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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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hatte dem Reich bestimmte Einnahmen zugewiesen; der Berliner dagegen beschränkt
sich auf Folgendes: "dz. 48. Zur Bestreitung seiner Ausgaben ist das Reich
zunächst ans die Matricularbeiträge der einzelnen Renten angewiesen. §. 40. Die
Reichsgewalt ist befugt, in außerordentlichen Fällen Anleihen zu machen oder son¬
stige Schulden zu contrahiren." Wobei sich die sehr erhebliche Frage aufstellen
läßt, wer denn uuter solchen Umständen dem Reich Credit geben wird?

III. Das Neichsoberhaupt. Der preußische Entwurf hat zwischen dem
Programm der erbkaiserlichen Partei und dem der Großdentschcn das <5,isto Alilio"
gewählt. Die Regierung ist einem Fürstencolleginm aus sechs Mitgliedern über¬
tragen, dessen beständiger Vorstand der König von Preußen ist. Alle eigentlichen
Regierungshandlungen übt dieser Vorstand aus. Es läßt sich manches gegen diese
Ausgleichung einwenden. Der Gang der Geschichte wird dadurch verzögert, und
die Gefahr, daß die vereinigte Stimme der Fürsten sich nicht selten in der Lage
finden wird, der Volksvertretung entgegen zu wirken, wird noch dadurch vergrö¬
ßert, daß ihr nach der falschen monarchischen Theorie das absolute Veto zuge¬
schrieben ist. Andererseits dürfen wir aber auch nicht verkennen, daß die beiden
wesentlichen Anforderungen, die man an die Centralgewalt zu stellen hat: Einheit
und Concentration aller staatlichen Macht, nnr in dieser oder einer sehr ähnlichen
Form realisirt werden könne.

IV. Der Reichstag. Das Staatenhans ist ganz in derselben princip¬
losen Zusammensetzung gelassen, die der Frankfurter Entwurf ihm gab, für den
Fall, daß Oestreich sich nicht anschlösse. -- Die Wahlperiode des Volkshauses
ist von drei Jahren auf vier erhöht. Fehlerhaft ist es, daß an der Feststellung
des Budget das Staateuhaus gleichen Antheil haben soll, doch wird es möglich
sein, diese Bestimmung wieder nach dem Frankfurter Entwurf vor definitiver Ein¬
führung der Verfassung umzuarbeiten. Ein zur Hälfte aus Regierungsbeamten
zusammengesetztes Haus darf über Geldbewilligungen nicht Votiren.

V. Das Reichsgericht. Stimmt im Wesentlichen mit dem Frankfurter
Entwurf.

VI. Die Grundrechte. Sie haben den wesentlichen Vorzug größerer
Kürze. Auch noch in dieser Form enthalten sie viel zu viel, da dergleichen ab-
stracte Bestimmungen nur in der Form eines wirklichen Gesetzes einen Sinn haben.
Daß der K: "Der Adel als Stand ist aufgehoben," weggefallen ist, ist sehr ver¬
ständig, denn man weiß nicht, was man sich eigentlich darunter denken soll.
Außerdem ist die Abschaffung der Todesstrafe nicht ausgesprochen. Der wesent¬
liche Inhalt der übrigen Grundrechte ist dem Volke gewährt, und es kommt nu"
nur darauf an, diesen überreichen Inhalt durch wirkliche Gesetzgebung ins Leben
zu rufen.

VII. Gewähr der Verfassung. Enthält keine wesentliche Differenz-
Mißlicher ist es aber, daß nicht erklärt ist, ob die Revision der Verfassung durch


hatte dem Reich bestimmte Einnahmen zugewiesen; der Berliner dagegen beschränkt
sich auf Folgendes: „dz. 48. Zur Bestreitung seiner Ausgaben ist das Reich
zunächst ans die Matricularbeiträge der einzelnen Renten angewiesen. §. 40. Die
Reichsgewalt ist befugt, in außerordentlichen Fällen Anleihen zu machen oder son¬
stige Schulden zu contrahiren." Wobei sich die sehr erhebliche Frage aufstellen
läßt, wer denn uuter solchen Umständen dem Reich Credit geben wird?

III. Das Neichsoberhaupt. Der preußische Entwurf hat zwischen dem
Programm der erbkaiserlichen Partei und dem der Großdentschcn das <5,isto Alilio»
gewählt. Die Regierung ist einem Fürstencolleginm aus sechs Mitgliedern über¬
tragen, dessen beständiger Vorstand der König von Preußen ist. Alle eigentlichen
Regierungshandlungen übt dieser Vorstand aus. Es läßt sich manches gegen diese
Ausgleichung einwenden. Der Gang der Geschichte wird dadurch verzögert, und
die Gefahr, daß die vereinigte Stimme der Fürsten sich nicht selten in der Lage
finden wird, der Volksvertretung entgegen zu wirken, wird noch dadurch vergrö¬
ßert, daß ihr nach der falschen monarchischen Theorie das absolute Veto zuge¬
schrieben ist. Andererseits dürfen wir aber auch nicht verkennen, daß die beiden
wesentlichen Anforderungen, die man an die Centralgewalt zu stellen hat: Einheit
und Concentration aller staatlichen Macht, nnr in dieser oder einer sehr ähnlichen
Form realisirt werden könne.

IV. Der Reichstag. Das Staatenhans ist ganz in derselben princip¬
losen Zusammensetzung gelassen, die der Frankfurter Entwurf ihm gab, für den
Fall, daß Oestreich sich nicht anschlösse. — Die Wahlperiode des Volkshauses
ist von drei Jahren auf vier erhöht. Fehlerhaft ist es, daß an der Feststellung
des Budget das Staateuhaus gleichen Antheil haben soll, doch wird es möglich
sein, diese Bestimmung wieder nach dem Frankfurter Entwurf vor definitiver Ein¬
führung der Verfassung umzuarbeiten. Ein zur Hälfte aus Regierungsbeamten
zusammengesetztes Haus darf über Geldbewilligungen nicht Votiren.

V. Das Reichsgericht. Stimmt im Wesentlichen mit dem Frankfurter
Entwurf.

VI. Die Grundrechte. Sie haben den wesentlichen Vorzug größerer
Kürze. Auch noch in dieser Form enthalten sie viel zu viel, da dergleichen ab-
stracte Bestimmungen nur in der Form eines wirklichen Gesetzes einen Sinn haben.
Daß der K: „Der Adel als Stand ist aufgehoben," weggefallen ist, ist sehr ver¬
ständig, denn man weiß nicht, was man sich eigentlich darunter denken soll.
Außerdem ist die Abschaffung der Todesstrafe nicht ausgesprochen. Der wesent¬
liche Inhalt der übrigen Grundrechte ist dem Volke gewährt, und es kommt nu»
nur darauf an, diesen überreichen Inhalt durch wirkliche Gesetzgebung ins Leben
zu rufen.

VII. Gewähr der Verfassung. Enthält keine wesentliche Differenz-
Mißlicher ist es aber, daß nicht erklärt ist, ob die Revision der Verfassung durch


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[0404] hatte dem Reich bestimmte Einnahmen zugewiesen; der Berliner dagegen beschränkt sich auf Folgendes: „dz. 48. Zur Bestreitung seiner Ausgaben ist das Reich zunächst ans die Matricularbeiträge der einzelnen Renten angewiesen. §. 40. Die Reichsgewalt ist befugt, in außerordentlichen Fällen Anleihen zu machen oder son¬ stige Schulden zu contrahiren." Wobei sich die sehr erhebliche Frage aufstellen läßt, wer denn uuter solchen Umständen dem Reich Credit geben wird? III. Das Neichsoberhaupt. Der preußische Entwurf hat zwischen dem Programm der erbkaiserlichen Partei und dem der Großdentschcn das <5,isto Alilio» gewählt. Die Regierung ist einem Fürstencolleginm aus sechs Mitgliedern über¬ tragen, dessen beständiger Vorstand der König von Preußen ist. Alle eigentlichen Regierungshandlungen übt dieser Vorstand aus. Es läßt sich manches gegen diese Ausgleichung einwenden. Der Gang der Geschichte wird dadurch verzögert, und die Gefahr, daß die vereinigte Stimme der Fürsten sich nicht selten in der Lage finden wird, der Volksvertretung entgegen zu wirken, wird noch dadurch vergrö¬ ßert, daß ihr nach der falschen monarchischen Theorie das absolute Veto zuge¬ schrieben ist. Andererseits dürfen wir aber auch nicht verkennen, daß die beiden wesentlichen Anforderungen, die man an die Centralgewalt zu stellen hat: Einheit und Concentration aller staatlichen Macht, nnr in dieser oder einer sehr ähnlichen Form realisirt werden könne. IV. Der Reichstag. Das Staatenhans ist ganz in derselben princip¬ losen Zusammensetzung gelassen, die der Frankfurter Entwurf ihm gab, für den Fall, daß Oestreich sich nicht anschlösse. — Die Wahlperiode des Volkshauses ist von drei Jahren auf vier erhöht. Fehlerhaft ist es, daß an der Feststellung des Budget das Staateuhaus gleichen Antheil haben soll, doch wird es möglich sein, diese Bestimmung wieder nach dem Frankfurter Entwurf vor definitiver Ein¬ führung der Verfassung umzuarbeiten. Ein zur Hälfte aus Regierungsbeamten zusammengesetztes Haus darf über Geldbewilligungen nicht Votiren. V. Das Reichsgericht. Stimmt im Wesentlichen mit dem Frankfurter Entwurf. VI. Die Grundrechte. Sie haben den wesentlichen Vorzug größerer Kürze. Auch noch in dieser Form enthalten sie viel zu viel, da dergleichen ab- stracte Bestimmungen nur in der Form eines wirklichen Gesetzes einen Sinn haben. Daß der K: „Der Adel als Stand ist aufgehoben," weggefallen ist, ist sehr ver¬ ständig, denn man weiß nicht, was man sich eigentlich darunter denken soll. Außerdem ist die Abschaffung der Todesstrafe nicht ausgesprochen. Der wesent¬ liche Inhalt der übrigen Grundrechte ist dem Volke gewährt, und es kommt nu» nur darauf an, diesen überreichen Inhalt durch wirkliche Gesetzgebung ins Leben zu rufen. VII. Gewähr der Verfassung. Enthält keine wesentliche Differenz- Mißlicher ist es aber, daß nicht erklärt ist, ob die Revision der Verfassung durch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/404>, abgerufen am 15.01.2025.