gericht in Oestreich,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0308]
Gott und die baldige Schlichtung der östreichischen Finanznoth, und kein Ereigniß
noch so schauerlicher Art, weder der Mord Latours, uoch die Octroyirung der
Konstitution, weder die Niederlage des Feldmarschalls Windischgrätz, noch die
Siege der fürstlich Schwarzenberg'schen Politik vermögen ihn in seinem Glauben
wankend zu machen. Glaubt doch der Freiherr v. Kraus, daß das jetzige östrei¬
chische Ministerium constitutionell regiere, obwohl er selbst eine Ordonnanz nach
der andern octroyirt, die zu den unverantwortlichen gehören, wie der Zwangs¬
cours der ungarischen Landesanweisungen für die außerungarischen Provinzen.
Wir wollen den Finanzminister nicht in seinem Glauben stören, allein mit
Entrüstung las man dabei, daß der Freiherr v. Kraus, um die Finanzzustände
zu beschönigen, sich nicht entblödet, die Anschuldigung eines Mordes zu wiederholen.
Die Stelle lautet beiläufig: „Verläßliche Mittheilungen über Oestreich und
Ungarn zu schreiben, dürste eine Hand am wenigsten geeignet sein, welche das
Blutgeld für die Mörder des edlen Grasen Latour verheißen und bezahlt zu ha¬
ben beschuldigt ist."
Dies ist eine Anspielung auf „Pulszkyden Agenten Kossuth's in Lon¬
don, dem die östreichischen Minister die donnernde Philippika der englischen Jour¬
nale zuschreiben. Ferne und fremd dem magyarischen Parteimann, wissen wir, und
so Viele, daß er zu den gebildetsten Talenten, zu den ehrenhaftesten Charakteren
und zu den sittlichen Männern einer der ritterlichsten Nationen gehört. Seiner
Seele, wie seinem Herzen ist eine That fremd, die zu den verwerflichsten der Ge¬
schichte gehört.
Jedoch das moralische Motiv beseitigend, weil vielleicht die politische Par-
teiung selbst zu Verbrechen flüchtet, gibt es thatsächliche geung, die besonders den
Minister Kraus abhalten mußten, einen solchen Vorwurf auszusprechen. Wenn
das Militärgericht in Wien drei Mörder Latour's aufhängen läßt und sechs an¬
dere Mörder Latour's zu Kerkerstrafe verurtheilt, und noch einige Dutzend als
Mörder Latour's steckbrieflich verfolgen läßt, so ist es eben das Blutgericht, das
seine Opfer haben muß, und da es keine Schuldigen findet, Halb - und Minder¬
schuldige dem Henker überliefert. Niemand ans dieser Erde war oder ist ein
Mörder des edlen Latour, wenn man mit diesem Worte den Begriff einer vor¬
überlegten That verbindet; die aufgeregte Masse hat ihn erschlagen, und die ihm
zunächst Stehenden hieben darauf los. Mögen die Missethäter in aller Strenge
gerichtet werden, sie haben einen braven Mann gemordet und ein vortrefflich Volk
durch diese Blutthat geschändet. Allein eine gleiche Schandthat für's Volk ist die
Anmuthung eines beabsichtigten Mordes, die, ohne Beweis, ohne Beleg, vom
Militärgericht ausgeht, und bei der Besprechung der Finanzen, vom Minister
Kraus sogar einer kenntlich bezeichneten Person angeheftet wird.
Das ist östreichische Ministerialpnblicistik; Kossuth bezüchtigt man des Dicb-
stcchls, Pulszky der Mordanstistung. Gäbe es ein ehrlich Gericht in Oestreich,
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