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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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befürchtete. Das war der Anfang von vier unruhigen Tagen. Die Nachrichten
ans Dresden erhielten eine athemlose Spannung, die Sprecher der demokratischen
Vereine schürten in der Masse, allerlei Gesinde!, welches zu Meßzeit in dem wohl-
häbigen Leipzig zahlreicher ist, als sonst, lärmte mit den wenigen Exaltirten Leip¬
zigs durch die Straßen. Ein Waffenladen ward vom Pöbel erbrochen und in der
Nacht vom Sonntag zum Montag floß in dem Kampf der Communalgarde gegen
die Tobenden Menschenblut im Straßenkampfe. Der Kravall in Leipzig war so
unmotivirt, planlos und schädlich als möglich, die Communalgarde und der Ma¬
gistrat hatten ihre deutsche Gesinnung erklärt, ein Feind der deutschen Einheit war
in der Commune Leipzig gar nicht zu bekämpfen. Dagegen wurde durch diese
Aufregung Vieles verloren. Außer mehr als einem tüchtigen Menschenleben, die
Einkünfte ans einer großen und glänzenden Messe, welche in ihrer besten Zeit
aufgehoben werden mußte, und was noch höher anzuschlagen ist, ein Theil des
Selbstgefühls und des Gewichts, welches Leipzig in die Waagschale des Parlaments
zu werfen hatte. Zwar hat die hiesige Communalgarde mit ehrenwerther Aus¬
dauer für Ordnung und Gesetz gestanden, und fünf Nächte hindurch die Pflichten
eines treuen Wirths gegen ihre Gastfreunde und deren Güter männlich erfüllt;
aber die Vorsteher der Commune ließen sich durch das Drängen der exaltirten
Partei doch zu einem Schritt verleiten, welcher mild gesagt, unklar war; sie stell¬
ten die Gemeinde Leipzig durch Absendung eines Commissars "ach Frankfurt und
dnrch öffentliche Erklärung "bis zu Austrag der Conflicte zwischen Krone und
Volk" uuter den Schutz der deutsche" Centralgewalt. Was sollte das heißen? --
Keine Commune, und sei sie die mächtigste, hat das Recht sich in solcher Weise
von ihrer Landesregierung loszulösen, so lange diese verfassungsmäßig be¬
steht. Und bestand die Regierung Sachsens nicht sowohl factisch, als zu Recht,
trotz dem Aufstand in Dresden? -- DaS kann von keiner Partei geleugnet werden.
Die Krone Sachsens hat die Anerkennung der Frankfurter Verfassung verwei¬
gert und deshalb die Kammern aufgelöst. Für die Anhänger des Frankfurter
Parlaments, welche die Ueberzeugung haben, daß erst durch die gemeinsame Ein-
willigung der Negierung und der Landeskammcr die deutsche Verfassung für den
einzelnen Staat Rechtsgiltigkeit erhalte, ist das Recht der Krone, in diesem Fall
durch Auflösung der Kammern und neue Wahlen an das Volk zu appelliren, ganz
unzweifelhaft und der gesetzliche Weg, den Volkswillcn in den neuen Kammern
auszudrücken, ganz unzweifelhaft; für die Entschiedener aber, welche erklären,
daß die Publikation der Reichsverfassung im Centralgesetzblatt allein, auch ohne
Veistimmung der Landesregierungen und Landeskammern und also ohne Publica¬
tion derselben in den Landesgcsetzblättern ausreiche, die Reichsverfassung rechtSgil-
tig zumachen, ist die Berechtigung sich gegenwärtig von ihrer Landesregierung
loszusagen, um nichts größer. Zwar ist von ihrem Standpunkt ans jede Weige¬
rung der Landesregierungen eine gesetzwidrige Handlung, aber da sie die Ober-


befürchtete. Das war der Anfang von vier unruhigen Tagen. Die Nachrichten
ans Dresden erhielten eine athemlose Spannung, die Sprecher der demokratischen
Vereine schürten in der Masse, allerlei Gesinde!, welches zu Meßzeit in dem wohl-
häbigen Leipzig zahlreicher ist, als sonst, lärmte mit den wenigen Exaltirten Leip¬
zigs durch die Straßen. Ein Waffenladen ward vom Pöbel erbrochen und in der
Nacht vom Sonntag zum Montag floß in dem Kampf der Communalgarde gegen
die Tobenden Menschenblut im Straßenkampfe. Der Kravall in Leipzig war so
unmotivirt, planlos und schädlich als möglich, die Communalgarde und der Ma¬
gistrat hatten ihre deutsche Gesinnung erklärt, ein Feind der deutschen Einheit war
in der Commune Leipzig gar nicht zu bekämpfen. Dagegen wurde durch diese
Aufregung Vieles verloren. Außer mehr als einem tüchtigen Menschenleben, die
Einkünfte ans einer großen und glänzenden Messe, welche in ihrer besten Zeit
aufgehoben werden mußte, und was noch höher anzuschlagen ist, ein Theil des
Selbstgefühls und des Gewichts, welches Leipzig in die Waagschale des Parlaments
zu werfen hatte. Zwar hat die hiesige Communalgarde mit ehrenwerther Aus¬
dauer für Ordnung und Gesetz gestanden, und fünf Nächte hindurch die Pflichten
eines treuen Wirths gegen ihre Gastfreunde und deren Güter männlich erfüllt;
aber die Vorsteher der Commune ließen sich durch das Drängen der exaltirten
Partei doch zu einem Schritt verleiten, welcher mild gesagt, unklar war; sie stell¬
ten die Gemeinde Leipzig durch Absendung eines Commissars »ach Frankfurt und
dnrch öffentliche Erklärung „bis zu Austrag der Conflicte zwischen Krone und
Volk" uuter den Schutz der deutsche» Centralgewalt. Was sollte das heißen? —
Keine Commune, und sei sie die mächtigste, hat das Recht sich in solcher Weise
von ihrer Landesregierung loszulösen, so lange diese verfassungsmäßig be¬
steht. Und bestand die Regierung Sachsens nicht sowohl factisch, als zu Recht,
trotz dem Aufstand in Dresden? — DaS kann von keiner Partei geleugnet werden.
Die Krone Sachsens hat die Anerkennung der Frankfurter Verfassung verwei¬
gert und deshalb die Kammern aufgelöst. Für die Anhänger des Frankfurter
Parlaments, welche die Ueberzeugung haben, daß erst durch die gemeinsame Ein-
willigung der Negierung und der Landeskammcr die deutsche Verfassung für den
einzelnen Staat Rechtsgiltigkeit erhalte, ist das Recht der Krone, in diesem Fall
durch Auflösung der Kammern und neue Wahlen an das Volk zu appelliren, ganz
unzweifelhaft und der gesetzliche Weg, den Volkswillcn in den neuen Kammern
auszudrücken, ganz unzweifelhaft; für die Entschiedener aber, welche erklären,
daß die Publikation der Reichsverfassung im Centralgesetzblatt allein, auch ohne
Veistimmung der Landesregierungen und Landeskammern und also ohne Publica¬
tion derselben in den Landesgcsetzblättern ausreiche, die Reichsverfassung rechtSgil-
tig zumachen, ist die Berechtigung sich gegenwärtig von ihrer Landesregierung
loszusagen, um nichts größer. Zwar ist von ihrem Standpunkt ans jede Weige¬
rung der Landesregierungen eine gesetzwidrige Handlung, aber da sie die Ober-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/269>, abgerufen am 15.01.2025.