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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Shakespeare von Gervinus )



Bei einem Werk, welches noch durch keinen bekannten Namen die Aufmerk¬
samkeit des Publikums erregt, ist es nothwendig, auf das einzelne Vortreffliche
hinzuweisen, wodurch es seinen Platz in der Literatur einzunehmen berechtigt ist.
Bei einer neuen Schrift von Gervinus ist das überflüssig. Statt dessen wollen
wir zwei Punkte i" Erwägung ziehn.

Einmal. Welche Stelle nimmt dieses Werk in der Entwicklungsgeschichte un¬
sers Autors ein? Eine Frage, die bei Gervinus wohl an der Stelle ist, da er
keine seiner Studien als ein Parergon betrachtet, sondern überall Totalität ist.

Zweitens. In welchem Verhältniß steht der bestimmte kritische Standpunkt,
den das Werk einnimmt, zu den übrigen, welche die moderne Wissenschaft sich an¬
zueignen die Pflicht hat?

Nur noch eine Vorbemerkung über die Form des Werks. So viel aus den
beiden ersten Bänden ersichtlich ist, wird das, was aus dem Leben und der äu¬
ßeren Stellung des Dichters erzählt wird,.so wie die Skizzen aus dem künstleri-
schen Treiben seiner Zeit uur insofern hereingezogen, als es zum Verständniß der
einzelnen Stücke und des Zusammenhangs unter denselben unerläßlich ist. Die
neuern englischen Kritiker, namentlich Collier, haben in dieser Beziehung die flei¬
ßigsten Studien gemacht, namentlich über die pekuniären Verhältnisse Shakespeare's.
Sehr bedeutend sind wir, aufrichtig gesagt, dadurch uicht gefordert. Gervinus



*) Leipzig, W. Engelmann. Von den beiden Theilen, die bis jetzt erschiene" sind, ent¬
hält der erste: eine kurze Uebersicht der Kritiker Shakespeare's, seine Jugendgeschichte, eine
Beschreibung der Bühne in jener Zeit, eine Kcitik der beschreibenden Gedichte "Venus und
Adonis" und Lucretia; ferner die nach fremde" Mustern abgefaßten Jugendstückc: Titus An-
dronicus, Perikles, Heinrich VI., die Comödie der Irrungen, die Zähmung der Widerspensti¬
gen; und die ersten selbstständigen - die beiden Veroneser, verlerne Liebesmühe, Ende gut Alles
gut, Sommernachtstraum. Der zweite enthält: Romeo und Julie, Kaufmann von Venedig,
die lustigen Weiber von Windsor, die historische" Stücke und die Sonette. Der dritte, welcher
im September erscheinen soll, wird enthalten: Wie es euch gefällt, Viel Lärmen um nichts,
Was ihr wollt, Maaß für Maaß, Othello, Hamlet, Macbeth, Lear, Cymbelinc. -- Es blei¬
ben also noch übrig für einen spätern Theil: Wintermärchen, Troiluö und Crcssuda, Corio-
lan, Cäsar, Antonius, Timon, der Sturm.
Grenzboten. in. 184S. IN
Shakespeare von Gervinus )



Bei einem Werk, welches noch durch keinen bekannten Namen die Aufmerk¬
samkeit des Publikums erregt, ist es nothwendig, auf das einzelne Vortreffliche
hinzuweisen, wodurch es seinen Platz in der Literatur einzunehmen berechtigt ist.
Bei einer neuen Schrift von Gervinus ist das überflüssig. Statt dessen wollen
wir zwei Punkte i» Erwägung ziehn.

Einmal. Welche Stelle nimmt dieses Werk in der Entwicklungsgeschichte un¬
sers Autors ein? Eine Frage, die bei Gervinus wohl an der Stelle ist, da er
keine seiner Studien als ein Parergon betrachtet, sondern überall Totalität ist.

Zweitens. In welchem Verhältniß steht der bestimmte kritische Standpunkt,
den das Werk einnimmt, zu den übrigen, welche die moderne Wissenschaft sich an¬
zueignen die Pflicht hat?

Nur noch eine Vorbemerkung über die Form des Werks. So viel aus den
beiden ersten Bänden ersichtlich ist, wird das, was aus dem Leben und der äu¬
ßeren Stellung des Dichters erzählt wird,.so wie die Skizzen aus dem künstleri-
schen Treiben seiner Zeit uur insofern hereingezogen, als es zum Verständniß der
einzelnen Stücke und des Zusammenhangs unter denselben unerläßlich ist. Die
neuern englischen Kritiker, namentlich Collier, haben in dieser Beziehung die flei¬
ßigsten Studien gemacht, namentlich über die pekuniären Verhältnisse Shakespeare's.
Sehr bedeutend sind wir, aufrichtig gesagt, dadurch uicht gefordert. Gervinus



*) Leipzig, W. Engelmann. Von den beiden Theilen, die bis jetzt erschiene» sind, ent¬
hält der erste: eine kurze Uebersicht der Kritiker Shakespeare's, seine Jugendgeschichte, eine
Beschreibung der Bühne in jener Zeit, eine Kcitik der beschreibenden Gedichte „Venus und
Adonis" und Lucretia; ferner die nach fremde» Mustern abgefaßten Jugendstückc: Titus An-
dronicus, Perikles, Heinrich VI., die Comödie der Irrungen, die Zähmung der Widerspensti¬
gen; und die ersten selbstständigen - die beiden Veroneser, verlerne Liebesmühe, Ende gut Alles
gut, Sommernachtstraum. Der zweite enthält: Romeo und Julie, Kaufmann von Venedig,
die lustigen Weiber von Windsor, die historische» Stücke und die Sonette. Der dritte, welcher
im September erscheinen soll, wird enthalten: Wie es euch gefällt, Viel Lärmen um nichts,
Was ihr wollt, Maaß für Maaß, Othello, Hamlet, Macbeth, Lear, Cymbelinc. — Es blei¬
ben also noch übrig für einen spätern Theil: Wintermärchen, Troiluö und Crcssuda, Corio-
lan, Cäsar, Antonius, Timon, der Sturm.
Grenzboten. in. 184S. IN
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[0241] Shakespeare von Gervinus ) Bei einem Werk, welches noch durch keinen bekannten Namen die Aufmerk¬ samkeit des Publikums erregt, ist es nothwendig, auf das einzelne Vortreffliche hinzuweisen, wodurch es seinen Platz in der Literatur einzunehmen berechtigt ist. Bei einer neuen Schrift von Gervinus ist das überflüssig. Statt dessen wollen wir zwei Punkte i» Erwägung ziehn. Einmal. Welche Stelle nimmt dieses Werk in der Entwicklungsgeschichte un¬ sers Autors ein? Eine Frage, die bei Gervinus wohl an der Stelle ist, da er keine seiner Studien als ein Parergon betrachtet, sondern überall Totalität ist. Zweitens. In welchem Verhältniß steht der bestimmte kritische Standpunkt, den das Werk einnimmt, zu den übrigen, welche die moderne Wissenschaft sich an¬ zueignen die Pflicht hat? Nur noch eine Vorbemerkung über die Form des Werks. So viel aus den beiden ersten Bänden ersichtlich ist, wird das, was aus dem Leben und der äu¬ ßeren Stellung des Dichters erzählt wird,.so wie die Skizzen aus dem künstleri- schen Treiben seiner Zeit uur insofern hereingezogen, als es zum Verständniß der einzelnen Stücke und des Zusammenhangs unter denselben unerläßlich ist. Die neuern englischen Kritiker, namentlich Collier, haben in dieser Beziehung die flei¬ ßigsten Studien gemacht, namentlich über die pekuniären Verhältnisse Shakespeare's. Sehr bedeutend sind wir, aufrichtig gesagt, dadurch uicht gefordert. Gervinus *) Leipzig, W. Engelmann. Von den beiden Theilen, die bis jetzt erschiene» sind, ent¬ hält der erste: eine kurze Uebersicht der Kritiker Shakespeare's, seine Jugendgeschichte, eine Beschreibung der Bühne in jener Zeit, eine Kcitik der beschreibenden Gedichte „Venus und Adonis" und Lucretia; ferner die nach fremde» Mustern abgefaßten Jugendstückc: Titus An- dronicus, Perikles, Heinrich VI., die Comödie der Irrungen, die Zähmung der Widerspensti¬ gen; und die ersten selbstständigen - die beiden Veroneser, verlerne Liebesmühe, Ende gut Alles gut, Sommernachtstraum. Der zweite enthält: Romeo und Julie, Kaufmann von Venedig, die lustigen Weiber von Windsor, die historische» Stücke und die Sonette. Der dritte, welcher im September erscheinen soll, wird enthalten: Wie es euch gefällt, Viel Lärmen um nichts, Was ihr wollt, Maaß für Maaß, Othello, Hamlet, Macbeth, Lear, Cymbelinc. — Es blei¬ ben also noch übrig für einen spätern Theil: Wintermärchen, Troiluö und Crcssuda, Corio- lan, Cäsar, Antonius, Timon, der Sturm. Grenzboten. in. 184S. IN

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/241>, abgerufen am 05.02.2025.