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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Wahlbezirke kleiner ausgemessen werden müssen, wodurch der allgemeinen Agita¬
tion größerer Spielraum gelassen ist, sodann aber, weil die Privatagitation sich
vorzugsweise auf die Landtagswahlen werfen wird, von denen sie am meisten
erwartet.

Wir haben also gesehen, daß kein Wahlgesetz auf irgend denkbaren Grund¬
lagen der Negierung die Aussicht auf ein gutgesinntes Unterhaus bieten dürfte.
Nur Eines haben wir gefunden, könnte der Regierung helfen, ihre Kandidaten
ins Unterhaus zu bringen, wenn ein Theil des Volkes selbst sich der Wahlen
ganz enthielte, was jedoch unnatürlich und unhaltbar wäre. Wir haben ferner
gesehen, daß auch das Oberhaus aller Wahrscheinlichkeit nach für die Tendenzen
des Ministeriums durchaus nicht gestimmt sein wird. -- Aber selbst abgesehen von
allen Schwierigkeiten, mit welchen die Regierung, nach der ganzen vorhergegan¬
genen Argumentation, bei der Durchführung ihrer Pläne zu kämpfen hätte, liegen
die gewichtigste" Gründe vor, eine Centralisirung Oestreichs mit einheitliches
Parlament für ewig unmöglich zu halten.

Denn unmöglich wird es immer bleiben, für die Nationen Oestreichs eine
gemeinsame Parlamentssprache zu finden. Schon auf dem constilnnenden Reichs¬
tag hat der Mangel einer solchen, die von den verschiedenen Nationalitäten be¬
reitwillig anerkannt würde, zu manchen Reibungen, zu ernsten Befürchtungen für
die Zukunft Anlaß gegeben. Damals war aber noch eine Verständigung möglich.
Mit Ausnahme der wenigen Bauern aus Galizien und der dalmatinischen Abge¬
ordneten gab es kaum einen Deputirten, welcher der deutschen Sprache gänzlich
unkundig gewesen wäre, und obwohl bei der gereizten Eitelkeit der andern Na¬
tionen bei ihrem Widerwillen gegen "die Deutschen," bei der im Princip schon
anerkannten Gleichberechtigung ein Auflehnen gegen die deutsche Sprache als der
parlamentarischen für die spätere Zukunft noch öfters bevorstand, war diese still¬
schweigend wenigstens als die allein mögliche anerkannt.

Der constituirende Reichstag war aber von Nationen beschickt, bei denen
unter dem alten Regime die gelehrten, zum Theil selbst die Volksschulen in deut¬
scher Sprache geleitet wurden. In jenen Provinzen war also die deutsche Sprache
jedem Gebildeten wenigstens mehr oder weniger geläufig. Anders aber wird sich
dieses Verhältniß in dem ersten Reichstag nach der octroyirten Charte vom 4.
März gestalten. Wenn wir im §. 1. dieser Verfassung die Namen der Kronlän¬
der, welche den östreichischen Reichstag beschicken sollen, mit der erforderlichen
Kenntniß der sprachlichen Provinzialverhältnisse überlesen, so müssen uus not¬
wendig mehrere Provinzen auffallen, deren Bewohnern weder irgend eine
Kenntniß der deutschen, noch einer andern der übrigen Kronländer gleich¬
falls geläufigen Sprache zugemuthet werden kann. Wir sprechen von den Lom-
parden und Venedig, von Croatien, Slavonien, Siebenbürgen und Ungarn, sammt


Wahlbezirke kleiner ausgemessen werden müssen, wodurch der allgemeinen Agita¬
tion größerer Spielraum gelassen ist, sodann aber, weil die Privatagitation sich
vorzugsweise auf die Landtagswahlen werfen wird, von denen sie am meisten
erwartet.

Wir haben also gesehen, daß kein Wahlgesetz auf irgend denkbaren Grund¬
lagen der Negierung die Aussicht auf ein gutgesinntes Unterhaus bieten dürfte.
Nur Eines haben wir gefunden, könnte der Regierung helfen, ihre Kandidaten
ins Unterhaus zu bringen, wenn ein Theil des Volkes selbst sich der Wahlen
ganz enthielte, was jedoch unnatürlich und unhaltbar wäre. Wir haben ferner
gesehen, daß auch das Oberhaus aller Wahrscheinlichkeit nach für die Tendenzen
des Ministeriums durchaus nicht gestimmt sein wird. — Aber selbst abgesehen von
allen Schwierigkeiten, mit welchen die Regierung, nach der ganzen vorhergegan¬
genen Argumentation, bei der Durchführung ihrer Pläne zu kämpfen hätte, liegen
die gewichtigste» Gründe vor, eine Centralisirung Oestreichs mit einheitliches
Parlament für ewig unmöglich zu halten.

Denn unmöglich wird es immer bleiben, für die Nationen Oestreichs eine
gemeinsame Parlamentssprache zu finden. Schon auf dem constilnnenden Reichs¬
tag hat der Mangel einer solchen, die von den verschiedenen Nationalitäten be¬
reitwillig anerkannt würde, zu manchen Reibungen, zu ernsten Befürchtungen für
die Zukunft Anlaß gegeben. Damals war aber noch eine Verständigung möglich.
Mit Ausnahme der wenigen Bauern aus Galizien und der dalmatinischen Abge¬
ordneten gab es kaum einen Deputirten, welcher der deutschen Sprache gänzlich
unkundig gewesen wäre, und obwohl bei der gereizten Eitelkeit der andern Na¬
tionen bei ihrem Widerwillen gegen „die Deutschen," bei der im Princip schon
anerkannten Gleichberechtigung ein Auflehnen gegen die deutsche Sprache als der
parlamentarischen für die spätere Zukunft noch öfters bevorstand, war diese still¬
schweigend wenigstens als die allein mögliche anerkannt.

Der constituirende Reichstag war aber von Nationen beschickt, bei denen
unter dem alten Regime die gelehrten, zum Theil selbst die Volksschulen in deut¬
scher Sprache geleitet wurden. In jenen Provinzen war also die deutsche Sprache
jedem Gebildeten wenigstens mehr oder weniger geläufig. Anders aber wird sich
dieses Verhältniß in dem ersten Reichstag nach der octroyirten Charte vom 4.
März gestalten. Wenn wir im §. 1. dieser Verfassung die Namen der Kronlän¬
der, welche den östreichischen Reichstag beschicken sollen, mit der erforderlichen
Kenntniß der sprachlichen Provinzialverhältnisse überlesen, so müssen uus not¬
wendig mehrere Provinzen auffallen, deren Bewohnern weder irgend eine
Kenntniß der deutschen, noch einer andern der übrigen Kronländer gleich¬
falls geläufigen Sprache zugemuthet werden kann. Wir sprechen von den Lom-
parden und Venedig, von Croatien, Slavonien, Siebenbürgen und Ungarn, sammt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/239>, abgerufen am 05.02.2025.