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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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welchem der erwähnte Russe Bakunin, der in Dresden selbst commandirte, ein
thätiges Mitglied war. Die Führer der Breslauer Demokratie waren wahrschein¬
lich theils im Ein Verständniß, theils selbst dupirt. Die Taktik der Empörer
war hier, nicht hinter den aufgeworfenen Barrikaden zu kämpfen, sondern die
Truppen an dieselben zu locken und aus den benachbarten Häusern auf die stür¬
menden zu schießen. Es war ein böser Tag in der Geschichte Breslaus und
der Belagerungszustand noch nicht die schlimmste Folge desselben.

Weit gefährlicher für die gute Sache ist die Stimmung der "constitutionellen"
Partei in Breslau. Diese besteht, wie Sie wissen, aus dem zahlreichen und an¬
gesehenen Kaufmauustand, ans der überwiegenden Mehrzahl der Beamten, einigen
Professoren und der verhältnißmäßig geringen Anzahl wohlhabender und besonnener
Bürger, wozu noch die in Breslau lebenden Gutsbesitzer mit ihrem Familienan¬
hang gerechnet werden mögen, letztere fast durchweg von Adel und tüchtige Reak¬
tionäre. Seit einem Jahr hat diese Partei für Eigenthum und Leben gefürchtet
und sie hatte in der That Grund dazu, seit einem Jahr ist ihre Sehnsucht vor
Allem auf Herstellung eines geordneten Zustandes gerichtet, welcher dem Privat¬
leben und Verkehr Sicherheit und Garantien bietet. Und deshalb ist diese Partei
zunächst darauf angewiesen, die Regierung zu kräftigen, damit diese ihr selbst und
dem Lande ein kräftiger Schützer sein könne. Wer wird solche Reflexionen dabei"?
sie sind natürlich und haben volle Berechtigung. Aber traurig ist es, daß die
tüchtige Kraft und die deutsche Gesinnung vieler Einzelnen durch diese herrschende
Parteipolitik gebunden sind; und noch trauriger ist, daß aus diesen Gründen für
die Sache des deutschen Volkes und seiner Verfassung von Breslau und Schlesien
wenig zu hoffen ist. Man kann sich eines sehr bittern Gefühls nicht erwehren,
wenn man sieht, wie dnrch die Schurkerei und die Dummheit einer bornirten und
leidenschaftlichen Partei auch die Verständigen in Einseitigkeit getrieben und in
ihrem Gesichtskreis bornirt worden sind. Erwarten Sie, ich wiederhole es, von
Breslau Nichts für die Sache des deutschen Volkes; die Parteibildung der Stadt
und Provinz ist noch gar nicht reif für einen energischen und männlichen Wider¬
stand gegen die preußische Negierung, so traurig steht es damit noch in Breslau,
daß der Belagerungszustand von Vielen als ein Glück gepriesen wird, und ich
versichere sie, es sind keine schlechten Männer, die so sprechen.




welchem der erwähnte Russe Bakunin, der in Dresden selbst commandirte, ein
thätiges Mitglied war. Die Führer der Breslauer Demokratie waren wahrschein¬
lich theils im Ein Verständniß, theils selbst dupirt. Die Taktik der Empörer
war hier, nicht hinter den aufgeworfenen Barrikaden zu kämpfen, sondern die
Truppen an dieselben zu locken und aus den benachbarten Häusern auf die stür¬
menden zu schießen. Es war ein böser Tag in der Geschichte Breslaus und
der Belagerungszustand noch nicht die schlimmste Folge desselben.

Weit gefährlicher für die gute Sache ist die Stimmung der „constitutionellen"
Partei in Breslau. Diese besteht, wie Sie wissen, aus dem zahlreichen und an¬
gesehenen Kaufmauustand, ans der überwiegenden Mehrzahl der Beamten, einigen
Professoren und der verhältnißmäßig geringen Anzahl wohlhabender und besonnener
Bürger, wozu noch die in Breslau lebenden Gutsbesitzer mit ihrem Familienan¬
hang gerechnet werden mögen, letztere fast durchweg von Adel und tüchtige Reak¬
tionäre. Seit einem Jahr hat diese Partei für Eigenthum und Leben gefürchtet
und sie hatte in der That Grund dazu, seit einem Jahr ist ihre Sehnsucht vor
Allem auf Herstellung eines geordneten Zustandes gerichtet, welcher dem Privat¬
leben und Verkehr Sicherheit und Garantien bietet. Und deshalb ist diese Partei
zunächst darauf angewiesen, die Regierung zu kräftigen, damit diese ihr selbst und
dem Lande ein kräftiger Schützer sein könne. Wer wird solche Reflexionen dabei»?
sie sind natürlich und haben volle Berechtigung. Aber traurig ist es, daß die
tüchtige Kraft und die deutsche Gesinnung vieler Einzelnen durch diese herrschende
Parteipolitik gebunden sind; und noch trauriger ist, daß aus diesen Gründen für
die Sache des deutschen Volkes und seiner Verfassung von Breslau und Schlesien
wenig zu hoffen ist. Man kann sich eines sehr bittern Gefühls nicht erwehren,
wenn man sieht, wie dnrch die Schurkerei und die Dummheit einer bornirten und
leidenschaftlichen Partei auch die Verständigen in Einseitigkeit getrieben und in
ihrem Gesichtskreis bornirt worden sind. Erwarten Sie, ich wiederhole es, von
Breslau Nichts für die Sache des deutschen Volkes; die Parteibildung der Stadt
und Provinz ist noch gar nicht reif für einen energischen und männlichen Wider¬
stand gegen die preußische Negierung, so traurig steht es damit noch in Breslau,
daß der Belagerungszustand von Vielen als ein Glück gepriesen wird, und ich
versichere sie, es sind keine schlechten Männer, die so sprechen.




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[0286] welchem der erwähnte Russe Bakunin, der in Dresden selbst commandirte, ein thätiges Mitglied war. Die Führer der Breslauer Demokratie waren wahrschein¬ lich theils im Ein Verständniß, theils selbst dupirt. Die Taktik der Empörer war hier, nicht hinter den aufgeworfenen Barrikaden zu kämpfen, sondern die Truppen an dieselben zu locken und aus den benachbarten Häusern auf die stür¬ menden zu schießen. Es war ein böser Tag in der Geschichte Breslaus und der Belagerungszustand noch nicht die schlimmste Folge desselben. Weit gefährlicher für die gute Sache ist die Stimmung der „constitutionellen" Partei in Breslau. Diese besteht, wie Sie wissen, aus dem zahlreichen und an¬ gesehenen Kaufmauustand, ans der überwiegenden Mehrzahl der Beamten, einigen Professoren und der verhältnißmäßig geringen Anzahl wohlhabender und besonnener Bürger, wozu noch die in Breslau lebenden Gutsbesitzer mit ihrem Familienan¬ hang gerechnet werden mögen, letztere fast durchweg von Adel und tüchtige Reak¬ tionäre. Seit einem Jahr hat diese Partei für Eigenthum und Leben gefürchtet und sie hatte in der That Grund dazu, seit einem Jahr ist ihre Sehnsucht vor Allem auf Herstellung eines geordneten Zustandes gerichtet, welcher dem Privat¬ leben und Verkehr Sicherheit und Garantien bietet. Und deshalb ist diese Partei zunächst darauf angewiesen, die Regierung zu kräftigen, damit diese ihr selbst und dem Lande ein kräftiger Schützer sein könne. Wer wird solche Reflexionen dabei»? sie sind natürlich und haben volle Berechtigung. Aber traurig ist es, daß die tüchtige Kraft und die deutsche Gesinnung vieler Einzelnen durch diese herrschende Parteipolitik gebunden sind; und noch trauriger ist, daß aus diesen Gründen für die Sache des deutschen Volkes und seiner Verfassung von Breslau und Schlesien wenig zu hoffen ist. Man kann sich eines sehr bittern Gefühls nicht erwehren, wenn man sieht, wie dnrch die Schurkerei und die Dummheit einer bornirten und leidenschaftlichen Partei auch die Verständigen in Einseitigkeit getrieben und in ihrem Gesichtskreis bornirt worden sind. Erwarten Sie, ich wiederhole es, von Breslau Nichts für die Sache des deutschen Volkes; die Parteibildung der Stadt und Provinz ist noch gar nicht reif für einen energischen und männlichen Wider¬ stand gegen die preußische Negierung, so traurig steht es damit noch in Breslau, daß der Belagerungszustand von Vielen als ein Glück gepriesen wird, und ich versichere sie, es sind keine schlechten Männer, die so sprechen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/286>, abgerufen am 15.01.2025.