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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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erschwert, den Ungarn die Möglichkeit zu benehmen, ferner welche auszusenden?
Aber müssen denn Emissäre und Spione nothwendig Juden sein? Erfahren etwa
diese die Bewegungen der Armeen aus dem Talmud? Oder kann man nicht re¬
volutionäre Propaganda machen ohne beschnitten zu sein? Warum also haben die
Ungarn bis jetzt vorzüglich Juden zu diese" Geschäften verwendet? Weil sie
wußten, daß mau die Juden sonst sür ruhige friedliche Leute hielt, die sich mehr
mit ihrem Handel als mit der Politik befassen, und sie daher viel weniger beob¬
achtete als Andere. Ist man jetzt wieder der entgegengesetzten Ansicht, und hält
grade die Juden für besonders verdächtig, nun so werden sich anch die Insurgenten
darnach einrichten, und fortan wieder mehr Christen verwenden. Wie also z. B.
früher auf je drei Spione immer zwei Juden und Ein Christ kamen, so wird jetzt
das Verhältniß vielleicht ein umgekehrtes sein, aber die Gesammtzahl wird sich
dadurch nicht um einen vermindern. Hätte man dagegen von vornherein Juden
und Christen hierin ganz gleich behandelt, und gegen beide dieselbe Vorsicht beob¬
achtet, so wäre man weit besser weggekommen, als bei dem jetzigen Schaukclsystem,
wo es gestern gewissermaßen zur Empfehlung gereichte, ein Jude zu sein, und
heute wieder besonders verdächtig macht.

Aber das ist ja eben der Unsinn, daß man bei Juden gewohnt ist, von einem
gleich ans die Gesammtheit zu schließen. Weil einmal ein jüdischer Banquier ge¬
sagt "zu was Freiheit, halte Se die junge Leut scharf" galten früher alle Juden
für servil; und weil jetzt ein Paar radikale Blätter von Juden redigirt werden,
gelten jetzt wieder alle als Wühler, beides mit gleichem Unrecht. Die Juden haben
wohl alle dasselbe religiöse aber keineswegs auch ein gleiches politisches Glaubeus-
vekenntniß. Sie haben als Juden keine gemeinsame politische Farbe, sondern es
gibt ihrer wie unter jeder andern Confession schwarzgelbe, Trikolore und Rothe.
Wer das nicht glauben will, der besuche einmal die Wiener Börse, und er wird
sehen, daß es neben den radikalen Doktoren und Journalisten noch Gutgesinnte
gibt in Israel, so loyal wie irgend welcher christliche Stockjobber. Diese Lertte
mit Mahler und Tausenau zusammenzuwerfen, wäre eben so ungerecht, als ob
Man Windischgrätz sür Mazzini, Wrangel für Struve, oder Paskiewitsch für Va¬
kuum verantwortlich macheu wollte, weil sie derselben Kirche angehören.

Darum meine Herrn Generäle in Ungarn laßt die Mücken und die Juden.
Was gehen Euch die Juden an? Sehet warum haben Sanhcrib, T'tus, Holo-
fernes und wie die Feldherrn noch geheißen haben mögen, die in alten Zeiten
gegen die Juden kämpften, die Ungarn in Ruhe gelassen, und warn", macht Ihr,
die Ihr mit die Ungarn Krieg führt Euch so viel mit den Juden zu schaffen?
Der Kaiser hat jüngst die mährischen Juden seine jüdischen Mähren genannt. Ihr
habt es also auch in Ungarn nirgends mit rebellischen Juden zu thun, sondern
höchstens hier und da mit einigen von Sr. Majestät jüdischen Nelcllc". Diese


Grenzboten. in. 1849.

erschwert, den Ungarn die Möglichkeit zu benehmen, ferner welche auszusenden?
Aber müssen denn Emissäre und Spione nothwendig Juden sein? Erfahren etwa
diese die Bewegungen der Armeen aus dem Talmud? Oder kann man nicht re¬
volutionäre Propaganda machen ohne beschnitten zu sein? Warum also haben die
Ungarn bis jetzt vorzüglich Juden zu diese» Geschäften verwendet? Weil sie
wußten, daß mau die Juden sonst sür ruhige friedliche Leute hielt, die sich mehr
mit ihrem Handel als mit der Politik befassen, und sie daher viel weniger beob¬
achtete als Andere. Ist man jetzt wieder der entgegengesetzten Ansicht, und hält
grade die Juden für besonders verdächtig, nun so werden sich anch die Insurgenten
darnach einrichten, und fortan wieder mehr Christen verwenden. Wie also z. B.
früher auf je drei Spione immer zwei Juden und Ein Christ kamen, so wird jetzt
das Verhältniß vielleicht ein umgekehrtes sein, aber die Gesammtzahl wird sich
dadurch nicht um einen vermindern. Hätte man dagegen von vornherein Juden
und Christen hierin ganz gleich behandelt, und gegen beide dieselbe Vorsicht beob¬
achtet, so wäre man weit besser weggekommen, als bei dem jetzigen Schaukclsystem,
wo es gestern gewissermaßen zur Empfehlung gereichte, ein Jude zu sein, und
heute wieder besonders verdächtig macht.

Aber das ist ja eben der Unsinn, daß man bei Juden gewohnt ist, von einem
gleich ans die Gesammtheit zu schließen. Weil einmal ein jüdischer Banquier ge¬
sagt „zu was Freiheit, halte Se die junge Leut scharf" galten früher alle Juden
für servil; und weil jetzt ein Paar radikale Blätter von Juden redigirt werden,
gelten jetzt wieder alle als Wühler, beides mit gleichem Unrecht. Die Juden haben
wohl alle dasselbe religiöse aber keineswegs auch ein gleiches politisches Glaubeus-
vekenntniß. Sie haben als Juden keine gemeinsame politische Farbe, sondern es
gibt ihrer wie unter jeder andern Confession schwarzgelbe, Trikolore und Rothe.
Wer das nicht glauben will, der besuche einmal die Wiener Börse, und er wird
sehen, daß es neben den radikalen Doktoren und Journalisten noch Gutgesinnte
gibt in Israel, so loyal wie irgend welcher christliche Stockjobber. Diese Lertte
mit Mahler und Tausenau zusammenzuwerfen, wäre eben so ungerecht, als ob
Man Windischgrätz sür Mazzini, Wrangel für Struve, oder Paskiewitsch für Va¬
kuum verantwortlich macheu wollte, weil sie derselben Kirche angehören.

Darum meine Herrn Generäle in Ungarn laßt die Mücken und die Juden.
Was gehen Euch die Juden an? Sehet warum haben Sanhcrib, T'tus, Holo-
fernes und wie die Feldherrn noch geheißen haben mögen, die in alten Zeiten
gegen die Juden kämpften, die Ungarn in Ruhe gelassen, und warn», macht Ihr,
die Ihr mit die Ungarn Krieg führt Euch so viel mit den Juden zu schaffen?
Der Kaiser hat jüngst die mährischen Juden seine jüdischen Mähren genannt. Ihr
habt es also auch in Ungarn nirgends mit rebellischen Juden zu thun, sondern
höchstens hier und da mit einigen von Sr. Majestät jüdischen Nelcllc». Diese


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[0273] erschwert, den Ungarn die Möglichkeit zu benehmen, ferner welche auszusenden? Aber müssen denn Emissäre und Spione nothwendig Juden sein? Erfahren etwa diese die Bewegungen der Armeen aus dem Talmud? Oder kann man nicht re¬ volutionäre Propaganda machen ohne beschnitten zu sein? Warum also haben die Ungarn bis jetzt vorzüglich Juden zu diese» Geschäften verwendet? Weil sie wußten, daß mau die Juden sonst sür ruhige friedliche Leute hielt, die sich mehr mit ihrem Handel als mit der Politik befassen, und sie daher viel weniger beob¬ achtete als Andere. Ist man jetzt wieder der entgegengesetzten Ansicht, und hält grade die Juden für besonders verdächtig, nun so werden sich anch die Insurgenten darnach einrichten, und fortan wieder mehr Christen verwenden. Wie also z. B. früher auf je drei Spione immer zwei Juden und Ein Christ kamen, so wird jetzt das Verhältniß vielleicht ein umgekehrtes sein, aber die Gesammtzahl wird sich dadurch nicht um einen vermindern. Hätte man dagegen von vornherein Juden und Christen hierin ganz gleich behandelt, und gegen beide dieselbe Vorsicht beob¬ achtet, so wäre man weit besser weggekommen, als bei dem jetzigen Schaukclsystem, wo es gestern gewissermaßen zur Empfehlung gereichte, ein Jude zu sein, und heute wieder besonders verdächtig macht. Aber das ist ja eben der Unsinn, daß man bei Juden gewohnt ist, von einem gleich ans die Gesammtheit zu schließen. Weil einmal ein jüdischer Banquier ge¬ sagt „zu was Freiheit, halte Se die junge Leut scharf" galten früher alle Juden für servil; und weil jetzt ein Paar radikale Blätter von Juden redigirt werden, gelten jetzt wieder alle als Wühler, beides mit gleichem Unrecht. Die Juden haben wohl alle dasselbe religiöse aber keineswegs auch ein gleiches politisches Glaubeus- vekenntniß. Sie haben als Juden keine gemeinsame politische Farbe, sondern es gibt ihrer wie unter jeder andern Confession schwarzgelbe, Trikolore und Rothe. Wer das nicht glauben will, der besuche einmal die Wiener Börse, und er wird sehen, daß es neben den radikalen Doktoren und Journalisten noch Gutgesinnte gibt in Israel, so loyal wie irgend welcher christliche Stockjobber. Diese Lertte mit Mahler und Tausenau zusammenzuwerfen, wäre eben so ungerecht, als ob Man Windischgrätz sür Mazzini, Wrangel für Struve, oder Paskiewitsch für Va¬ kuum verantwortlich macheu wollte, weil sie derselben Kirche angehören. Darum meine Herrn Generäle in Ungarn laßt die Mücken und die Juden. Was gehen Euch die Juden an? Sehet warum haben Sanhcrib, T'tus, Holo- fernes und wie die Feldherrn noch geheißen haben mögen, die in alten Zeiten gegen die Juden kämpften, die Ungarn in Ruhe gelassen, und warn», macht Ihr, die Ihr mit die Ungarn Krieg führt Euch so viel mit den Juden zu schaffen? Der Kaiser hat jüngst die mährischen Juden seine jüdischen Mähren genannt. Ihr habt es also auch in Ungarn nirgends mit rebellischen Juden zu thun, sondern höchstens hier und da mit einigen von Sr. Majestät jüdischen Nelcllc». Diese Grenzboten. in. 1849.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/273>, abgerufen am 05.02.2025.