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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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unerträglicher Druck, weniger für große Zeitungen, am meisten für die kleinen
Blätter der Provinzen. Es ist nothwendig, daß die Interessen der Gemeinden
und Kreise in Krcisblättern ihre Vertretung finden; solche Blätter haben sämmtlich
mit Politik zu thun. Wie ist es möglich, daß diese 2500 oder anch nur 1500
Gulden Caution stelle", da ihr Leserkreis eben so beschränkt sein wird, als ihre
Wirksamkeit für Bildung des Volkes bedeutend sein kann? Wahrscheinlich hat die
Regierung die väterliche Absicht, diese Blätter selbst in die Hände zu nehmen,
oder durch Vorschießen der Kaution in zweckmäßige Abhängigkeit von sich zu
bringen.

Diese Caution haftet für alle Geldbußen, sie kann wegen Uebertretung der
Prcßvorschristen ganz oder zum Theil verfallen und muß in beiden Fällen binnen
drei Tagen ergänzt werden. Dieser Verfall der Caution findet selbst dann statt,
wenn der Erleger der Kaution für seine Person nicht strafbar befunden wurde.
Diese letzte Bestimmung ist, so allgemein gefaßt, Unsinn. Da nämlich nach späteren
Paragraphen zunächst der Verfasser eines Artikels, nach diesem der Herausgeber
oder Redacteur, dann der Verleger, der Drucker und sogar der Verbreiter ver¬
antwortlich sind, so wird das Gesetz in allen Fällen Personen finden, an wel¬
chen die Strafe an Geld und Gefängniß vollzogen werden kann; es wird also
in allen Fällen die Caution höchstens als Unterpfand für die zu zahlende Strafe
betrachtet werden können, wie sie aber verfallen soll, wenn der Erleger für un¬
schuldig befunden wird, ist nicht abzusehen. Der Sinn dieser drakonischen Be¬
stimmung ist offenbar der, daß die Zeitschrift als solche strafbar bleibt, auch wem:
der Verfasser eines einzelnen Artikels oder Jnserats besonders verurtheilt worden
ist. In diesem Sinne gibt es aber keinen unschuldigen Erleger der Caution, denn
wer die Caution eingeschossen hat, ist gleichgiltig, die Zeitschrift wird als Cau-
tionshaber betrachtet. Der §. 12 ist eben so schülerhaft stylisirt, als sein Inhalt
barbarisch ist.

Der Z. 17 enthält das bekannte Curiosum: Berichtigungen von Thatsachen von Seite
der Angegriffenen ist der Herausgeber einer periodischen Zeitschrift insofern unent-
geltlich aufzunehmen schuldig, als der Umfang der Entgegnung, den Umfang des
Artikels nicht übersteigt, auf welchen sich die Entgegnung bezieht. -- Gesetzt, ein
Blatt, z. B. Ihre Grenzboten, enthält in einem Artikel über Wien die humo¬
ristische Lüge, daß der Theaterdirektor Carl in der Octoberrevolution aus einer
ungeheuren Blundcrbüchse dreilöthige Kngeln vom Stephansthurm herunterge¬
schossen habe, und der Artikel, in welchem solche Notiz vorkommt, wäre 16 Seiten
lang, so würden Sie nach östreichischen Recht verpflichtet sein, in der nächsten
Nummer einen Bogen für Herrn Theaterdirector Carl bereit zu halten, in welchem
er dem Publicum anf 16 Seiten versichern könnte, daß es ihm nicht eingefallen
sei, von einer Donnerbüchse so schändlichen Gebrauch zu machen. Ernsthaft be¬
trachtet aber ist die gesetzliche Bestimmung, daß Berichtigung von Thatsachen dem


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unerträglicher Druck, weniger für große Zeitungen, am meisten für die kleinen
Blätter der Provinzen. Es ist nothwendig, daß die Interessen der Gemeinden
und Kreise in Krcisblättern ihre Vertretung finden; solche Blätter haben sämmtlich
mit Politik zu thun. Wie ist es möglich, daß diese 2500 oder anch nur 1500
Gulden Caution stelle», da ihr Leserkreis eben so beschränkt sein wird, als ihre
Wirksamkeit für Bildung des Volkes bedeutend sein kann? Wahrscheinlich hat die
Regierung die väterliche Absicht, diese Blätter selbst in die Hände zu nehmen,
oder durch Vorschießen der Kaution in zweckmäßige Abhängigkeit von sich zu
bringen.

Diese Caution haftet für alle Geldbußen, sie kann wegen Uebertretung der
Prcßvorschristen ganz oder zum Theil verfallen und muß in beiden Fällen binnen
drei Tagen ergänzt werden. Dieser Verfall der Caution findet selbst dann statt,
wenn der Erleger der Kaution für seine Person nicht strafbar befunden wurde.
Diese letzte Bestimmung ist, so allgemein gefaßt, Unsinn. Da nämlich nach späteren
Paragraphen zunächst der Verfasser eines Artikels, nach diesem der Herausgeber
oder Redacteur, dann der Verleger, der Drucker und sogar der Verbreiter ver¬
antwortlich sind, so wird das Gesetz in allen Fällen Personen finden, an wel¬
chen die Strafe an Geld und Gefängniß vollzogen werden kann; es wird also
in allen Fällen die Caution höchstens als Unterpfand für die zu zahlende Strafe
betrachtet werden können, wie sie aber verfallen soll, wenn der Erleger für un¬
schuldig befunden wird, ist nicht abzusehen. Der Sinn dieser drakonischen Be¬
stimmung ist offenbar der, daß die Zeitschrift als solche strafbar bleibt, auch wem:
der Verfasser eines einzelnen Artikels oder Jnserats besonders verurtheilt worden
ist. In diesem Sinne gibt es aber keinen unschuldigen Erleger der Caution, denn
wer die Caution eingeschossen hat, ist gleichgiltig, die Zeitschrift wird als Cau-
tionshaber betrachtet. Der §. 12 ist eben so schülerhaft stylisirt, als sein Inhalt
barbarisch ist.

Der Z. 17 enthält das bekannte Curiosum: Berichtigungen von Thatsachen von Seite
der Angegriffenen ist der Herausgeber einer periodischen Zeitschrift insofern unent-
geltlich aufzunehmen schuldig, als der Umfang der Entgegnung, den Umfang des
Artikels nicht übersteigt, auf welchen sich die Entgegnung bezieht. — Gesetzt, ein
Blatt, z. B. Ihre Grenzboten, enthält in einem Artikel über Wien die humo¬
ristische Lüge, daß der Theaterdirektor Carl in der Octoberrevolution aus einer
ungeheuren Blundcrbüchse dreilöthige Kngeln vom Stephansthurm herunterge¬
schossen habe, und der Artikel, in welchem solche Notiz vorkommt, wäre 16 Seiten
lang, so würden Sie nach östreichischen Recht verpflichtet sein, in der nächsten
Nummer einen Bogen für Herrn Theaterdirector Carl bereit zu halten, in welchem
er dem Publicum anf 16 Seiten versichern könnte, daß es ihm nicht eingefallen
sei, von einer Donnerbüchse so schändlichen Gebrauch zu machen. Ernsthaft be¬
trachtet aber ist die gesetzliche Bestimmung, daß Berichtigung von Thatsachen dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/31>, abgerufen am 15.01.2025.