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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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im Namen der constitutionellen Partei auf eine weitere Einwirkung auf die Po¬
litik überhaupt Verzicht leisten.

Es scheint mir von einer nicht genanen Auffassung des NcgierungS-
entwurfs auszugehen, wenn Sie Sich wieder zwei contrahirende Parteien denken,
das deutsche Volk auf der einen, die Staaten auf der andern Seite, zwischen
denen die Verfassung vereinbart werden soll, und wenn Sie, aus der ganz rich¬
tigen Reflexion, daß bei einem Streit zwischen zwei Gleichberechtigten nothwendi¬
gerweise die Entscheidung einem Dritte" zufallen muß, ans das ganz neue Institut
eines Schiedsgerichts zwischen den Volksvertretern und der Regierung geleitet
werden. Aber nach dem Plane der Regierungen soll die Revision der Verfassung
keineswegs einem deutschen Reichstag übertragen werden, sondern den Central-
ständcn derjenigen dentschen Staaten, welche sich dem preußischen Separatbündniß
angeschlossen haben. Freilich ist Ihr Irrthum leicht zu erkläre", einmal aus der
Proclamcttion des Königs von Sachsen, nach welcher das Bündniß mit Preußen
nur unter einem bestimmten Vorbehalt geschlossen wäre, während die offizielle Er¬
klärung von einem solchen Vorbehalt nichts mittheilt, sodann dnrch die unbe¬
stimmten Redensarten, mit denen, ähnlich wie bei der octrvyirlen preußischen Ver¬
fassung vom 5. December, dem deutschen Volke die Meinung beigebracht werden
soll, es habe uoch eine wesentliche Stimme abzugeben. Sie, meine Herren, ver¬
langen von der preußischen Regierung eine Garantie dafür, daß sie nicht auf
einen Sonderbund ausgeht, sondern ans ein deutsches Reich, während die Regie¬
rung bereits so bestimmt als möglich erklärt hat, sie habe es allerdings auf einen
Sonderbund abgesehen, wenn sie anch hoffe, derselbe werde sich so weit ausdehnen,
daß man ihn ganz füglich "Reich" nennen könne. Auf diesen wichtigen Unter¬
schied zwischen dem Berliner und Frankfurter Entwurf müssen wir unsre ganze
Aufmerksamkeit richten: der eine geht von der Souveränität der einzelnen Staaten
ans, und schreitet von ihr dnrch ein freies Bündniß zu einem Bundesstaat fort;
der andere beginnt mit der Souveränität des Reichs, und überträgt kraft derselben
den einzelnen Staaten diejenige Gewalt, welche ihnen noch bleiben soll.

Welcher von beiden Wegen ist der natürliche? -- Mich dünkt, der erste, und
daß wir im vorigen Jahr den unnatürlichen, erstell Weg gegangen sind, dies
allein, und nicht etwa die politische Unreife des dentschen Volks, und nicht die
Verschwörung der Fürsten ist Schuld daran, daß unsere Revolution gescheitert ist.
Wenn im gegenwärtigen Augenblick das Volk den Rath befolgt, dem Sie ihm
ertheilen, so ist nicht nur Gesahr, sondern sast Gewißheit dafür Vorhäute",
daß das unwürdige Spiel des vorigen Jahres sich wiederholt. Wie man im
vorigen Jahr die Abgeordneten sämmtlicher Staaten zusammenberufen hat, um für
Deutschland eine gemeinsame Verfassung zu entwerfen, ohne sich im geringsten z"
fragen, ob nicht der eine oder der andere dieser Staaten sich in der Lage befinden
würde, auch beim besten Willen auf eine solche Verfassung nicht eingehn zu können,


im Namen der constitutionellen Partei auf eine weitere Einwirkung auf die Po¬
litik überhaupt Verzicht leisten.

Es scheint mir von einer nicht genanen Auffassung des NcgierungS-
entwurfs auszugehen, wenn Sie Sich wieder zwei contrahirende Parteien denken,
das deutsche Volk auf der einen, die Staaten auf der andern Seite, zwischen
denen die Verfassung vereinbart werden soll, und wenn Sie, aus der ganz rich¬
tigen Reflexion, daß bei einem Streit zwischen zwei Gleichberechtigten nothwendi¬
gerweise die Entscheidung einem Dritte» zufallen muß, ans das ganz neue Institut
eines Schiedsgerichts zwischen den Volksvertretern und der Regierung geleitet
werden. Aber nach dem Plane der Regierungen soll die Revision der Verfassung
keineswegs einem deutschen Reichstag übertragen werden, sondern den Central-
ständcn derjenigen dentschen Staaten, welche sich dem preußischen Separatbündniß
angeschlossen haben. Freilich ist Ihr Irrthum leicht zu erkläre», einmal aus der
Proclamcttion des Königs von Sachsen, nach welcher das Bündniß mit Preußen
nur unter einem bestimmten Vorbehalt geschlossen wäre, während die offizielle Er¬
klärung von einem solchen Vorbehalt nichts mittheilt, sodann dnrch die unbe¬
stimmten Redensarten, mit denen, ähnlich wie bei der octrvyirlen preußischen Ver¬
fassung vom 5. December, dem deutschen Volke die Meinung beigebracht werden
soll, es habe uoch eine wesentliche Stimme abzugeben. Sie, meine Herren, ver¬
langen von der preußischen Regierung eine Garantie dafür, daß sie nicht auf
einen Sonderbund ausgeht, sondern ans ein deutsches Reich, während die Regie¬
rung bereits so bestimmt als möglich erklärt hat, sie habe es allerdings auf einen
Sonderbund abgesehen, wenn sie anch hoffe, derselbe werde sich so weit ausdehnen,
daß man ihn ganz füglich „Reich" nennen könne. Auf diesen wichtigen Unter¬
schied zwischen dem Berliner und Frankfurter Entwurf müssen wir unsre ganze
Aufmerksamkeit richten: der eine geht von der Souveränität der einzelnen Staaten
ans, und schreitet von ihr dnrch ein freies Bündniß zu einem Bundesstaat fort;
der andere beginnt mit der Souveränität des Reichs, und überträgt kraft derselben
den einzelnen Staaten diejenige Gewalt, welche ihnen noch bleiben soll.

Welcher von beiden Wegen ist der natürliche? — Mich dünkt, der erste, und
daß wir im vorigen Jahr den unnatürlichen, erstell Weg gegangen sind, dies
allein, und nicht etwa die politische Unreife des dentschen Volks, und nicht die
Verschwörung der Fürsten ist Schuld daran, daß unsere Revolution gescheitert ist.
Wenn im gegenwärtigen Augenblick das Volk den Rath befolgt, dem Sie ihm
ertheilen, so ist nicht nur Gesahr, sondern sast Gewißheit dafür Vorhäute»,
daß das unwürdige Spiel des vorigen Jahres sich wiederholt. Wie man im
vorigen Jahr die Abgeordneten sämmtlicher Staaten zusammenberufen hat, um für
Deutschland eine gemeinsame Verfassung zu entwerfen, ohne sich im geringsten z»
fragen, ob nicht der eine oder der andere dieser Staaten sich in der Lage befinden
würde, auch beim besten Willen auf eine solche Verfassung nicht eingehn zu können,


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[0474] im Namen der constitutionellen Partei auf eine weitere Einwirkung auf die Po¬ litik überhaupt Verzicht leisten. Es scheint mir von einer nicht genanen Auffassung des NcgierungS- entwurfs auszugehen, wenn Sie Sich wieder zwei contrahirende Parteien denken, das deutsche Volk auf der einen, die Staaten auf der andern Seite, zwischen denen die Verfassung vereinbart werden soll, und wenn Sie, aus der ganz rich¬ tigen Reflexion, daß bei einem Streit zwischen zwei Gleichberechtigten nothwendi¬ gerweise die Entscheidung einem Dritte» zufallen muß, ans das ganz neue Institut eines Schiedsgerichts zwischen den Volksvertretern und der Regierung geleitet werden. Aber nach dem Plane der Regierungen soll die Revision der Verfassung keineswegs einem deutschen Reichstag übertragen werden, sondern den Central- ständcn derjenigen dentschen Staaten, welche sich dem preußischen Separatbündniß angeschlossen haben. Freilich ist Ihr Irrthum leicht zu erkläre», einmal aus der Proclamcttion des Königs von Sachsen, nach welcher das Bündniß mit Preußen nur unter einem bestimmten Vorbehalt geschlossen wäre, während die offizielle Er¬ klärung von einem solchen Vorbehalt nichts mittheilt, sodann dnrch die unbe¬ stimmten Redensarten, mit denen, ähnlich wie bei der octrvyirlen preußischen Ver¬ fassung vom 5. December, dem deutschen Volke die Meinung beigebracht werden soll, es habe uoch eine wesentliche Stimme abzugeben. Sie, meine Herren, ver¬ langen von der preußischen Regierung eine Garantie dafür, daß sie nicht auf einen Sonderbund ausgeht, sondern ans ein deutsches Reich, während die Regie¬ rung bereits so bestimmt als möglich erklärt hat, sie habe es allerdings auf einen Sonderbund abgesehen, wenn sie anch hoffe, derselbe werde sich so weit ausdehnen, daß man ihn ganz füglich „Reich" nennen könne. Auf diesen wichtigen Unter¬ schied zwischen dem Berliner und Frankfurter Entwurf müssen wir unsre ganze Aufmerksamkeit richten: der eine geht von der Souveränität der einzelnen Staaten ans, und schreitet von ihr dnrch ein freies Bündniß zu einem Bundesstaat fort; der andere beginnt mit der Souveränität des Reichs, und überträgt kraft derselben den einzelnen Staaten diejenige Gewalt, welche ihnen noch bleiben soll. Welcher von beiden Wegen ist der natürliche? — Mich dünkt, der erste, und daß wir im vorigen Jahr den unnatürlichen, erstell Weg gegangen sind, dies allein, und nicht etwa die politische Unreife des dentschen Volks, und nicht die Verschwörung der Fürsten ist Schuld daran, daß unsere Revolution gescheitert ist. Wenn im gegenwärtigen Augenblick das Volk den Rath befolgt, dem Sie ihm ertheilen, so ist nicht nur Gesahr, sondern sast Gewißheit dafür Vorhäute», daß das unwürdige Spiel des vorigen Jahres sich wiederholt. Wie man im vorigen Jahr die Abgeordneten sämmtlicher Staaten zusammenberufen hat, um für Deutschland eine gemeinsame Verfassung zu entwerfen, ohne sich im geringsten z» fragen, ob nicht der eine oder der andere dieser Staaten sich in der Lage befinden würde, auch beim besten Willen auf eine solche Verfassung nicht eingehn zu können,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/474>, abgerufen am 15.01.2025.