Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.Wie Frankreich zeigt. Eine feine Bemerkung, lieber Gras. Nachteule. Wir drängen Niemand unsern Glauben auf und wir verläugnen Czar. ihn vor Niemand. Ich bin kein Freiheitsfeind, nnr die halbe und falsche Freiheit Majestät gehen in Ihrem ritterlichen Freisinn sehr weit. Die Nesselrode. Republik wird hoffentlich Niemand seinem Herrn empfehlen. Vor Jcchrcu schon haben wir jene goldenen Worte Sr. Ma¬ Nachteule. jestät vernommen, die in ganz Enropa widerhallen. Sie wiegen alle geschriebene Gewiß, gewiß. Ihre Lage ist sehr schwierig und wir wer¬ Nesselrode. den ihr alle Rechnung tragen. Man muß aus die Vorurtheile der Völker eine Wie ich eben bemerken wollte, lieber Gras. Vergleichen Sie Nachteule. uns vielmehr mit dem Jrrenarzt, der auf die tollsten Phantasien des Wahnsinni¬ Bei uns schlägt man tolle Hunde todt, meine Herren. (knurrend). Dogge") Läßt man sich von den Bestien nnr ritzen, so wird man selber toll; man hat auch Halte den Rand, Orloss. -- Meine Herrn, unser hohe Gast ist Czar. kein Freund von diplomatischen Spitzfindigkeiten. Junge Helden füttert man mit Gut, Majestät. Wir haben Preußen freie Hand versprochen, Nachteule. für sein collegialisches Auftreten gegen Frankfurt; und wir haben alle Aussicht, *) Orloff, der unzertrennliche Begleiter und Leibwächter des Czaren, und berühmt wegen
seiner wahrhaft scythischen Körperkraft, wird von den Russen häufig "des Kaisers Dogge" genannt. Sonstige altscythische Tugenden besitzt Orloff nicht. Nikolaus, in pu'vatrcchtlicher Beziehung der einzige ehrliche Mann in Nußland, wagt weder Gold noch Juwelen oder andere Geschenke von Werth durch seinen Busenfreund übermitteln zu lassen. Der urwüchsige Com¬ munismus grasstrt überhaupt unter dem russischen Adel so gut, wie unter dem russischen Mi¬ litär. Und dieses -- Volk will die sociale und sittliche Ordnung bei seinen Nachbarn wieder¬ herstellen ! Wie Frankreich zeigt. Eine feine Bemerkung, lieber Gras. Nachteule. Wir drängen Niemand unsern Glauben auf und wir verläugnen Czar. ihn vor Niemand. Ich bin kein Freiheitsfeind, nnr die halbe und falsche Freiheit Majestät gehen in Ihrem ritterlichen Freisinn sehr weit. Die Nesselrode. Republik wird hoffentlich Niemand seinem Herrn empfehlen. Vor Jcchrcu schon haben wir jene goldenen Worte Sr. Ma¬ Nachteule. jestät vernommen, die in ganz Enropa widerhallen. Sie wiegen alle geschriebene Gewiß, gewiß. Ihre Lage ist sehr schwierig und wir wer¬ Nesselrode. den ihr alle Rechnung tragen. Man muß aus die Vorurtheile der Völker eine Wie ich eben bemerken wollte, lieber Gras. Vergleichen Sie Nachteule. uns vielmehr mit dem Jrrenarzt, der auf die tollsten Phantasien des Wahnsinni¬ Bei uns schlägt man tolle Hunde todt, meine Herren. (knurrend). Dogge") Läßt man sich von den Bestien nnr ritzen, so wird man selber toll; man hat auch Halte den Rand, Orloss. — Meine Herrn, unser hohe Gast ist Czar. kein Freund von diplomatischen Spitzfindigkeiten. Junge Helden füttert man mit Gut, Majestät. Wir haben Preußen freie Hand versprochen, Nachteule. für sein collegialisches Auftreten gegen Frankfurt; und wir haben alle Aussicht, *) Orloff, der unzertrennliche Begleiter und Leibwächter des Czaren, und berühmt wegen
seiner wahrhaft scythischen Körperkraft, wird von den Russen häufig „des Kaisers Dogge" genannt. Sonstige altscythische Tugenden besitzt Orloff nicht. Nikolaus, in pu'vatrcchtlicher Beziehung der einzige ehrliche Mann in Nußland, wagt weder Gold noch Juwelen oder andere Geschenke von Werth durch seinen Busenfreund übermitteln zu lassen. Der urwüchsige Com¬ munismus grasstrt überhaupt unter dem russischen Adel so gut, wie unter dem russischen Mi¬ litär. Und dieses — Volk will die sociale und sittliche Ordnung bei seinen Nachbarn wieder¬ herstellen ! <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0380" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278890"/> <p xml:id="ID_1195"> Wie Frankreich zeigt. Eine feine Bemerkung, lieber Gras.</p><lb/> <note type="speaker"> Nachteule. </note><lb/> <p xml:id="ID_1196"> Wir drängen Niemand unsern Glauben auf und wir verläugnen</p><lb/> <note type="speaker"> Czar.</note><lb/> <p xml:id="ID_1197"> ihn vor Niemand. Ich bin kein Freiheitsfeind, nnr die halbe und falsche Freiheit<lb/> Hass' Ich. Den freien Herrscher begreife Ich, oder das freie Volk. Eine Nation<lb/> von Kaufherrn, wo Alle einander beherrschen oder ein Volk von Soldaten wo<lb/> Einer herrscht, Amerika oder Nußland. England ist ein Auswuchs, eine Unna¬<lb/> tur. Der constitutionelle Schacher und Doppelsinn, die perfide Galgenfrist für<lb/> Krone oder Volk ist Mir ein Gräuel. Ich begreife die Monarchie oder die Re¬<lb/> publik.</p><lb/> <p xml:id="ID_1198"> Majestät gehen in Ihrem ritterlichen Freisinn sehr weit. Die</p><lb/> <note type="speaker"> Nesselrode. </note><lb/> <p xml:id="ID_1199"> Republik wird hoffentlich Niemand seinem Herrn empfehlen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1200"> Vor Jcchrcu schon haben wir jene goldenen Worte Sr. Ma¬</p><lb/> <note type="speaker"> Nachteule.</note><lb/> <p xml:id="ID_1201"> jestät vernommen, die in ganz Enropa widerhallen. Sie wiegen alle geschriebene<lb/> Weisheit auf. Allein wir, — wir haben leider mit den Vorurtheilen verbildeter<lb/> Völker, mit tausend Rücksichten auf den Eigennutz der verschiedenen Stände zu<lb/> kämpfen, — wir sind nicht stark genug. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1202"> Gewiß, gewiß. Ihre Lage ist sehr schwierig und wir wer¬</p><lb/> <note type="speaker"> Nesselrode.</note><lb/> <p xml:id="ID_1203"> den ihr alle Rechnung tragen. Man muß aus die Vorurtheile der Völker eine<lb/> Zeitlang eingehen, scheinbar mindestens um sie gründlich zu bekämpfen. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1204"> Wie ich eben bemerken wollte, lieber Gras. Vergleichen Sie</p><lb/> <note type="speaker"> Nachteule.</note><lb/> <p xml:id="ID_1205"> uns vielmehr mit dem Jrrenarzt, der auf die tollsten Phantasien des Wahnsinni¬<lb/> gen eingeht. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1206"> Bei uns schlägt man tolle Hunde todt, meine Herren.</p><lb/> <stage> (knurrend).</stage><lb/> <note type="speaker"> Dogge") </note><lb/> <p xml:id="ID_1207"> Läßt man sich von den Bestien nnr ritzen, so wird man selber toll; man hat auch<lb/> Beispiele, daß Irrenärzte den Verstand verlieren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1208"> Halte den Rand, Orloss. — Meine Herrn, unser hohe Gast ist</p><lb/> <note type="speaker"> Czar.</note><lb/> <p xml:id="ID_1209"> kein Freund von diplomatischen Spitzfindigkeiten. Junge Helden füttert man mit<lb/> anderem Zeug. — ^ su-opos, Schwarzenberg, wie führt Ihr Euch in Deutsch¬<lb/> land auf, wie steht Ihr?</p><lb/> <p xml:id="ID_1210"> Gut, Majestät. Wir haben Preußen freie Hand versprochen,</p><lb/> <note type="speaker"> Nachteule.</note><lb/> <p xml:id="ID_1211"> für sein collegialisches Auftreten gegen Frankfurt; und wir haben alle Aussicht,<lb/> daß der bairische Ehrgeiz die deutsche Sache jetzt eine gute Weile hinhält, — wir<lb/> sehen ein, daß Deutschland nicht vor uns in Ordnung sein darf.</p><lb/> <note xml:id="FID_37" place="foot"> *) Orloff, der unzertrennliche Begleiter und Leibwächter des Czaren, und berühmt wegen<lb/> seiner wahrhaft scythischen Körperkraft, wird von den Russen häufig „des Kaisers Dogge"<lb/> genannt. Sonstige altscythische Tugenden besitzt Orloff nicht. Nikolaus, in pu'vatrcchtlicher<lb/> Beziehung der einzige ehrliche Mann in Nußland, wagt weder Gold noch Juwelen oder andere<lb/> Geschenke von Werth durch seinen Busenfreund übermitteln zu lassen. Der urwüchsige Com¬<lb/> munismus grasstrt überhaupt unter dem russischen Adel so gut, wie unter dem russischen Mi¬<lb/> litär. Und dieses — Volk will die sociale und sittliche Ordnung bei seinen Nachbarn wieder¬<lb/> herstellen !</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0380]
Wie Frankreich zeigt. Eine feine Bemerkung, lieber Gras.
Nachteule.
Wir drängen Niemand unsern Glauben auf und wir verläugnen
Czar.
ihn vor Niemand. Ich bin kein Freiheitsfeind, nnr die halbe und falsche Freiheit
Hass' Ich. Den freien Herrscher begreife Ich, oder das freie Volk. Eine Nation
von Kaufherrn, wo Alle einander beherrschen oder ein Volk von Soldaten wo
Einer herrscht, Amerika oder Nußland. England ist ein Auswuchs, eine Unna¬
tur. Der constitutionelle Schacher und Doppelsinn, die perfide Galgenfrist für
Krone oder Volk ist Mir ein Gräuel. Ich begreife die Monarchie oder die Re¬
publik.
Majestät gehen in Ihrem ritterlichen Freisinn sehr weit. Die
Nesselrode.
Republik wird hoffentlich Niemand seinem Herrn empfehlen.
Vor Jcchrcu schon haben wir jene goldenen Worte Sr. Ma¬
Nachteule.
jestät vernommen, die in ganz Enropa widerhallen. Sie wiegen alle geschriebene
Weisheit auf. Allein wir, — wir haben leider mit den Vorurtheilen verbildeter
Völker, mit tausend Rücksichten auf den Eigennutz der verschiedenen Stände zu
kämpfen, — wir sind nicht stark genug. —
Gewiß, gewiß. Ihre Lage ist sehr schwierig und wir wer¬
Nesselrode.
den ihr alle Rechnung tragen. Man muß aus die Vorurtheile der Völker eine
Zeitlang eingehen, scheinbar mindestens um sie gründlich zu bekämpfen. —
Wie ich eben bemerken wollte, lieber Gras. Vergleichen Sie
Nachteule.
uns vielmehr mit dem Jrrenarzt, der auf die tollsten Phantasien des Wahnsinni¬
gen eingeht. —
Bei uns schlägt man tolle Hunde todt, meine Herren.
(knurrend).
Dogge")
Läßt man sich von den Bestien nnr ritzen, so wird man selber toll; man hat auch
Beispiele, daß Irrenärzte den Verstand verlieren.
Halte den Rand, Orloss. — Meine Herrn, unser hohe Gast ist
Czar.
kein Freund von diplomatischen Spitzfindigkeiten. Junge Helden füttert man mit
anderem Zeug. — ^ su-opos, Schwarzenberg, wie führt Ihr Euch in Deutsch¬
land auf, wie steht Ihr?
Gut, Majestät. Wir haben Preußen freie Hand versprochen,
Nachteule.
für sein collegialisches Auftreten gegen Frankfurt; und wir haben alle Aussicht,
daß der bairische Ehrgeiz die deutsche Sache jetzt eine gute Weile hinhält, — wir
sehen ein, daß Deutschland nicht vor uns in Ordnung sein darf.
*) Orloff, der unzertrennliche Begleiter und Leibwächter des Czaren, und berühmt wegen
seiner wahrhaft scythischen Körperkraft, wird von den Russen häufig „des Kaisers Dogge"
genannt. Sonstige altscythische Tugenden besitzt Orloff nicht. Nikolaus, in pu'vatrcchtlicher
Beziehung der einzige ehrliche Mann in Nußland, wagt weder Gold noch Juwelen oder andere
Geschenke von Werth durch seinen Busenfreund übermitteln zu lassen. Der urwüchsige Com¬
munismus grasstrt überhaupt unter dem russischen Adel so gut, wie unter dem russischen Mi¬
litär. Und dieses — Volk will die sociale und sittliche Ordnung bei seinen Nachbarn wieder¬
herstellen !
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |