Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.die gar keine Größe hatten und kein Ansehn. Ich steckte sie alle zusammen in Der Zapfenstreich wirbelt, das fröhliche Toben hört auf, auch drüben im Ich lege mich vor meine Hütte nud hülle mich dicht in meinem Mantel, die Verlag von F. L. Hcrbig. -- Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt. Druck von Friedrich Andrü. die gar keine Größe hatten und kein Ansehn. Ich steckte sie alle zusammen in Der Zapfenstreich wirbelt, das fröhliche Toben hört auf, auch drüben im Ich lege mich vor meine Hütte nud hülle mich dicht in meinem Mantel, die Verlag von F. L. Hcrbig. — Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt. Druck von Friedrich Andrü. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0204" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279230"/> <p xml:id="ID_653" prev="#ID_652"> die gar keine Größe hatten und kein Ansehn. Ich steckte sie alle zusammen in<lb/> einen Sack und ging mürrisch heraus. Da traf ich auf der Straße einen Kame¬<lb/> raden, der glücklicher gewesen war, er hatte diese Uhr gefangen. Ich bot ihm<lb/> den Sack mit den kleinen gelben gegen diese große, er wollte zuerst uicht, bis ich<lb/> ihn, einen Zwanziger zulegte, da ließ er sie mir; er war noch ein unerfahrener<lb/> Mann." — Gut, me-uBassa! Du kämpfst für den Ban und plünderst die Oest-<lb/> reicher und plünderst die Ungarn. — Wenn man mich in diesem außerordentlichen<lb/> Kriege frägt, wofür wir kämpfen, die Köpfe abschneiden, oder uns abschneiden<lb/> lassen, so würde es>mir wahrhaftig eben so schwer sein, einen vernünftigen Grund<lb/> anzugeben, als einem meiner Serczaner. Aber das ist der Humor des Krieges, man<lb/> schlachtet und wird geschlachtet, so lange, bis die Sache einem zur Gewohnheit ge¬<lb/> worden ist, die man nicht mehr entbehren kann, ungefähr wie das Tabakrauchen oder<lb/> ein g»t,'ö Diner. Die Brutalität ist in der menschlichen Natur mir mit einem sehr dün¬<lb/> nen Firniß überdeckt, Blut wäscht ihn ab nud die Bestie ist fertig, ohne viel von<lb/> ihrer alten Gemüthlichkeit verloren zu haben. Als im vorigen Herbst Freund<lb/> Knicanin die Melonen verboten hatte, weil sie gefährliche Dissentcrien herbrachten,<lb/> wurden sie unter anderm einmal in einem Sack eingeschmuggelt, in welchem oben<lb/> ein paar Ungarnköpfe lagen; diese Waare war zollfrei. — Und bei alle dem<lb/> sind die alten Knaben, unter denen ich hier sitze, als Kameraden, Bekannte, ja<lb/> als Freunde, die gutmüthigsten und ehrlichsten Menschen, die mir je vorgekommen<lb/> sind, und gegen ihre Sitten im Verkehr mit cultivirten Freunden wird, einige<lb/> kühne Redensarten abgerechnet, weniger einzuwenden sein, als gegen die Manie¬<lb/> ren deutscher Gardesoldaten; aber in Deutschland wirb der menschliche Firniß vom<lb/> Staat auf die Einzelnen gestrichen, hier muß sich ihn jeder selber geben und da<lb/> wird die Malerei etwas grotesk.</p><lb/> <p xml:id="ID_654"> Der Zapfenstreich wirbelt, das fröhliche Toben hört auf, auch drüben im<lb/> zweiten Lager tönt ein Signalhorn in russischer Weise und das Gesumm verstummt.</p><lb/> <p xml:id="ID_655"> Ich lege mich vor meine Hütte nud hülle mich dicht in meinem Mantel, die<lb/> Nacht wird frisch und perlender Thau hängt sich in mein Haar. — Rings tiefe<lb/> Ruhe, man hört nur das Schnarchen der Schläfer und den Ruf, Halt —^ wer<lb/> da. Patrouille vorbei! Von drüben aber, vom Nachbarlager tönt von Viertel¬<lb/> stunde zu Viertelstunde ein gellender Pfiff und der ermunternde Zuruf der einzel¬<lb/> nen Posten „i>v5l,i-! — ^L8i»i»öl>j!" Die Landschaft vor mir deckt tiefes Dunkel,<lb/> selbst von dem Strom, der großen Silberschlange, leuchten nur einzelne Schuppen.<lb/> Aber ein Rauschen geht durch das Wasser, welches unheimlich klingt, wie ein Kla¬<lb/> geruf der Elemente; und fern am Horizont auf das Banat zu glüht der Himmel<lb/> an zwei Stellen wie von einem Nordlicht. Es ist kein Nordlicht, was dort glüht,<lb/> der rothe Schein ist jetzt im Donauland jede Nacht zu sehe»' geu Süd, wie gen Norden.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Verlag von F. L. Hcrbig. — Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt.<lb/> Druck von Friedrich Andrü.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0204]
die gar keine Größe hatten und kein Ansehn. Ich steckte sie alle zusammen in
einen Sack und ging mürrisch heraus. Da traf ich auf der Straße einen Kame¬
raden, der glücklicher gewesen war, er hatte diese Uhr gefangen. Ich bot ihm
den Sack mit den kleinen gelben gegen diese große, er wollte zuerst uicht, bis ich
ihn, einen Zwanziger zulegte, da ließ er sie mir; er war noch ein unerfahrener
Mann." — Gut, me-uBassa! Du kämpfst für den Ban und plünderst die Oest-
reicher und plünderst die Ungarn. — Wenn man mich in diesem außerordentlichen
Kriege frägt, wofür wir kämpfen, die Köpfe abschneiden, oder uns abschneiden
lassen, so würde es>mir wahrhaftig eben so schwer sein, einen vernünftigen Grund
anzugeben, als einem meiner Serczaner. Aber das ist der Humor des Krieges, man
schlachtet und wird geschlachtet, so lange, bis die Sache einem zur Gewohnheit ge¬
worden ist, die man nicht mehr entbehren kann, ungefähr wie das Tabakrauchen oder
ein g»t,'ö Diner. Die Brutalität ist in der menschlichen Natur mir mit einem sehr dün¬
nen Firniß überdeckt, Blut wäscht ihn ab nud die Bestie ist fertig, ohne viel von
ihrer alten Gemüthlichkeit verloren zu haben. Als im vorigen Herbst Freund
Knicanin die Melonen verboten hatte, weil sie gefährliche Dissentcrien herbrachten,
wurden sie unter anderm einmal in einem Sack eingeschmuggelt, in welchem oben
ein paar Ungarnköpfe lagen; diese Waare war zollfrei. — Und bei alle dem
sind die alten Knaben, unter denen ich hier sitze, als Kameraden, Bekannte, ja
als Freunde, die gutmüthigsten und ehrlichsten Menschen, die mir je vorgekommen
sind, und gegen ihre Sitten im Verkehr mit cultivirten Freunden wird, einige
kühne Redensarten abgerechnet, weniger einzuwenden sein, als gegen die Manie¬
ren deutscher Gardesoldaten; aber in Deutschland wirb der menschliche Firniß vom
Staat auf die Einzelnen gestrichen, hier muß sich ihn jeder selber geben und da
wird die Malerei etwas grotesk.
Der Zapfenstreich wirbelt, das fröhliche Toben hört auf, auch drüben im
zweiten Lager tönt ein Signalhorn in russischer Weise und das Gesumm verstummt.
Ich lege mich vor meine Hütte nud hülle mich dicht in meinem Mantel, die
Nacht wird frisch und perlender Thau hängt sich in mein Haar. — Rings tiefe
Ruhe, man hört nur das Schnarchen der Schläfer und den Ruf, Halt —^ wer
da. Patrouille vorbei! Von drüben aber, vom Nachbarlager tönt von Viertel¬
stunde zu Viertelstunde ein gellender Pfiff und der ermunternde Zuruf der einzel¬
nen Posten „i>v5l,i-! — ^L8i»i»öl>j!" Die Landschaft vor mir deckt tiefes Dunkel,
selbst von dem Strom, der großen Silberschlange, leuchten nur einzelne Schuppen.
Aber ein Rauschen geht durch das Wasser, welches unheimlich klingt, wie ein Kla¬
geruf der Elemente; und fern am Horizont auf das Banat zu glüht der Himmel
an zwei Stellen wie von einem Nordlicht. Es ist kein Nordlicht, was dort glüht,
der rothe Schein ist jetzt im Donauland jede Nacht zu sehe»' geu Süd, wie gen Norden.
Verlag von F. L. Hcrbig. — Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt.
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