Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.absichtlich Lügengerüchte ausstreuten, um den Zuzug tapferer Freiheitskämpfer mit Möglich daß sie ihre Landsleute zu gut kannten, um irgend welche Gefahren 23*
absichtlich Lügengerüchte ausstreuten, um den Zuzug tapferer Freiheitskämpfer mit Möglich daß sie ihre Landsleute zu gut kannten, um irgend welche Gefahren 23*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0187" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279213"/> <p xml:id="ID_586" prev="#ID_585"> absichtlich Lügengerüchte ausstreuten, um den Zuzug tapferer Freiheitskämpfer mit<lb/> nagelneuen rothen Fahnen zu verhindern. Auch traf es sich zufällig, daß die Re¬<lb/> dactionen unserer demokratischen Localblätter, die sich außerdem ohne Korrespon¬<lb/> denten recht gut behelfen, gerade in jenen verhängnißvollen Tagen Stunde um<lb/> Stunde direkte Korrespondenzen aus Dresden empfingen. Darin stand nun in den<lb/> energischsten Ausdrücken fortwährend nur vou Siegen der deutschen Sache, von der<lb/> Vernichtung der preußischen Mörderbanden :c. Wer hätte da, namentlich wenn<lb/> er sich bereits eine Schärpe angeschafft hatte, diesen authentischen Berichten nicht<lb/> Glauben schenken sollen, und so kam es, daß ich z. B. gerade in der Stunde<lb/> eine ganze Schaar rother Helden in suo an meinen Fenstern vorüberrollen sah —<lb/> wie gesagt, des weiten Wegs halber, versahen sie sich vou Anfang an gleich mit<lb/> Fuhrwerk — wo ich in der Leipziger Allgemeinen die gänzliche Einnahme der<lb/> Stadt, die Verhaftung Bakunin's :c. gelesen hatte. Natürlich sind alle diese Söhne<lb/> meiner lieben Heimat wohlbehalten in den nächsten Tagen zurückgekehrt. Einige<lb/> Abenteuer mit Bauern abgerechnet, von denen sie Vorspann und Fourrage für<lb/> die gute Sache forderten, ist ihnen unterwegs auch gar nichts begegnet, uicht ein¬<lb/> mal ein Gensdarm. Diese waren in den Tagen ebenso unsichtbar, wie die ver¬<lb/> schiedenen städtischen Beamten oder die verschiedenen Ministerien selbst, unter deren<lb/> Augen die ganze Organisation dieser gemüthlichen Expeditionen während einer gan¬<lb/> zen Woche ungestört vor sich ging.</p><lb/> <p xml:id="ID_587" next="#ID_588"> Möglich daß sie ihre Landsleute zu gut kannten, um irgend welche Gefahren<lb/> dabei zu besorgen. Indessen hat man in Berlin, wo man sich überhaupt von je¬<lb/> her von unseren Thüringer Demokraten ganz fabelhafte Vorstellungen gemacht,<lb/> diese kluge Taktik unserer Regierungen, namentlich der weimarischen sehr übel ver¬<lb/> merkt, und wie es scheint, die Gelegenheit wahrgenommen, ihnen wegen dieser<lb/> und anderer Begehungs- und Unterlassungssünden eine recht derbe Strafpredigt<lb/> gehalten. Da blieb denn freilich nichts anderes übrig, als ein tief gefühltes<lb/> pktor nvcvilvi. — Es ist gewiß uur zu billigen, wenn unsere kleinen Staaten<lb/> von diesem Augenblick an sich wieder möglichst an Preußen anzunähern versuchten.<lb/> Freilich war die Lage wegen der Antecedenzien für sie unangenehm genug, denn<lb/> während man den größeren, wie Meklenburg und Hessen wegen ihres plötzlichen<lb/> Abgehens von der wahren und alleinseligmachenden Verfassung keinen Vorwurf<lb/> machte, mußten unsere kleinen Regierungen viel Bitteres hören und zwar von bei¬<lb/> den Seiten. — Indessen eine Negierung muß ja bekanntlich in jetziger Zeit<lb/> einen guten Magen haben und so verschluckte man es denn ganz getrost. Aber<lb/> es war ein großer Fehler, daß man den Uebertritt zu dem preußischen Entwurf<lb/> von allerlei Bedingungen abhängig machen wollte, namentlich von einer Aende¬<lb/> rung des preußischen Wahlgesetzes für das Volkshans. Natürlich erhielt man<lb/> in Berlin ein ganz einfaches entweder — oder zur Antwort: „Entweder treten die<lb/> kleinen Staaten dem Entwürfe, wie er von uns vereinbart ist, bei, oder sie mögen</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 23*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0187]
absichtlich Lügengerüchte ausstreuten, um den Zuzug tapferer Freiheitskämpfer mit
nagelneuen rothen Fahnen zu verhindern. Auch traf es sich zufällig, daß die Re¬
dactionen unserer demokratischen Localblätter, die sich außerdem ohne Korrespon¬
denten recht gut behelfen, gerade in jenen verhängnißvollen Tagen Stunde um
Stunde direkte Korrespondenzen aus Dresden empfingen. Darin stand nun in den
energischsten Ausdrücken fortwährend nur vou Siegen der deutschen Sache, von der
Vernichtung der preußischen Mörderbanden :c. Wer hätte da, namentlich wenn
er sich bereits eine Schärpe angeschafft hatte, diesen authentischen Berichten nicht
Glauben schenken sollen, und so kam es, daß ich z. B. gerade in der Stunde
eine ganze Schaar rother Helden in suo an meinen Fenstern vorüberrollen sah —
wie gesagt, des weiten Wegs halber, versahen sie sich vou Anfang an gleich mit
Fuhrwerk — wo ich in der Leipziger Allgemeinen die gänzliche Einnahme der
Stadt, die Verhaftung Bakunin's :c. gelesen hatte. Natürlich sind alle diese Söhne
meiner lieben Heimat wohlbehalten in den nächsten Tagen zurückgekehrt. Einige
Abenteuer mit Bauern abgerechnet, von denen sie Vorspann und Fourrage für
die gute Sache forderten, ist ihnen unterwegs auch gar nichts begegnet, uicht ein¬
mal ein Gensdarm. Diese waren in den Tagen ebenso unsichtbar, wie die ver¬
schiedenen städtischen Beamten oder die verschiedenen Ministerien selbst, unter deren
Augen die ganze Organisation dieser gemüthlichen Expeditionen während einer gan¬
zen Woche ungestört vor sich ging.
Möglich daß sie ihre Landsleute zu gut kannten, um irgend welche Gefahren
dabei zu besorgen. Indessen hat man in Berlin, wo man sich überhaupt von je¬
her von unseren Thüringer Demokraten ganz fabelhafte Vorstellungen gemacht,
diese kluge Taktik unserer Regierungen, namentlich der weimarischen sehr übel ver¬
merkt, und wie es scheint, die Gelegenheit wahrgenommen, ihnen wegen dieser
und anderer Begehungs- und Unterlassungssünden eine recht derbe Strafpredigt
gehalten. Da blieb denn freilich nichts anderes übrig, als ein tief gefühltes
pktor nvcvilvi. — Es ist gewiß uur zu billigen, wenn unsere kleinen Staaten
von diesem Augenblick an sich wieder möglichst an Preußen anzunähern versuchten.
Freilich war die Lage wegen der Antecedenzien für sie unangenehm genug, denn
während man den größeren, wie Meklenburg und Hessen wegen ihres plötzlichen
Abgehens von der wahren und alleinseligmachenden Verfassung keinen Vorwurf
machte, mußten unsere kleinen Regierungen viel Bitteres hören und zwar von bei¬
den Seiten. — Indessen eine Negierung muß ja bekanntlich in jetziger Zeit
einen guten Magen haben und so verschluckte man es denn ganz getrost. Aber
es war ein großer Fehler, daß man den Uebertritt zu dem preußischen Entwurf
von allerlei Bedingungen abhängig machen wollte, namentlich von einer Aende¬
rung des preußischen Wahlgesetzes für das Volkshans. Natürlich erhielt man
in Berlin ein ganz einfaches entweder — oder zur Antwort: „Entweder treten die
kleinen Staaten dem Entwürfe, wie er von uns vereinbart ist, bei, oder sie mögen
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