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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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gefeierten Milos Stojccvic, Wojwodcu von der Pocerina Enkel ^und der Lieb¬
ling Knicanin's. Sie kennen das Leben seines Großvaters? Er war im
letzten Befreiungskriege anfangs friedlicher Schreiber des Dorfknezen Markovic in
seinem Geburtsorte Pocerje, bis die Türken das Dorf anzündeten, seinen Brod¬
herrn und seine Mutter als Sclaven mit fortnahmen. Da entbrannte Racheglnth
in der Brust des Milos, er sammelte eine stattliche Freischaar und führte sie dem
obersten Feldhauptmann der Serben, Kara Georgje zu. An der Seite dieses
großen Feldherrn focht er so wunderbar, daß ihn Kara Georgje im Angesicht des
ganzen Heeres umarmte und sprach: ""Du bist von nun an mein Sohn und mir
so lieb wie Alexa, mein leiblicher Erstgeborner, ich gebe dir die Wojwodenwürde
über die ganze Pocerina, sei mir treu wie jener Milos Pocerac einst dem könig¬
lichen Marko."" -- Der neue Milos von der Pocerina übertraf in der Folge,
wie die Heldenlieder sagen, jenen frühern bei weitem, er war der erste Held in
den Schlachten bei Sabaa und an der Drina. Bei seinem letzten Feldzuge war er
so glücklich, seine alte Mutter aus den türkischen Sklavenketten zu befreien, auch
hatte er sich die berühmteste Siegesbeute erkämpft, das gefeite Kulin'sschwert;
sein Leben ließ er in der schönsten Blüthe seiner Jahre in einem Zweikampf.
Jener junge Mensch wird dem Andenken seines Ahnen Ehre machen. Obwohl
noch blutjung, hat er schon bei Weißkirchen sehr brav gefochten, er will immer
bei jedem Strauß der Erste sein. -- Sieh jetzt seinen Nachbar zur Linken" ---
erklärte der ErzPriester weiter -- "anch er ist von rühmlicher Abkunft, ein Sohn
des noch lebenden Nestors unserer alten Helden, des tapfern Popen Lukas La-
sarjevic. Sein ehrwürdiger Vater lebt noch zu Sabaa an der save, dem Schau-
Platz seiner schönsten Waffenthat, hochbetagt, doch immer frisch und heiter, ein
Jünglingsgeist steckt in dem Greisenkörper, denn nicht einmal die schweren, lebens¬
gefährlichen Wunden, die sich dieser Türkenfeind vor mehr als 40 Jahren an der
Drina geholt, vermochten ihn mürbe zu machen. Der junge Lasarjevic führt auch
schon eine gute Klinge und ist unser bester Liedersänger und dazu ein Dichter,
ein Poet; man sieht das schon an dem pfiffigen Ausdruck seines hübsch geschnit¬
tenen Gesichts nud an den schwarzen Angen, die unter den buschigen Brauen
so klug hervorgucken. Sein neuestes Mnßcntind ist ein großes Gedicht in den
Weisen des Volks, die Nitterthaten unsers verehrten Freundes, Herrn Knicanin
beschreibend."

"Dummes Zeug" -- unterbrach Knicanin gutmüthig polternd -- "er hätte das
können bleiben lassen. He, Lazarjewic, hörst Dn? untersteh Dich nicht, das Lied
zu singen. Es war zwar gut gemeint, aber ich will nicht, daß Du es singst,
sonst soll Dir freundlichst der Teufel----!" -- "Reden wir von was Anderm!"
sprach mein Pope mit schlauer Miene. "Der Kleine dort von vierzehn Jahren, der
uns die Suppe bringt -- ist ein Mordkerl! hat bei Versen einen Deutschen von
der Pesther Mobilgarde niedergehauen, wie viele meiner Leute mit eigenen Augen


gefeierten Milos Stojccvic, Wojwodcu von der Pocerina Enkel ^und der Lieb¬
ling Knicanin's. Sie kennen das Leben seines Großvaters? Er war im
letzten Befreiungskriege anfangs friedlicher Schreiber des Dorfknezen Markovic in
seinem Geburtsorte Pocerje, bis die Türken das Dorf anzündeten, seinen Brod¬
herrn und seine Mutter als Sclaven mit fortnahmen. Da entbrannte Racheglnth
in der Brust des Milos, er sammelte eine stattliche Freischaar und führte sie dem
obersten Feldhauptmann der Serben, Kara Georgje zu. An der Seite dieses
großen Feldherrn focht er so wunderbar, daß ihn Kara Georgje im Angesicht des
ganzen Heeres umarmte und sprach: „„Du bist von nun an mein Sohn und mir
so lieb wie Alexa, mein leiblicher Erstgeborner, ich gebe dir die Wojwodenwürde
über die ganze Pocerina, sei mir treu wie jener Milos Pocerac einst dem könig¬
lichen Marko."" — Der neue Milos von der Pocerina übertraf in der Folge,
wie die Heldenlieder sagen, jenen frühern bei weitem, er war der erste Held in
den Schlachten bei Sabaa und an der Drina. Bei seinem letzten Feldzuge war er
so glücklich, seine alte Mutter aus den türkischen Sklavenketten zu befreien, auch
hatte er sich die berühmteste Siegesbeute erkämpft, das gefeite Kulin'sschwert;
sein Leben ließ er in der schönsten Blüthe seiner Jahre in einem Zweikampf.
Jener junge Mensch wird dem Andenken seines Ahnen Ehre machen. Obwohl
noch blutjung, hat er schon bei Weißkirchen sehr brav gefochten, er will immer
bei jedem Strauß der Erste sein. — Sieh jetzt seinen Nachbar zur Linken" —-
erklärte der ErzPriester weiter — „anch er ist von rühmlicher Abkunft, ein Sohn
des noch lebenden Nestors unserer alten Helden, des tapfern Popen Lukas La-
sarjevic. Sein ehrwürdiger Vater lebt noch zu Sabaa an der save, dem Schau-
Platz seiner schönsten Waffenthat, hochbetagt, doch immer frisch und heiter, ein
Jünglingsgeist steckt in dem Greisenkörper, denn nicht einmal die schweren, lebens¬
gefährlichen Wunden, die sich dieser Türkenfeind vor mehr als 40 Jahren an der
Drina geholt, vermochten ihn mürbe zu machen. Der junge Lasarjevic führt auch
schon eine gute Klinge und ist unser bester Liedersänger und dazu ein Dichter,
ein Poet; man sieht das schon an dem pfiffigen Ausdruck seines hübsch geschnit¬
tenen Gesichts nud an den schwarzen Angen, die unter den buschigen Brauen
so klug hervorgucken. Sein neuestes Mnßcntind ist ein großes Gedicht in den
Weisen des Volks, die Nitterthaten unsers verehrten Freundes, Herrn Knicanin
beschreibend."

„Dummes Zeug" — unterbrach Knicanin gutmüthig polternd — „er hätte das
können bleiben lassen. He, Lazarjewic, hörst Dn? untersteh Dich nicht, das Lied
zu singen. Es war zwar gut gemeint, aber ich will nicht, daß Du es singst,
sonst soll Dir freundlichst der Teufel----!" — „Reden wir von was Anderm!"
sprach mein Pope mit schlauer Miene. „Der Kleine dort von vierzehn Jahren, der
uns die Suppe bringt — ist ein Mordkerl! hat bei Versen einen Deutschen von
der Pesther Mobilgarde niedergehauen, wie viele meiner Leute mit eigenen Augen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/51>, abgerufen am 15.01.2025.