Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

hat. Als die Verhandlung über die Ausnahmestellung Oestreichs begann, stimmte
er weder für die schwarzgelben, noch für die deutschen Unitarier. "Kein Oestreich,
kein Preußen! Der Spruch ist den Deutschen, einigen specifischen Preußen ausgenom¬
men, tief ins Herz geschrieben," nachdem er eben über die deutschen Windischgrätz,
Kaiser Ferdinand, Wessenberg u. s. w., die ein Oestreich wollen, geklagt, ja nach¬
dem er selber ausgerufen: "Aus der Asche erhebt sich, wie ein Phönix des Völker-
nnd Staatslebens, ein neues, freies und herrliches Oestreich. Dieses wird Mittel
genug finden, die verschiedenen Völkerschaften, die alle Schicksale der Monarchie
getheilt, an sich zu ketten." Also Oestreich soll bleiben, aber die schwarzgelben,
die dasselbe wollen, sind Verräther. Warum? weil sie Preußen die Hegemonie
in Deutschland überlassen. Ihr Wahlspruch sei: Kein Oestreich und Ein Preußen!
während er gleichzeitig darüber eifert, daß sie Oestreich erhalten und Preußen in
Deutschland aufgehen lassen wollen. Das dunkle Gefühl der nationalen Eitelkeit,
das sich doch nur an die Dynastie anklammert, denn Oestreich ist auf keine Weise
ein ethnographischer, sondern nur ein dynastischer Begriff, streitet mit dem repu¬
blikanischen Gefühl, das mit Dynastien überhaupt nichts zu thun haben mag, und
so bleibt nur der Unmuth, widersprechende Wünsche nicht zugleich realisiren zu
können, der sich in einem uumotivirten Pathos und zuletzt in Ausbrüchen einer
völligen Geistesverwirrung Luft macht. "Sie haben der Linken ganz ohne
Grund den Vorwurf gemacht, daß dort Republikaner sitzen. Meine Herren!
es sitzen dort Republikaner, und ich bin auch einer!"

Ihm in seiner spätern Verwirrung zu folgen, lohnt nicht der Mühe. Er
ging redlich mit seiner Partei, am liebsten freilich, als sie, die Republikaner, mit
Schmerling und Schwarzenberg gegen die Weidenbuschpartei intrignirte, und ver¬
lor sich in der Masse. Eine vollständig ausgebildete Partcistellnng drängt über¬
haupt die Individualität zurück. Aus dem gutmüthigen, braven, redlichen Mann
ward ein Genosse der Herren Zitz und Brentano: ein Beispiel, wie der absolute
Egoismus des souveränen Gefühls in politischen Dingen nicht nur der Sache,
sondern auch der Person zu Verderben gereicht.




Die Juden in Breslau.



Die Emancipation der Juden als Staatsbürger, welche das vorige Jahr
brachte, hat bei uns auch in ihren geschäftlichen Beziehungen zu den Christen
allerlei Veränderungen Hervorgerufe". ES lassen sich Betrachtungen von allgemei¬
nem Interesse daran knüpfen, und deshalb möge Ihr Blatt auch diesem Thema
einige Seiten gönnen.


hat. Als die Verhandlung über die Ausnahmestellung Oestreichs begann, stimmte
er weder für die schwarzgelben, noch für die deutschen Unitarier. „Kein Oestreich,
kein Preußen! Der Spruch ist den Deutschen, einigen specifischen Preußen ausgenom¬
men, tief ins Herz geschrieben," nachdem er eben über die deutschen Windischgrätz,
Kaiser Ferdinand, Wessenberg u. s. w., die ein Oestreich wollen, geklagt, ja nach¬
dem er selber ausgerufen: „Aus der Asche erhebt sich, wie ein Phönix des Völker-
nnd Staatslebens, ein neues, freies und herrliches Oestreich. Dieses wird Mittel
genug finden, die verschiedenen Völkerschaften, die alle Schicksale der Monarchie
getheilt, an sich zu ketten." Also Oestreich soll bleiben, aber die schwarzgelben,
die dasselbe wollen, sind Verräther. Warum? weil sie Preußen die Hegemonie
in Deutschland überlassen. Ihr Wahlspruch sei: Kein Oestreich und Ein Preußen!
während er gleichzeitig darüber eifert, daß sie Oestreich erhalten und Preußen in
Deutschland aufgehen lassen wollen. Das dunkle Gefühl der nationalen Eitelkeit,
das sich doch nur an die Dynastie anklammert, denn Oestreich ist auf keine Weise
ein ethnographischer, sondern nur ein dynastischer Begriff, streitet mit dem repu¬
blikanischen Gefühl, das mit Dynastien überhaupt nichts zu thun haben mag, und
so bleibt nur der Unmuth, widersprechende Wünsche nicht zugleich realisiren zu
können, der sich in einem uumotivirten Pathos und zuletzt in Ausbrüchen einer
völligen Geistesverwirrung Luft macht. „Sie haben der Linken ganz ohne
Grund den Vorwurf gemacht, daß dort Republikaner sitzen. Meine Herren!
es sitzen dort Republikaner, und ich bin auch einer!"

Ihm in seiner spätern Verwirrung zu folgen, lohnt nicht der Mühe. Er
ging redlich mit seiner Partei, am liebsten freilich, als sie, die Republikaner, mit
Schmerling und Schwarzenberg gegen die Weidenbuschpartei intrignirte, und ver¬
lor sich in der Masse. Eine vollständig ausgebildete Partcistellnng drängt über¬
haupt die Individualität zurück. Aus dem gutmüthigen, braven, redlichen Mann
ward ein Genosse der Herren Zitz und Brentano: ein Beispiel, wie der absolute
Egoismus des souveränen Gefühls in politischen Dingen nicht nur der Sache,
sondern auch der Person zu Verderben gereicht.




Die Juden in Breslau.



Die Emancipation der Juden als Staatsbürger, welche das vorige Jahr
brachte, hat bei uns auch in ihren geschäftlichen Beziehungen zu den Christen
allerlei Veränderungen Hervorgerufe«. ES lassen sich Betrachtungen von allgemei¬
nem Interesse daran knüpfen, und deshalb möge Ihr Blatt auch diesem Thema
einige Seiten gönnen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0152" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279178"/>
            <p xml:id="ID_479" prev="#ID_478"> hat. Als die Verhandlung über die Ausnahmestellung Oestreichs begann, stimmte<lb/>
er weder für die schwarzgelben, noch für die deutschen Unitarier. &#x201E;Kein Oestreich,<lb/>
kein Preußen! Der Spruch ist den Deutschen, einigen specifischen Preußen ausgenom¬<lb/>
men, tief ins Herz geschrieben," nachdem er eben über die deutschen Windischgrätz,<lb/>
Kaiser Ferdinand, Wessenberg u. s. w., die ein Oestreich wollen, geklagt, ja nach¬<lb/>
dem er selber ausgerufen: &#x201E;Aus der Asche erhebt sich, wie ein Phönix des Völker-<lb/>
nnd Staatslebens, ein neues, freies und herrliches Oestreich. Dieses wird Mittel<lb/>
genug finden, die verschiedenen Völkerschaften, die alle Schicksale der Monarchie<lb/>
getheilt, an sich zu ketten." Also Oestreich soll bleiben, aber die schwarzgelben,<lb/>
die dasselbe wollen, sind Verräther. Warum? weil sie Preußen die Hegemonie<lb/>
in Deutschland überlassen. Ihr Wahlspruch sei: Kein Oestreich und Ein Preußen!<lb/>
während er gleichzeitig darüber eifert, daß sie Oestreich erhalten und Preußen in<lb/>
Deutschland aufgehen lassen wollen. Das dunkle Gefühl der nationalen Eitelkeit,<lb/>
das sich doch nur an die Dynastie anklammert, denn Oestreich ist auf keine Weise<lb/>
ein ethnographischer, sondern nur ein dynastischer Begriff, streitet mit dem repu¬<lb/>
blikanischen Gefühl, das mit Dynastien überhaupt nichts zu thun haben mag, und<lb/>
so bleibt nur der Unmuth, widersprechende Wünsche nicht zugleich realisiren zu<lb/>
können, der sich in einem uumotivirten Pathos und zuletzt in Ausbrüchen einer<lb/>
völligen Geistesverwirrung Luft macht. &#x201E;Sie haben der Linken ganz ohne<lb/>
Grund den Vorwurf gemacht, daß dort Republikaner sitzen. Meine Herren!<lb/>
es sitzen dort Republikaner, und ich bin auch einer!"</p><lb/>
            <p xml:id="ID_480"> Ihm in seiner spätern Verwirrung zu folgen, lohnt nicht der Mühe. Er<lb/>
ging redlich mit seiner Partei, am liebsten freilich, als sie, die Republikaner, mit<lb/>
Schmerling und Schwarzenberg gegen die Weidenbuschpartei intrignirte, und ver¬<lb/>
lor sich in der Masse. Eine vollständig ausgebildete Partcistellnng drängt über¬<lb/>
haupt die Individualität zurück. Aus dem gutmüthigen, braven, redlichen Mann<lb/>
ward ein Genosse der Herren Zitz und Brentano: ein Beispiel, wie der absolute<lb/>
Egoismus des souveränen Gefühls in politischen Dingen nicht nur der Sache,<lb/>
sondern auch der Person zu Verderben gereicht.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Juden in Breslau.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_481"> Die Emancipation der Juden als Staatsbürger, welche das vorige Jahr<lb/>
brachte, hat bei uns auch in ihren geschäftlichen Beziehungen zu den Christen<lb/>
allerlei Veränderungen Hervorgerufe«. ES lassen sich Betrachtungen von allgemei¬<lb/>
nem Interesse daran knüpfen, und deshalb möge Ihr Blatt auch diesem Thema<lb/>
einige Seiten gönnen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0152] hat. Als die Verhandlung über die Ausnahmestellung Oestreichs begann, stimmte er weder für die schwarzgelben, noch für die deutschen Unitarier. „Kein Oestreich, kein Preußen! Der Spruch ist den Deutschen, einigen specifischen Preußen ausgenom¬ men, tief ins Herz geschrieben," nachdem er eben über die deutschen Windischgrätz, Kaiser Ferdinand, Wessenberg u. s. w., die ein Oestreich wollen, geklagt, ja nach¬ dem er selber ausgerufen: „Aus der Asche erhebt sich, wie ein Phönix des Völker- nnd Staatslebens, ein neues, freies und herrliches Oestreich. Dieses wird Mittel genug finden, die verschiedenen Völkerschaften, die alle Schicksale der Monarchie getheilt, an sich zu ketten." Also Oestreich soll bleiben, aber die schwarzgelben, die dasselbe wollen, sind Verräther. Warum? weil sie Preußen die Hegemonie in Deutschland überlassen. Ihr Wahlspruch sei: Kein Oestreich und Ein Preußen! während er gleichzeitig darüber eifert, daß sie Oestreich erhalten und Preußen in Deutschland aufgehen lassen wollen. Das dunkle Gefühl der nationalen Eitelkeit, das sich doch nur an die Dynastie anklammert, denn Oestreich ist auf keine Weise ein ethnographischer, sondern nur ein dynastischer Begriff, streitet mit dem repu¬ blikanischen Gefühl, das mit Dynastien überhaupt nichts zu thun haben mag, und so bleibt nur der Unmuth, widersprechende Wünsche nicht zugleich realisiren zu können, der sich in einem uumotivirten Pathos und zuletzt in Ausbrüchen einer völligen Geistesverwirrung Luft macht. „Sie haben der Linken ganz ohne Grund den Vorwurf gemacht, daß dort Republikaner sitzen. Meine Herren! es sitzen dort Republikaner, und ich bin auch einer!" Ihm in seiner spätern Verwirrung zu folgen, lohnt nicht der Mühe. Er ging redlich mit seiner Partei, am liebsten freilich, als sie, die Republikaner, mit Schmerling und Schwarzenberg gegen die Weidenbuschpartei intrignirte, und ver¬ lor sich in der Masse. Eine vollständig ausgebildete Partcistellnng drängt über¬ haupt die Individualität zurück. Aus dem gutmüthigen, braven, redlichen Mann ward ein Genosse der Herren Zitz und Brentano: ein Beispiel, wie der absolute Egoismus des souveränen Gefühls in politischen Dingen nicht nur der Sache, sondern auch der Person zu Verderben gereicht. Die Juden in Breslau. Die Emancipation der Juden als Staatsbürger, welche das vorige Jahr brachte, hat bei uns auch in ihren geschäftlichen Beziehungen zu den Christen allerlei Veränderungen Hervorgerufe«. ES lassen sich Betrachtungen von allgemei¬ nem Interesse daran knüpfen, und deshalb möge Ihr Blatt auch diesem Thema einige Seiten gönnen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/152
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/152>, abgerufen am 05.02.2025.