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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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und dann seinen Sorgen und Bedenken mit der Drohung entgegen getreten sei:
"wenn Bürgerkrieg ausbräche, würden alle Czechen deutsch gemacht!"

Zur Widerlegung dieses Angriffes verfaßte nun der Herr Unterstaatssekretär
jene Broschüre, die uns als ein willkommener Beleg für die Fähigkeiten des ju¬
gendlichen Staatsmannes erscheinen muß, der auch ein Haar seines Hauptes her¬
gab , um daran das Damoklesschwert zu befestigen, unter dem das souveräne Volk
Oestreichs ängstlich hinwandclt.

Wenn man die Broschüre des Dr. Heisere durchgelesen hat, so scheint es für
den ersten Augenblick, daß er sich genügend gerechtfertigt habe. Weniger die
Gründe, die ihm mit Gewalt abgenöthigt worden sind, als das schlechte Deutsch,
in dem er sie von sich gibt, spricht dafür, daß er die Intention nicht haben könne,
die Czechen germanisircn zu helfen. Freilich mit der loyalen Gesinnung eines öst¬
reichischen Staatsbürgers ist ein guter deutscher Styl geradezu unverträglich; dies
ist eine unumstößliche Wahrheit, die aber mir demjenigen vollends einleuchten kann,
der in zarter Jugend die sogenannten "deutschen Schulen" in Oestreich freqnentnt
seit. Leider haben so viele Leser der Grenzboten jenes schlichte und unscheinbar?
Büchlein noch gar nicht in der Hand gehabt, welches den Titel führt: "Deutsche
Sprachlehre für die normal- und Hauptschüler der k. k. Staaten. Wien, im
Verlage der k. k. Schulbücher-Verschleiß-Administration." Und doch liegt in die¬
sem harmlosen Buch das tiefe Staatsgeheimniß der Centralisation; die Grund¬
lage des östreichischen Bewußtseins, sie ist eine Hauptstütze der Einheit und In¬
tegrität der Monarchie. Die Ruthenen haben selbst ihre Einführung in den Schu¬
len verlangt, da die "me ruthenische Sprache noch nicht fertig ist, und Jellachich
hat für die Schulen der Grenzer zum großen Verdruß der südslavischen Bevöl¬
kerung eben dieselbe östreichisch-deutsche Sprachlehre octroyirt. Das Ministerium
trägt sich mit der t'ühucu Idee, mit Hilfe des allgemeinen Belagenmgsznstanbes
ein großes, einiges Oestrcicherthum zu schaffen, dessen Wurzeln es in dem Tiro-
lerthum, in dem ruthenischen Bauerustaat, und in dem disciplinirten Barbaren-
thum der Militärgrenze gefunden hat. Die wackern tiroler Scharfschützen, der
treue ruthenische Landsturm, und die kroatischen Grenzregimenter haben die große
Sendung, durch einen fortwährenden Eroberungskrieg im Innern des Reiches die
Integrität desselben aufrecht zu erhalte". Ueberall soll baun in deu eroberten Be¬
zirken "die kleine deutsche Sprachlehre für Kinder von 8 -- it Jahren" eingeführt,
und so die erwünschte Gleichförmigkeit der Monarchie erzielt werden. Dieses
Schulbuch, bei Leopold Grund in Wien aus schlechtem Papier mit noch schlechter"
Lettern gedruckt, ist das eigentliche Zwinguri der östreichischen Volksstämme, nud
das wunderbare Deutsch, das in den "kleinen Schulen" gelehrt wird, ist die k. k.
östreichische Uuterthanensprache, die wir in ihrer höchsten Ausbildung in den Kund¬
machungen Vater Weiden's und in den Proklamationen des Fürsten Windischgrätz
vorfinden. Unter die Staatsmonvpole Oestreichs gehört nebst dem schlechten Ta-


Hrenzbotcn. II. 184". 10

und dann seinen Sorgen und Bedenken mit der Drohung entgegen getreten sei:
„wenn Bürgerkrieg ausbräche, würden alle Czechen deutsch gemacht!"

Zur Widerlegung dieses Angriffes verfaßte nun der Herr Unterstaatssekretär
jene Broschüre, die uns als ein willkommener Beleg für die Fähigkeiten des ju¬
gendlichen Staatsmannes erscheinen muß, der auch ein Haar seines Hauptes her¬
gab , um daran das Damoklesschwert zu befestigen, unter dem das souveräne Volk
Oestreichs ängstlich hinwandclt.

Wenn man die Broschüre des Dr. Heisere durchgelesen hat, so scheint es für
den ersten Augenblick, daß er sich genügend gerechtfertigt habe. Weniger die
Gründe, die ihm mit Gewalt abgenöthigt worden sind, als das schlechte Deutsch,
in dem er sie von sich gibt, spricht dafür, daß er die Intention nicht haben könne,
die Czechen germanisircn zu helfen. Freilich mit der loyalen Gesinnung eines öst¬
reichischen Staatsbürgers ist ein guter deutscher Styl geradezu unverträglich; dies
ist eine unumstößliche Wahrheit, die aber mir demjenigen vollends einleuchten kann,
der in zarter Jugend die sogenannten „deutschen Schulen" in Oestreich freqnentnt
seit. Leider haben so viele Leser der Grenzboten jenes schlichte und unscheinbar?
Büchlein noch gar nicht in der Hand gehabt, welches den Titel führt: „Deutsche
Sprachlehre für die normal- und Hauptschüler der k. k. Staaten. Wien, im
Verlage der k. k. Schulbücher-Verschleiß-Administration." Und doch liegt in die¬
sem harmlosen Buch das tiefe Staatsgeheimniß der Centralisation; die Grund¬
lage des östreichischen Bewußtseins, sie ist eine Hauptstütze der Einheit und In¬
tegrität der Monarchie. Die Ruthenen haben selbst ihre Einführung in den Schu¬
len verlangt, da die »me ruthenische Sprache noch nicht fertig ist, und Jellachich
hat für die Schulen der Grenzer zum großen Verdruß der südslavischen Bevöl¬
kerung eben dieselbe östreichisch-deutsche Sprachlehre octroyirt. Das Ministerium
trägt sich mit der t'ühucu Idee, mit Hilfe des allgemeinen Belagenmgsznstanbes
ein großes, einiges Oestrcicherthum zu schaffen, dessen Wurzeln es in dem Tiro-
lerthum, in dem ruthenischen Bauerustaat, und in dem disciplinirten Barbaren-
thum der Militärgrenze gefunden hat. Die wackern tiroler Scharfschützen, der
treue ruthenische Landsturm, und die kroatischen Grenzregimenter haben die große
Sendung, durch einen fortwährenden Eroberungskrieg im Innern des Reiches die
Integrität desselben aufrecht zu erhalte». Ueberall soll baun in deu eroberten Be¬
zirken „die kleine deutsche Sprachlehre für Kinder von 8 — it Jahren" eingeführt,
und so die erwünschte Gleichförmigkeit der Monarchie erzielt werden. Dieses
Schulbuch, bei Leopold Grund in Wien aus schlechtem Papier mit noch schlechter»
Lettern gedruckt, ist das eigentliche Zwinguri der östreichischen Volksstämme, nud
das wunderbare Deutsch, das in den „kleinen Schulen" gelehrt wird, ist die k. k.
östreichische Uuterthanensprache, die wir in ihrer höchsten Ausbildung in den Kund¬
machungen Vater Weiden's und in den Proklamationen des Fürsten Windischgrätz
vorfinden. Unter die Staatsmonvpole Oestreichs gehört nebst dem schlechten Ta-


Hrenzbotcn. II. 184». 10
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/77>, abgerufen am 15.01.2025.