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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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rather an der deutschen Sache, ich wurde Abtrünnling genannt, blos deswegen,
weil ich damals nicht der Meinung war, daß Oestreich zur Hälfte deutsch, zur
andern magyarisch sei, weil ich sagte, Oestreich sei Oestreich 0 u,), in welchem
Deutsche, Magyaren, Slaven, Romanen mit gleichem Rechte zu einem großen
Gesammtstaate verbunden seien, weil ich, was mein besonderes Vaterland betraf,
der czechischen Nationalität dasselbe Recht zutheilen wollte, welches ich meinen
deutschen Landsleuten gewahrt wissen wollte."

Ehe nun Herr Di-. Heisere seine Gründe gegen Dr. Pinkas in Schlachtord¬
nung stellt, redet er seinem Gegner folgendermaßen in'S Gewissen. "Mein Herr!
gesetzt, ich hätte die Aeußerung, die Sie mir unterschoben, wirklich gemacht, so
könnten Sie meine Erklärung vom 7. als Beweis hinnehmen, daß ich solche doch
nicht gemacht haben wollte. Sie konnten sich damit begnügen und gegen mich
als reumüthigen Sünder (!) Gnade vor Recht ergehen lassen. Sie haben sich da¬
mit nicht begnügt. Sie haben für gut befunden, die Behauptung, die erst Sie münd¬
lich unter die Leute gebracht, nur mit der Zugabe von allerhand bissigen Auf¬
putz (!) und Zierrath in einem öffentlichen Blatte zu wiederholen. Sie haben ge¬
glaubt, um Ihre Ehre -- die ich nicht angegriffen, -- zu wahren, die meine
beflecken zu müssen. Mein Herr! ich bin der Schonung, die ich gegen Sie beobach¬
tet, entbunden." Nachdem nun Dr. Heisere den Verlauf des Gespräches, das er
in jener Nacht von Kremsier mit dem Abgeordneten Pinkas geführt und uuter andern
eine harte Aeußerung des letztem in Bezug auf die Deutschböhmen mitge¬
theilt hat, fügt er in christlichem Tone hinzu: "Mein Herr! ich will Ihnen nicht
Gleiches mit Gleichem vergelten. Ich will nicht den Verdacht auf Sie wälzen,
als hätten Sie jene Worte anders, als in einem Aufwallen augenblicklicher Lei¬
denschaftlichkeit herausgestoßen; ich will Sie selbst vertheidigen und von Ihrer
Loyalität und Vaterlandsliebe voraussetzen, daß Sie ihre deutschen und czechi¬
schen Landsleute ebenso mit gleicher Liebe im Herzen tragen, wie ich es mir im
Innersten der Seele bewußt bin." - Nichts macht einen so widerlichen Eindruck,
als der Dilettantismus der Heuchelei, die uovizenhaste Ungeschicklichkeit im Je¬
suitismus. Und diesen Eindruck empfindet man so lebhaft bei der eben angeführ¬
ten Stelle. --

Kt ,n-",to88<; voluiit et äelectin-v mock-lo. Der Unterstaatssecretär will nicht
nur das Publikum belehren, sondern gibt sich anch alle Mühe, es zu amüsiren.
Ich führe zur Erheiterung der Leser folgende Stelle an: "Mein Herr! ich kann
von der gütigen Nachsicht, mit der Sie es aus der Wucht meiner Geschäfte ent¬
schuldige" wollen, daß ich ohne Zweifel das Thatsächliche jener Nacht nicht mehr
^ ganz klarer Erinnerung habe, keinen Gebrauch machen und bedarf wahrlich der
gefälligen Bereitwilligkeit nicht, mit der Sie sich erbieten, meinem Gedächtnisse zu
Hilfe zu kommen. Zum Beweise dessen gestehe ich, mich sehr wohl zu erinnern,
daß ich eine Zeitlang aus dem Tabonretchen saß --- ich wußte nicht, daß dies mit


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rather an der deutschen Sache, ich wurde Abtrünnling genannt, blos deswegen,
weil ich damals nicht der Meinung war, daß Oestreich zur Hälfte deutsch, zur
andern magyarisch sei, weil ich sagte, Oestreich sei Oestreich 0 u,), in welchem
Deutsche, Magyaren, Slaven, Romanen mit gleichem Rechte zu einem großen
Gesammtstaate verbunden seien, weil ich, was mein besonderes Vaterland betraf,
der czechischen Nationalität dasselbe Recht zutheilen wollte, welches ich meinen
deutschen Landsleuten gewahrt wissen wollte."

Ehe nun Herr Di-. Heisere seine Gründe gegen Dr. Pinkas in Schlachtord¬
nung stellt, redet er seinem Gegner folgendermaßen in'S Gewissen. „Mein Herr!
gesetzt, ich hätte die Aeußerung, die Sie mir unterschoben, wirklich gemacht, so
könnten Sie meine Erklärung vom 7. als Beweis hinnehmen, daß ich solche doch
nicht gemacht haben wollte. Sie konnten sich damit begnügen und gegen mich
als reumüthigen Sünder (!) Gnade vor Recht ergehen lassen. Sie haben sich da¬
mit nicht begnügt. Sie haben für gut befunden, die Behauptung, die erst Sie münd¬
lich unter die Leute gebracht, nur mit der Zugabe von allerhand bissigen Auf¬
putz (!) und Zierrath in einem öffentlichen Blatte zu wiederholen. Sie haben ge¬
glaubt, um Ihre Ehre — die ich nicht angegriffen, — zu wahren, die meine
beflecken zu müssen. Mein Herr! ich bin der Schonung, die ich gegen Sie beobach¬
tet, entbunden." Nachdem nun Dr. Heisere den Verlauf des Gespräches, das er
in jener Nacht von Kremsier mit dem Abgeordneten Pinkas geführt und uuter andern
eine harte Aeußerung des letztem in Bezug auf die Deutschböhmen mitge¬
theilt hat, fügt er in christlichem Tone hinzu: „Mein Herr! ich will Ihnen nicht
Gleiches mit Gleichem vergelten. Ich will nicht den Verdacht auf Sie wälzen,
als hätten Sie jene Worte anders, als in einem Aufwallen augenblicklicher Lei¬
denschaftlichkeit herausgestoßen; ich will Sie selbst vertheidigen und von Ihrer
Loyalität und Vaterlandsliebe voraussetzen, daß Sie ihre deutschen und czechi¬
schen Landsleute ebenso mit gleicher Liebe im Herzen tragen, wie ich es mir im
Innersten der Seele bewußt bin." - Nichts macht einen so widerlichen Eindruck,
als der Dilettantismus der Heuchelei, die uovizenhaste Ungeschicklichkeit im Je¬
suitismus. Und diesen Eindruck empfindet man so lebhaft bei der eben angeführ¬
ten Stelle. —

Kt ,n-»,to88<; voluiit et äelectin-v mock-lo. Der Unterstaatssecretär will nicht
nur das Publikum belehren, sondern gibt sich anch alle Mühe, es zu amüsiren.
Ich führe zur Erheiterung der Leser folgende Stelle an: „Mein Herr! ich kann
von der gütigen Nachsicht, mit der Sie es aus der Wucht meiner Geschäfte ent¬
schuldige« wollen, daß ich ohne Zweifel das Thatsächliche jener Nacht nicht mehr
^ ganz klarer Erinnerung habe, keinen Gebrauch machen und bedarf wahrlich der
gefälligen Bereitwilligkeit nicht, mit der Sie sich erbieten, meinem Gedächtnisse zu
Hilfe zu kommen. Zum Beweise dessen gestehe ich, mich sehr wohl zu erinnern,
daß ich eine Zeitlang aus dem Tabonretchen saß —- ich wußte nicht, daß dies mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/79>, abgerufen am 15.01.2025.