Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

mit Freund Jsegrimm. Der Reiter, auf unser Befragen, erklärte, er sei ein wal¬
lachischer Viehtreiber und mit hundert fetten Ochsen ans dem Wege in das Toma-
scvacer Lager, dabei zeigte er seine Marschroute vor und wies nach der Seite.
Hier lagen große Maispflanzungen. Die gebräunten Halme hingen zerknickt, ein
guter Theil war niedergetreten, und aus den zerschlissenen Fruchthülsen blinkten
die goldenen, hundertkörnigen Kolben. Drin aber knisterte es unheimlich und aus
dem Kolbeuseld ragte das hohe Gehörne einer zahlreichen Ochsenheerde, die mit
Gier an dem Mais knoberte und malende. Wir rügten diese Verletzung und Ver¬
wüstung fremden Eigenthums; da antwortete der Wallache mit naivem Pathos:
"Das sind die Aecker der gottverdammter Döbeljacer Magyarenbrut, die uns so
lange feind gewesen, bis ihnen vor ein paar Wochen Herr Kuicanin, den Gott
erhalten wolle, das Sündennest über den rebellischen Häuptern in Flammen gesteckt.
Die Männer des Dorfes sind theils erschlagen, theils gefangen, die Uebrigen mit
Weibern und Kindern in jener Schreckensnacht, Gott weiß wohin! ausgewandert.
Den Segen ihrer Felder mußten sie ungeerndtet lassen, die Weizenfelder haben
sich alle von selbst ausgekörnt und der Mais hier wird wohl auch bald zu Grunde
gehen. Unsere Leute können es nicht einachsen, werden sie doch kaum mit ihrer
eigenen Erndte fertig! Damit nun die edle Gottesgabe nicht ganz ungenossen
zu Grunde gehe, lasse ich meine Heerde, die doch ohnehin nach Herrn Knicanin's
Lager geht, ein wenig darin weiden. Schade um den schönen Gottessegen, schade
um die schönen Häuser dort, doch die Döbeljacer Haben's verdient." Mit diesen
Worten deutete der Reiter mit dem Pcitschenstecken auf einen rauchgeschwärzten
Kirchthurm, der sich links von der Straße über dem grünen Ried erhob, drauf
lüftete er den Hut und ritt zur Heerde zurück.

Ja, dort lag vor Kurzem noch ein wohlgebautes Dorf von mehr als 300
Häusern, jetzt steht nur der Kirchthurm wie ein riesiges Grabmal ob den langen
Reihen von Schutthügeln!

Die Bewohner der vereinzelten magyarischen Kolonie Döbcljac hatten sich,
obwohl rings von serbischen Ortschaften und wohlbewehrten Lagern eingeschlossen
und von jeder magyarischen Hilfe abgeschnitten, mit Hilfe einer zurückgebliebenen
Besatzung von etwa achtzig Husaren und zwei Kanonen lange nich't ergeben wollen,
ja, sie beunruhigten noch die benachbarten Orte durch Ausfälle. Knicnnin, der
ihren Heldenmuth offen bewunderte, ließ sie dreimal durch Parlamentäre auffor¬
dern, ihre sämmtlichen Waffen abzugeben, mehr wolle er vou ihnen nicht verlangen,
von jedem Kriegsbeitrag sollten sie befreit bleiben; dabei stellte er ihnen das Nutz¬
lose ihres tollkühnen Widerstandes lebhast vor, garantirte ihnen Sprache und
Nationalität. -- Allein die Männer von Döbeljac gaben nicht nach, sie reizten
die Serben nach wie vor durch Ausfälle, fingen mehrere serbische Couriere auf,
ja, sie schössen sogar aus Knicanin's dritten Parlamentair. Nun brach Knicanin
auf, nahm Döbeljac mit Sturm und seine Schaaren steckten das Dorf in Brand-


mit Freund Jsegrimm. Der Reiter, auf unser Befragen, erklärte, er sei ein wal¬
lachischer Viehtreiber und mit hundert fetten Ochsen ans dem Wege in das Toma-
scvacer Lager, dabei zeigte er seine Marschroute vor und wies nach der Seite.
Hier lagen große Maispflanzungen. Die gebräunten Halme hingen zerknickt, ein
guter Theil war niedergetreten, und aus den zerschlissenen Fruchthülsen blinkten
die goldenen, hundertkörnigen Kolben. Drin aber knisterte es unheimlich und aus
dem Kolbeuseld ragte das hohe Gehörne einer zahlreichen Ochsenheerde, die mit
Gier an dem Mais knoberte und malende. Wir rügten diese Verletzung und Ver¬
wüstung fremden Eigenthums; da antwortete der Wallache mit naivem Pathos:
„Das sind die Aecker der gottverdammter Döbeljacer Magyarenbrut, die uns so
lange feind gewesen, bis ihnen vor ein paar Wochen Herr Kuicanin, den Gott
erhalten wolle, das Sündennest über den rebellischen Häuptern in Flammen gesteckt.
Die Männer des Dorfes sind theils erschlagen, theils gefangen, die Uebrigen mit
Weibern und Kindern in jener Schreckensnacht, Gott weiß wohin! ausgewandert.
Den Segen ihrer Felder mußten sie ungeerndtet lassen, die Weizenfelder haben
sich alle von selbst ausgekörnt und der Mais hier wird wohl auch bald zu Grunde
gehen. Unsere Leute können es nicht einachsen, werden sie doch kaum mit ihrer
eigenen Erndte fertig! Damit nun die edle Gottesgabe nicht ganz ungenossen
zu Grunde gehe, lasse ich meine Heerde, die doch ohnehin nach Herrn Knicanin's
Lager geht, ein wenig darin weiden. Schade um den schönen Gottessegen, schade
um die schönen Häuser dort, doch die Döbeljacer Haben's verdient." Mit diesen
Worten deutete der Reiter mit dem Pcitschenstecken auf einen rauchgeschwärzten
Kirchthurm, der sich links von der Straße über dem grünen Ried erhob, drauf
lüftete er den Hut und ritt zur Heerde zurück.

Ja, dort lag vor Kurzem noch ein wohlgebautes Dorf von mehr als 300
Häusern, jetzt steht nur der Kirchthurm wie ein riesiges Grabmal ob den langen
Reihen von Schutthügeln!

Die Bewohner der vereinzelten magyarischen Kolonie Döbcljac hatten sich,
obwohl rings von serbischen Ortschaften und wohlbewehrten Lagern eingeschlossen
und von jeder magyarischen Hilfe abgeschnitten, mit Hilfe einer zurückgebliebenen
Besatzung von etwa achtzig Husaren und zwei Kanonen lange nich't ergeben wollen,
ja, sie beunruhigten noch die benachbarten Orte durch Ausfälle. Knicnnin, der
ihren Heldenmuth offen bewunderte, ließ sie dreimal durch Parlamentäre auffor¬
dern, ihre sämmtlichen Waffen abzugeben, mehr wolle er vou ihnen nicht verlangen,
von jedem Kriegsbeitrag sollten sie befreit bleiben; dabei stellte er ihnen das Nutz¬
lose ihres tollkühnen Widerstandes lebhast vor, garantirte ihnen Sprache und
Nationalität. — Allein die Männer von Döbeljac gaben nicht nach, sie reizten
die Serben nach wie vor durch Ausfälle, fingen mehrere serbische Couriere auf,
ja, sie schössen sogar aus Knicanin's dritten Parlamentair. Nun brach Knicanin
auf, nahm Döbeljac mit Sturm und seine Schaaren steckten das Dorf in Brand-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0046" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278556"/>
          <p xml:id="ID_142" prev="#ID_141"> mit Freund Jsegrimm. Der Reiter, auf unser Befragen, erklärte, er sei ein wal¬<lb/>
lachischer Viehtreiber und mit hundert fetten Ochsen ans dem Wege in das Toma-<lb/>
scvacer Lager, dabei zeigte er seine Marschroute vor und wies nach der Seite.<lb/>
Hier lagen große Maispflanzungen. Die gebräunten Halme hingen zerknickt, ein<lb/>
guter Theil war niedergetreten, und aus den zerschlissenen Fruchthülsen blinkten<lb/>
die goldenen, hundertkörnigen Kolben. Drin aber knisterte es unheimlich und aus<lb/>
dem Kolbeuseld ragte das hohe Gehörne einer zahlreichen Ochsenheerde, die mit<lb/>
Gier an dem Mais knoberte und malende. Wir rügten diese Verletzung und Ver¬<lb/>
wüstung fremden Eigenthums; da antwortete der Wallache mit naivem Pathos:<lb/>
&#x201E;Das sind die Aecker der gottverdammter Döbeljacer Magyarenbrut, die uns so<lb/>
lange feind gewesen, bis ihnen vor ein paar Wochen Herr Kuicanin, den Gott<lb/>
erhalten wolle, das Sündennest über den rebellischen Häuptern in Flammen gesteckt.<lb/>
Die Männer des Dorfes sind theils erschlagen, theils gefangen, die Uebrigen mit<lb/>
Weibern und Kindern in jener Schreckensnacht, Gott weiß wohin! ausgewandert.<lb/>
Den Segen ihrer Felder mußten sie ungeerndtet lassen, die Weizenfelder haben<lb/>
sich alle von selbst ausgekörnt und der Mais hier wird wohl auch bald zu Grunde<lb/>
gehen. Unsere Leute können es nicht einachsen, werden sie doch kaum mit ihrer<lb/>
eigenen Erndte fertig! Damit nun die edle Gottesgabe nicht ganz ungenossen<lb/>
zu Grunde gehe, lasse ich meine Heerde, die doch ohnehin nach Herrn Knicanin's<lb/>
Lager geht, ein wenig darin weiden. Schade um den schönen Gottessegen, schade<lb/>
um die schönen Häuser dort, doch die Döbeljacer Haben's verdient." Mit diesen<lb/>
Worten deutete der Reiter mit dem Pcitschenstecken auf einen rauchgeschwärzten<lb/>
Kirchthurm, der sich links von der Straße über dem grünen Ried erhob, drauf<lb/>
lüftete er den Hut und ritt zur Heerde zurück.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_143"> Ja, dort lag vor Kurzem noch ein wohlgebautes Dorf von mehr als 300<lb/>
Häusern, jetzt steht nur der Kirchthurm wie ein riesiges Grabmal ob den langen<lb/>
Reihen von Schutthügeln!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_144"> Die Bewohner der vereinzelten magyarischen Kolonie Döbcljac hatten sich,<lb/>
obwohl rings von serbischen Ortschaften und wohlbewehrten Lagern eingeschlossen<lb/>
und von jeder magyarischen Hilfe abgeschnitten, mit Hilfe einer zurückgebliebenen<lb/>
Besatzung von etwa achtzig Husaren und zwei Kanonen lange nich't ergeben wollen,<lb/>
ja, sie beunruhigten noch die benachbarten Orte durch Ausfälle. Knicnnin, der<lb/>
ihren Heldenmuth offen bewunderte, ließ sie dreimal durch Parlamentäre auffor¬<lb/>
dern, ihre sämmtlichen Waffen abzugeben, mehr wolle er vou ihnen nicht verlangen,<lb/>
von jedem Kriegsbeitrag sollten sie befreit bleiben; dabei stellte er ihnen das Nutz¬<lb/>
lose ihres tollkühnen Widerstandes lebhast vor, garantirte ihnen Sprache und<lb/>
Nationalität. &#x2014; Allein die Männer von Döbeljac gaben nicht nach, sie reizten<lb/>
die Serben nach wie vor durch Ausfälle, fingen mehrere serbische Couriere auf,<lb/>
ja, sie schössen sogar aus Knicanin's dritten Parlamentair. Nun brach Knicanin<lb/>
auf, nahm Döbeljac mit Sturm und seine Schaaren steckten das Dorf in Brand-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0046] mit Freund Jsegrimm. Der Reiter, auf unser Befragen, erklärte, er sei ein wal¬ lachischer Viehtreiber und mit hundert fetten Ochsen ans dem Wege in das Toma- scvacer Lager, dabei zeigte er seine Marschroute vor und wies nach der Seite. Hier lagen große Maispflanzungen. Die gebräunten Halme hingen zerknickt, ein guter Theil war niedergetreten, und aus den zerschlissenen Fruchthülsen blinkten die goldenen, hundertkörnigen Kolben. Drin aber knisterte es unheimlich und aus dem Kolbeuseld ragte das hohe Gehörne einer zahlreichen Ochsenheerde, die mit Gier an dem Mais knoberte und malende. Wir rügten diese Verletzung und Ver¬ wüstung fremden Eigenthums; da antwortete der Wallache mit naivem Pathos: „Das sind die Aecker der gottverdammter Döbeljacer Magyarenbrut, die uns so lange feind gewesen, bis ihnen vor ein paar Wochen Herr Kuicanin, den Gott erhalten wolle, das Sündennest über den rebellischen Häuptern in Flammen gesteckt. Die Männer des Dorfes sind theils erschlagen, theils gefangen, die Uebrigen mit Weibern und Kindern in jener Schreckensnacht, Gott weiß wohin! ausgewandert. Den Segen ihrer Felder mußten sie ungeerndtet lassen, die Weizenfelder haben sich alle von selbst ausgekörnt und der Mais hier wird wohl auch bald zu Grunde gehen. Unsere Leute können es nicht einachsen, werden sie doch kaum mit ihrer eigenen Erndte fertig! Damit nun die edle Gottesgabe nicht ganz ungenossen zu Grunde gehe, lasse ich meine Heerde, die doch ohnehin nach Herrn Knicanin's Lager geht, ein wenig darin weiden. Schade um den schönen Gottessegen, schade um die schönen Häuser dort, doch die Döbeljacer Haben's verdient." Mit diesen Worten deutete der Reiter mit dem Pcitschenstecken auf einen rauchgeschwärzten Kirchthurm, der sich links von der Straße über dem grünen Ried erhob, drauf lüftete er den Hut und ritt zur Heerde zurück. Ja, dort lag vor Kurzem noch ein wohlgebautes Dorf von mehr als 300 Häusern, jetzt steht nur der Kirchthurm wie ein riesiges Grabmal ob den langen Reihen von Schutthügeln! Die Bewohner der vereinzelten magyarischen Kolonie Döbcljac hatten sich, obwohl rings von serbischen Ortschaften und wohlbewehrten Lagern eingeschlossen und von jeder magyarischen Hilfe abgeschnitten, mit Hilfe einer zurückgebliebenen Besatzung von etwa achtzig Husaren und zwei Kanonen lange nich't ergeben wollen, ja, sie beunruhigten noch die benachbarten Orte durch Ausfälle. Knicnnin, der ihren Heldenmuth offen bewunderte, ließ sie dreimal durch Parlamentäre auffor¬ dern, ihre sämmtlichen Waffen abzugeben, mehr wolle er vou ihnen nicht verlangen, von jedem Kriegsbeitrag sollten sie befreit bleiben; dabei stellte er ihnen das Nutz¬ lose ihres tollkühnen Widerstandes lebhast vor, garantirte ihnen Sprache und Nationalität. — Allein die Männer von Döbeljac gaben nicht nach, sie reizten die Serben nach wie vor durch Ausfälle, fingen mehrere serbische Couriere auf, ja, sie schössen sogar aus Knicanin's dritten Parlamentair. Nun brach Knicanin auf, nahm Döbeljac mit Sturm und seine Schaaren steckten das Dorf in Brand-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/46
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/46>, abgerufen am 15.01.2025.